Die Konfirmationsfeier 1969 oder: " The Continent of Atlantis Was an Island,... "


Da stand sie nun, die Teleskopleiter mit einer Gesamtlänge von 3,80 M und lugte in den Kirschbaum hinein. Die bereits roten oder zumindest leicht rötlich gefärbten Früchte sollten heute zum ersten Mal daran glauben. Bevor die ständig in den Baum hinein fliegenden gefiederten Freunde sämtliche Kirschen abernten, wollte ich zumindest einen kleinen Plasteimer voll auf den Tisch stellen.
Gesagt getan. Ich stieg die Alu - Leiter empor. Doch kaum hatte ich die ersten Sprossen überwunden, erschien der Nachbar am Zaun. Eine kurze Begrüßung und wir fachsimpelten über die Qualität der Früchte, die geflügelten Räuber und das herauf ziehende Gewitter. Also schnell an die Arbeit und ernten, ehe es wieder ordentlich Nässe auf das Haupt gibt.

Bereits oben angekommen steckte mir der Nachbar - so ganz nebenbei - die Information, dass am nächsten Sonntag, also den Pfingstsonntag, bei ihm die erste Konfirmationsfeier statt findet. " Nee, ist es schon soweit? ", fragte ich etwas erstaunt. Beim Kirschen pflücken erinnerte ich mich kurz an meine eigene Konfirmation vor mehr als 45 Jahren. Dann plauderte ich eben diese Reminiszenzen in Kurzform heraus.

Das Problem einer gemischt - religiösen Ehe, wie die meiner Eltern, war zu Beginn der Nachkriegsjahre die Religion selbst. Wer als Mann katholisch getauft, also der römisch - katholischen Kirche angehörte, musste eigentlich auch nach die Glauben kirchlich heiraten. Nun, hatte meine Mutter den evangelisch - lutherischen Glauben angenommen und war demnach Mitglied dieser Kirche. Tja, als dann beide Elternteile sich im Mai 1952 das Ja - Wort geben wollten, gab es eben jenes Problem, das kirchliche Trauung hieß.

Mein Vater, ein gebürtiger Oberschlesier war bereits zu seiner Jugendzeit eher skeptisch zu der Katholischen Kirche eingestellt. Zu sehr verabscheute dessen eigener Vater den Personenkult dort. Der Pfarrer war damals in seinem Geburtsort neben dem Bürgermeister und dem Dorfpolizisten eine Respektsperson. Und als solche fraß sich der Herr Pfarrer  Sonntag für Sonntag in den Häusern der Bauern, Arbeitern und Armen durch, indem er sich einfach zur Mittagszeit in das Haus begab und dort zum Essen eingeladen wurde. Denn einer Respektsperson, wie der des Herrn Pfarrer  konnte kein noch so armer Dorfbewohnern ein Essen ausschlagen. Von den reichen Bauern bekam der Pfarrer darüber hinaus Wurst, Schinken und Gemüse. So musste der Hirte des Herrn nie hungern.

Und weil der Pfarrer dick und rund war, machte er auch auf die Jugendlichen und Kinder einen imposanten Eindruck. Sprich: Sie hatten Angst vor ihm. Das nutzte der  Pfarrer aus, um viele Jugendliche zu ohrfeigen, ihnen die Ohren lang zu ziehen oder einen kräftigen Tritt in den Allerwertesten zu verpassen. Der Pfarrer  als Schläger im Namen des Herrn!

Mein Vater hatte dieses noch in frischer Erinnerung als der katholische Gemeindepfarrer eines Tages bei ihm erschien, um nun nachzufragen, ob denn meine Mutter, also die Noch - Verlobte meines Vaters, bereit sei den katholischen Glauben anzunehmen. Weil es ja nun einmal nicht ginge, dass er als katholischer Amtsträger im Namen des Herrn einer Evangelischen den Segen für die Ehe geben könne. Mein Vater indes staunte nicht schlecht. Warum es denn nicht möglich sei, in der schönen katholischen Kirche von Bad Eilsen die Eheschließung vorzunehmen. Nach katholischem Glauben also, auch wenn die Braut nun doch eine evangelisch Getaufte sei? Nein, nein, das ginge nicht. Die Katholische Kirche erlaube das nicht. Basta!

Gut, dann eben nicht. Meine Eltern waren sich da sofort einig und als der Tag der Hochzeit immer näher rückte, fuhr mein Vater mit dem Fahrrad von Bückeburg nach Obernkirchen zu dem dortigen evangelischen Gemeindehaus und erkundigte sich bei dem Pastor, ob er die Trauung vollziehen könne. Ja, aber selbstverständlich. Und, nein, das mache gar nichts aus, dass zwei verschiedene Konfessionen vorlägen. Also: Eheschließung in religiöser Form in der evangelischen Kirche von Obernkirchen im Mai 1952.

