Udo Lindenberg in Berlin: Von " Mordsee " über " Highway To Hell " bis " Das Leben " ihn in den " Udo " - Kosmos bringt.



Eigentlich sehe ich Musik - Großveranstaltungen eher mit einer gehörigen Portion Skepsis entgegen. Im gesetztderen Alter lässt sich ein Rock - Fan vielleicht doch nicht so ohne weiteres aus den trauten Vier Wänden locken. Doch gerade hier könnte ein fataler Denkfehler begründet sein. Was hat das Alter mit Musik zu tun? Oft wenig, zumeist viel.

Das gilt nicht für den Deutsch - Rocker Udo Lindenberg. Er ist mit seinen 69 Jahren eigentlich nicht richtig alt geworden. Das kann ein seinem eigenen Lebensanspruch liegen, der ihn dazu gebracht hat, es nach 46 Bühnen - und Künstlerjahren erneut mit dem Hyper - Stress einer Stadion - Tournee aufzunehmen. Alle Achtung! Da hätten bereits wesentlich jüngere Kollegen schlapp gemacht.

Nicht so " Uns Udo ".  Er stellt sich dieser Herausforderung und startete seine Auftrittsreihe am 14. Juli 2015 im riesigen Berliner Olympiastadion. Eine Mammutaufgabe? Ja, schon.

Wir hatten zwei - nicht ganz billige - Eintrittskarten geschenkt bekommen. Dem Umstand geschuldet, dass die älteren Semester doch nicht mehr so ganz standfest sein könnten, legte unsere Tochter eben jene zwei Tickets für die Haupttribüne in den Umschlag und - als wären wir damit nicht schon genug beglückt, es gab eine Übernachtung im oberpreisigen Hotel " Louisa´s Place " in Berlin Charlottenburg nebst einer Flasche Champus dazu.

" Udo " - Herz, was willsté mehr?

Nach einem kurzen Hotel - Aufenthalt fuhren wir per U - und S  - Bahn zum imposanten Betonkessel, das das Olympiastadion heißt. Hier spielt eigentlich die Hertha, da findet das DFB - Pokalenspiel regelmäßig statt, heute aber spielt dort der gebürtige Gronauer und Wahl - Hamburg - Berliner Udo Lindenberg auf.

Die Massen strömen aus den Sonderzügen auf das Olympiagelände. Es ist noch ein wenig Zeit, um eine obligatorische Bratwurst zu sich zu nehmen. 4 Euro pro Stück. Ein Berliner frozzelt in der typischen, auf den Punkt bringenden Mundart: " Ditte sind wohl heute allet Einheitspreise, wa? Allet 4 Euro. Die Wurscht, de Bulette, dar Bier. Na, jut, nehm´ick eben ´ne Wurscht. "

Meine bessere Hälfte grinst mich breit an. Sie kennt ja noch aus den DDR - Zeiten die Berliner. Immer für einen witzigen Kommentar gut, die meisten nie abgehoben oder arrogant und dazu auskunftsfreudig.

Das war nämlich erforderlich, um zu unserem Sitzplatz zu gelangen. Rund um den Stadionkessel wimmelte es, wie in einem Ameisenhaufen. Von überall wuselten die " Udo " - Fans umher. Ich fragte mich bei dem sehr, sehr freundlichen Security - Personal durch. Dann hatten wir unsere heiß ersehnten Plätze gefunden. Die Arena in Berlin ist nun mal groß. Größer, als das Dresdner Stadion und mein geliebtes Weser Stadion in Bremen. Während wir die Treppen aufstiegen, sah ich  nach unten, auf die gewaltige Bühne. Bülent Ceylan sang und rockte dort. Ein klasse Typ, der auch eine Mannheimer  " Kodderschnauze " hat, aber dabei nie beleidigend herüber kommt. Ich denke noch an eine seiner RTL - Shows, als er eine giftige Parodie auf das christliche Weihnachtsfest abließ. " Komm´Türk´, hol´de Baum!" Mir kamen damals die Tränen vor Lachen.

