Wedemeier, Nöllemeier?Wede - Nölle? Nödel-Dödel?







Es ist bereits viele Jahre her, als ich als Jura-Student einer Wahlkampfveranstaltung der Bremer SPD beiwohnen durfte. Als Hauptredner war der damalige Bürgermeister und Präsident des Senats der Freien und Hansestadt Bremen, Hans Koschnick. Er verabschiedete sich gleichzeitig aus seinen Ämtern.
Wenig später wurde Klaus Wedemeier für dieses Amt gewählt. Ein Bürokrat, ein furz-trockener Aktenverwalter und Buchhalter. Sein Charisma ähnelte dem eines Sparkassenangestellten. Er hat nämlich keines. Diesen Eindruck hatte ich damals von ihm.

Klaus Wedemeier ist am 12 Januar 2009 65 Jahre alt geworden. Ihm zu Ehren brachte Radio Bremen Eins eine Kurzbiografie in dem " Kalenderblatt " dieses Tages. Immerhin etwas! Beim Zuhören kamen diverse Reminiszenzen aus alten Bremer Jahren wieder hoch. Jene Zeit also, die ich zunächst ab 1978 als Student der Betriebswirtschaftslehre an der dortigen Hochschule für Wirtschaft, der HfW, verbrachte, die ich mit dem Zeugnis und der Diplomurkunde im Mai 1980 verließ, um ab Oktober 1980 an der Universität Jura zu studieren.

Mir kamen Erinnerungen an den 6. Mai 1980, einem lauwarmen Dienstagabend, an dem es vor dem Bremer Weserstadion zu Krawallen kam, weil ein öffentliches Rekrutengelöbnis dort statt fand. Es gingen Autos in Flammen auf, es flogen Steine gegen Polizisten und Feldjäger. Der KBW tönte über einen Lautsprecherwagen: " Hier spricht die Arbeiterklasse!".
Die mehr als 8.000 Demonstranten pfiffen, jubelten und klatschten, als einige hundert schwarz Vermummte, die Sicherheitskräfte mit Molotow-Cocktails bewarfen. Es herrschte der Ausnahmezustand. Damals stand ich in einer Gruppe von Zuschauern nur wenige Meter von der Sielwall-Kreuzung entfernt, um das Geschehen mit großem Interesse zu verfolgen. An ein Weitergehen war eh nicht zu denken, denn vor dem Straßeneinmündungbereich zum Osterdeich standen bereits Absperrgitter und eine gr0ße Zahl von Polizisten, die uns nicht durchließen. Uns, das waren zwei Kommilitonen, mit denen ich eine private Arbeitsgruppe zur Politischen Ökonomie gebildet hatte. Wir diskutierten stundenlang über die marxistisch-leninistische Lehre und hänselten dabei mächtig herum. Die dogmatischen Hochschullehrer, sie wurden in Frage gestellt, die gesamten K-Gruppen müde belächelt. Unsere Grundeinstellung war gesellschaftskritisch. Ob sie nun "links" gewesen ist, kommt auf die Schablone an, die auf jene Studenten gelegt wurde, die sich einst gegen die bürgerlichen Kräfte auflehnten.

Aus diesem Dunstkreis entstanden sukzessive die " Bremer GRÜNE(N) Liste" als Partei. Jene zunächst außerparlamentarischen Kräfte, die um die Protagonisten Delphine Brox, Christine Bernbacher, Olav Dinne', Peter Willers und Axel Adamietz. Was zunächst nach einem losen Haufen, linksintellektueller "Spinner" aussah, entpuppte sich alsbald als politisch Ernst zu nehmende Kraft. Die BGL zog folgerichtig bei der Bürgerschaftswahl 1979 in das Landesparlament ein. Es war knapp, denn es fielen lediglich 5, 1 % der Wählerstimmen auf die GAL. Ein Novum in der parlamentarischen Geschichte der BRD.