So kam denn auch, dass meine beiden Geschwister und ich evangelisch getauft wurden und wir somit an dem evangelischen Religionsunterricht teilnehmen sowie den Konfirmandenunterricht von zwei Jahren im evangelischen Gemeindehaus und der dortigen Kirche absolvieren mussten, um als vollwertiges Mitglied der Evangelisch - Lutherischen Kirche bei der Konfirmation aufgenommen zu werden.

Da der Altersunterschied zwischen uns dreien jeweils nur knapp 1 1/4 Jahr betrug, gab der Pastor in Bad Eilsen eine zuvor eingeholte Erlaubnis, dass ich ein Jahr später und meine Schwester ein Jahr früher konfirmiert werden konnten. das sparte viel Geld, denn die gesamte Konfirmationsfeier war kostspielig genug.
So musste ein Anzug für uns bzw. ein Kleid für meine Schwester gekauft werden, es musste ein Mittagessen und ein Kaffeetrinken organisiert werden und es mussten die Räume ausgestattet werden. Viel Aufwand, viel Geld, für nur wenige Stunden.

Am 30. März 1969 war es soweit. Die Konfirmation stand an. Wir hatten bereits eine Planung des Gottesdienstes durch den Pastor erhalten, der in seiner Predigt dann die Namen aller Konfirmandinnen und Konfirmanden aufzählte. Und als er dann zum Buchstaben W kam, sagte er laut und deutlich meinen Namen, den meines Bruders und dann den meiner Schwester - ein Raunen ging durch die Kirche. Nach dem Motto: Was, so viele, kommen da noch etwa mehr?
Nachdem jeder Konfirmand seinen auswendig gelernten Text aus der Bibel aufgesagt hatte, entließ uns der Pastor mit einer Urkunde aus der Kirche.

Da wir aber sowieso an der Feier mit den Erwachsenen nicht viel Interesse hatten, luden wir uns kurzer Hand einige Freunde aus der Nachbarschaft ein. Diese waren zum Teil bereits konfirmiert oder waren ein Jahr danach an der Reihe. Diese Gäste saßen nun ab dem frühen Nachmittag mit uns im Zimmer meiner Schwester und hörten dort Musik, rauchten und tranken Cola. Einer dieser Nachbarn hatte eigens dafür einen Plattenspieler mit gebracht. Es war so ein tragbares Gerät mit Plastik - Chassis, einem eingebauten Verstärker und einem Lautsprecher, der sich im Deckel des Phonogeräts befand. Der Klang war grausam, die Lautstärke stark limitiert und der Plattenspielerarm ähnelte eher einem Hobel, denn einer ordentlichen Abtastvorrichtung. Dennoch legten wir unsere aktuellen Single dort auf. Jene 45er - Vinylscheiben, die zuvor für relativ viel Geld gekauft wurden.


Die Singlescheiben waren einst zum Teil mit den Hitparaden des Jahres 1969 identisch, also:

The Hollies  :  Sorry Suzanne

Peter Sarstedt : Where Do You Go To

Joe Cocker : With A Little Help From My Friends

Manfred Mann : Fox On The Run

Canned Heat: On The Road Again

Barry Ryan : Eloise

Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick and Tich: The Wreck Of Antoinette

The Wonderland : Boomerang

The Bonzo Dog Dooh Dah Band : I´m The Urban Spaceman


The Rolling Stones : Street Fighting Man

The Fleetwood Mac . Albatross

The Blue Cheer : Summertime Blues

Tommy James And The Shondells : Crimson And Clover

The Amen Corner : If Paradise Is Half As Nice

Eric Burdon And The Animals : Ring Of Fire

The Crazy World Of Arthur Brown: Fire

Donovan : Atlantis

The Bee Gees : First Of May


Dazu kamen natürlich auch noch jene Titel, die in den Jahren zuvor in den Hitparaden vertreten waren.


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Irgendwann, kurz vor dem Kaffeetrinken kam dann unsere Mutter in das verqualmte Zimmer hinein und forderte uns auf, nach unten zu kommen, denn der Pastor sei da. Wir sollten uns auf jeden Fall unten sehen lassen. " Ach, du Sch..!" Was? " Da gab es kein Entrinnen. So nahmen wir unten an der Kaffeetafel Platz. Und, bevor der Kuchen gegessen wurde, musste natürlich - nach christlichem Ritual - ein Gebet gesagt werden. Ich war der Älteste, also war ich damit auch dran. Ich druckste ein wenig herum, der Pastor bemerkte dieses sofort und erlöste mich mit den Worten: " Soll ich ein Gebet sagen? " " Ja, bitte! ", entfuhr es mir in einem erleichterten, höflichen Ton.