Bülent zeigt derweil klaren Kurs gegen ausländerfeindliche Hetze, gegen Diskriminierung und rassistisch motivierte Gewalt in unserem Lande. Ich werde ein wenig kleinlaut, weil wir ja aus Dresden angereist sind. Dort herkommend, wo Flachdenker und geistige Amöben gegen Flüchtlinge pöbeln und deren Notunterkünfte zerstören, weil diese Gipsköpfe meinen, die zugeteilten Asylbewerber seien nur " Schein - Asylanten ", nur " Wirtschaftsfluechtlinge " ( so wie die Millionärsbagage in der Schweiz oder auch in Österreich ). Dann vernehme aus den Gesprächen ringsherum, dass auch sächsische " Udo "ianer im Stadion sind. Erleichtert diskutieren meine bessere Hälfte und ich, was er wohl heute Abend singen wird?

Derweilen verabschiedet sich Bülent auf der Bühne. " Udo kommt erst um Acht. Wir haben nur Viertel vor auf die Karten geschrieben, damit Ihr alle pünktlich seid. " Schallendes Gelächter und ein kräftiger Applaus wird ihm dafür entgegen gebracht. Es ertönt klassische Musik. Vielleicht 10 Minuten lang, dann wird der großer Bühnenvorhang aufgezogen. Auf der Leinwand erscheint blaues Wasser, er dröhnt, zischt und donnert gewaltig. Dann knallt ein knackiger Bass los. Es folgt ein Schlagzeugeinsatz, dessen Intensität sicherlich noch in Berlin - Charlottenburg zu hören war. Weitere Instrumente kredenzen ein fetzigen, markanten Grundrhythmus. Udo kommt mittels Drahtseillift auf die Bühne. Die 50.000 bis 60.000 Tausend johlen, pfeifen und klatschen. Nachdem er festen Boden unter den Füssen hat röhrt Udo los: " Nordsee ist Mordsee ". Aus dem gleichnamigen Film des Hamburgers Hark Bohm, der 1976 zum Teil wegen angeblicher Verstösse gegen das Jugendschutzgesetz nicht gezeigt wurde. Das Udo´sche Panikorchester, seine seit vielen Jahren fest stehende Band, rockt weiter. Und dieses, in einem glasklaren, brillanten Sound, der mir mein schon nicht mehr ganz so junges Pumporgan schneller schlagen lässt.

Das ist knackiger Deutschrock vom Allerfeinsten und mit einer Technik in das gigantische Rund transportiert, der das für mich bisher Erlebte in den Schatten stellt. Ich habe einst viele von ihnen live gesehen. Manche Auftritte waren eher mau, mäßig oder müde. Andere wiederum laut, verzerrt, völlig übersteuert. Nichts von dem, bei " Uns Udo ".

Nach einer Weile wird Udo politisch. Er geißelt den Ausländerhass, der wieder neue Nahrung zu bekommen scheint, Nicht so in Berlin, der weltoffenen Bundeshauptstadt. So aber - und das erwähnt er ausdrücklich - im sächsischen Freital. Ich ducke mich leicht weg. Nein, damit habe ich nichts zu tun. Ich bekämpfe diese rassistischen Strömungen in Sachsen, dem schwarzen CDU - Bundesland.

Udo fährt in seinem Programm fort. Seine Balladen werden eingesprenkelt. Dann treten einige Gastmusiker auf. John Delay, Eric Burdon, der ergreiste Blueser aus den 1960er und 1970er Jahren. Otto Waalkes, mit dem er " Highway To Hell " singt. Otto, der  einst WG - Mitbewohnern in Hamburg war. Ein Weggefährte von damals, als Udo die ersten Alben einspielte.

Es folgen weiter Acts. Die Show ist präzise abgestimmt. Eine mehr als dreistündiges Konzert mit eine Vielzahl von Höhepunkten und diversen Künstlern, die dem Publikum im Olympia Stadion gezeigt wird. Der Wettergott meinte es mit Udo gut. Kein Gewitter, kein Platzregen, keine klitschnassen Füße der Akteure und Fans.