Pastor Hinz faltete die Hände und hob die Stimme zum Gebet leicht an, als über uns plötzlich  Donovan´s " Atlantis " herunter dröhnte:



The continent of Atlantis was an island
Which lay before the great flood
In the area we now call the Atlantic Ocean.
So great an area of land,
That from her western shores
Those beautiful sailors journeyed
To the South and the North Americas with ease,
In their ships with painted sails.
To the East Africa was a neighbour,
Across a short strait of sea miles.
The great Egyptian age is

But a remnant of The Atlantian culture.
The antediluvian kings colonised the world
All the Gods who play in the mythological dramas
In all legends from all lands were from far Atlantis.

Knowing her fate,
Atlantis sent out ships to all corners of the Earth.
On board were the Twelve:

The poet, the physician, The farmer, the scientist,
The magician and the other so-called Gods of our legends.
Though Gods they were -
And as the elders of our time choose to remain blind
Let us rejoice
And let us sing
And dance and ring in the new Hail Atlantis!

Way down below the ocean where I wanna be she may be,
Way down below the ocean where I wanna be she may be,
Way down below the ocean where I wanna be she may be.
Way down below the ocean where I wanna be she may be,
Way down below the ocean where I wanna be she may be.
My antediluvian baby, oh yeah yeah, yeah yeah yeah,
I wanna see you some day
My antediluvian baby, oh yeah yeah, yeah yeah yeah,
My antediluvian baby,
My antediluvian baby, I love you, girl,
Girl, I wanna see you some day.
My antediluvian baby, oh yeah
I wanna see you some day, oh My antediluvian baby.
My antediluvian baby, I wanna see you
My antediluvian baby, gotta tell me where she gone
I wanna see you some day Wake up, wake up, wake up, wake up,
oh yeah Oh club club, down down, yeah
My antediluvian baby, oh yeah yeah yeah yeah


So klar und so deutlich, als stünde der kleine Plastik - Lautsprecher direkt hinter dem Stuhl des Pastors, der dennoch seine wenigen Sätze des Gebets aussprach. " Amen! " - " Amen! ", antworteten die Gäste und auch wir. " Na, denn ist ja alles gesagt!, gab der Pastor noch hinzu. Die Gäste lachten, wir wurden verlegen und Donovan sang weiter: " Knowing Her Fate, Atlantis Send Out Ships To All Corners Of The Earth. On Board Were The Twelve....."

Kurz danach röhrte es von oben herunter: " Way Down Below The Ocean, Where I Wanna Be She May be. "
Immer wieder. Schaurig, dieser Refrain aus den Kehlen unserer jungen Gäste, weil in einem falschen, denn phonetisch gesungenen Englisch.

" Sach doch ma, dass die das etwas leiser machen sollen!", forderte mich unsere Mutter in einem vorwurfsvollen Ton und mit leicht drohenden Blick auf. Ich stand auf und ging nach oben. " Ihr sollt die Musik etwas leiser machen. Der Pastor ist da! ", gab ich unseren Gästen vor.
" Ach so? Ja? ", antwortete der Nachbar von der Feldstraße und drehte den Plastikknopf leicht nach links zurück.

Der Pastor verabschiedete sich, nachdem er Kaffee und Kuchen erhalten hatte.
Wir standen - wohl erzogen auf - als er uns die Hand gab. Unser Treffen im Zimmer war um 19.00 Uhr beendet. Draußen war es bereits dunkel. Alle Single waren gespielt.
Das war der Tag der dreifachen Konfirmation am:


Palmsonntag: Sonntag, 30. März 1969

Vier Tage vor:

Gründonnerstag: Donnerstag, 03. April 1969

Fünf Tage vor:

Karfreitag: Freitag, 04. April 1969

Eine Woche vor:

Ostersonntag: Sonntag, 06. April 1969
Ostermontag: Montag, 07. April 1969


Erinnerungen an die Konfirmation vor mehr als 45 Jahren beim Kirschenpflücken; als Donovan seinen Welthit " Atlantis " als Gebetsbegleitung sang, obwohl ich die " Bee Gees " und das klasse Stück " Lamplight " eigentlich lieber gehört hatte:






Na, denn: Gut´s Nächtle - und nicht vergessen: In 9 Tagen ist WM - Anpfiff:

Kommentare

Octapolis hat gesagt…
odessa! immer wieder schön...
...und sehen wir auf dem donovan cover eine kleine swastika?
Lobster53 hat gesagt…
Das war zum Zeitpunkt der Single - Cover - Veröffentlichung eine existenzielle Frage, deren klare Beantwortung selbst 45 Jahre später nicht vorliegt. Donovan selbst hat sich dazu nie geäußert. Da meine Single im Land Bremen den Weg der MVA - Recycling - Energiegewinnung genommen hat, kann ich diese Mutmaßung ebenfalls weder verneinen noch bestätigen.

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