Nachdem Udo eine Menge aus seinen mehr als 4 Dutzend Alben und der 44jährigen Schaffenszeit dem begeisterten Publikum angeboten hatte, entschwebte er in einer Weltraumkapsel in den dunklen Berliner Nachthimmel über dem Olympiastadion. Udo Lindenberg, das Stehaufmännchen, Udo, der Künstler, Udo, der Wahl - Hamburger, der in seinem Leben bislang immer klare Kante zeigte. Gegen Intoleranz, gegen Hass, gegen Neo - Faschisten.
Deshalb mögen sie ihn - nicht nur, aber vor allem auch - in Berlin.

Udo, der Poet, der sein eigenes - häufig mit Umwegen - versehenes Leben längst in seiner auch schon 7 Jahre alten Scheibe " Stark, wie zwei " zum Nachdenken und genauen Hinhören einspielte, er fetzte auf der Berliner Bühne als Deutsch - Rock - Veteran mit seiner exzellenten Band, den vielen anderen Künstlern und Helfern richtig los.

Mensch - Udo, so, wie ich ihn - spät in den frühen 1990ern -, aber niemals zu spät auf vielen Alben kennen gelernt habe. Der altersweise Udo Lindenberg, der von dem Leben und seinem Leben singt.


Wir waren zwei hammerkrasse Typen 
zwei wie's die nur einmal gab 
früher waren wir doch unsterblich 
heut' stehst du mit einem Bein im Grab 
die Welt da draußen macht dich fertig 
und du sagst, du hast genug 
Ey Amigo, guck nach vorn 
denk an unsern alten Spruch: 

Nimm dir das Leben 
und lass es nicht mehr los 
denn alles was du hast 
ist dieses eine blos 
Nimm dir das Leben 
und gib's nie wieder her 
denn wenn man es mal braucht 
dann findet man's so schwer 

Wir sind doch keine Automaten 
wir sind ein Wunder - du und ich 
lass die andern weiterhetzen, weiterhetzen - wir nich' 
wir streunen locker durch die Gegend 
mal sehn wohin es uns so bringt 
und mit whiskeyrauer Stimme 
Ey hör' mal, was dein Freund dir singt: 

Nimm dir das Leben 
und lass es nicht mehr los 
denn alles was du hast 
ist dieses eine blos 
Nimm dir das Leben 
und gib's nie wieder her 
denn wenn man es mal braucht 
dann findet man's so schwer 

Wo is' deine Power hin 
wo ist sie geblieben 
wo is' deine Power hin 
bis zum letzten Atemzug 

Nimm dir das Leben 
und lass es nicht mehr los 
greif's dir mit beiden Händen 
mach's wieder stark und groß 
Nimm dir das Leben 
und gib's nie wieder her 
denn wenn man es mal braucht 
dann findet man's so schwer

Ein junger Redakteur des " SPIEGEL " behauptete einst, als Udo in seiner schwierigeren Zeit mal wieder neben sich stand: " Udo Lindenberg verkörpert das alte Deutschland. So spricht kein Mensch mehr. "

Ach, ja. Dann bin ich auch das Alte Deutschland? Ab und zu spreche ich nämlich auch so. Ich ziehe eine Second Hand - Lederjacke an, Jeans und Turnschuhe. Nö, ich bin nicht gestorben, wenn auch alt und dieses Beides schließt sich dann doch nicht aus. Siehe Udo, den " Panik - Rocker " aus Gronau, der Zehntausende junge und alte Berliner zum Mitsingen brachte.

Wer schafft das schon? Nicht mal die " Rolling Stones " und Helene Fischer auch nicht.



https://de.wikipedia.org/wiki/Udo_Lindenberg

http://www.udo-lindenberg.de/endlich_wieder_panik_udo_lindenberg_rockt_berlin.146297.htm


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