Jahre später, die GAL wurde durch parteiinterne Zwistigkeiten zunächst geschwächt, trat sie dann im Wahljahr 1983 gegen den SPD-Spitzenkandidaten Klaus Wedemeier an, der - wie gesagt - Hans Koschnick ablöste. Zu dieser Zeit konnte ich den Wahlkampf sehr gut mitverfolgen, denn ich war als Rechtspraktikant in einem kleinen Anwaltsbüro im Bremer Steintorviertel tätig. Dort, wo die Subkultur und die Drogenkriminalität zuhause waren. Dementsprechend war auch das Klientel. Der einstige Ausbilder bekundete offene Sympathie zu der GAL und so hatte er - folgerichtig - ein Wahlplakat der GAL an einem Lichtmasten, der nahe der Kanzlei stand, anbringen lassen.
Der GAL-Slogan lautete: " Wedemeier/ Wedenölle/Nöllemeier/ Nödeldödel".

Jochen Grabler,

30, Wahlkampfleiter der Bremer Grünen für die Bürgerschaftswahl am 29. September, kann einen ersten strategischen Erfolg verbuchen: Ein Plakat seiner Partei wurde zum Verkaufs- und Lachschlager. Unter Anspielung auf die äußere Ähnlichkeit der beiden Bürgermeisterkandidaten Klaus Wedemeier (SPD) und Ulrich Nölle (CDU) ist in den Straßen Bremens rot-weiß auf schwarz zu lesen: "Wedemeier/Wedenölle/Nöllemeier/ Nödeldödel" . Selbst die "feinere Gesellschaft" der Hansestadt, sogar "Oberschulräte und Gewerkschaftler" erwerben laut Grabler das Plakat zum häuslichen Gebrauch: "Das wird gut verkauft." Die Annoncen der Spitzenkandidatin Helga Trüpel-Rüdel wurden in Bremen allerdings als unfreiwilliger, wenn auch vielbelachter Gag empfunden statt als "scharfe Waffe der Selbstironie" (Grabler). Die grüne Politikerin wirbt für sich mit dem Spruch: "Lieber Trüpel-Rüdel als Nödeldödel".


Auch wenn ich kein GAL-Sympathisant war, so musste ich über den Wahltext lauthals lachen. Wenn Klaus Wedemeier es auch nicht zum Lachen fand, so lag das daran, dass ihm bereits einige Jahre nach seinem Amtsantritt, der scharfe Wind der politischen Gegner ins Gesicht blies. Da gab es die Querelen um den Fluaghafenausbau im Neuenlander Feld, jene um diverse Großprojekte, bei denen Grünland und Kleingartenanlgen bebaut und/oder beräumt werden sollten. Wedemeier agierte hierbei eher ungeschickt. Bürgerproteste bügelte er zeitweise mit den Worten ab: " So, ist jetzt endlich Alles gesagt? Dann darf ich ja wieder regieren gehen!".
Arroganz? Ignoranz?Impertinenz? - der Macht?

Wedemeier büsste bei den Wahlen der 11. und 12. Legislaturperiode die absolute Mehrheit der SPD zwar noch nicht ein. Das geschah dann allerdings dann 1991. Eine - wenn auch verspätete - Ohrfeige für seinen Regierungstil! Klaus Wedemeier musste zusammen mit den GRÜNEN und der FDP, als so genannte Ampelkoalition, regieren. Dieser Versuch endete 1995 mit der so genannten "Piepmatzaffäre". Einem Affront zwischen den regierungsbildenden Parteien, der allenfalls Provinzcharakter hatte. Wedemeier musste gehen, womit auch sein Experiment der Ampel-Koalition beendet war. Es folgt Henning Scherf, der mit der CDU eine Große Koaliton bildete.

Wedemer? Nöllemeier? Wer war denn eigentlich Nölle? Ulrich Nölle, genauer gesagt?



Uli, wie einst Dr. Richard Kimble auf der Flucht

Eine Sendung von Radio Bremen im Jahre 2005 brachte es an das Tageslicht: Flugs hat sich Bremens früherer Bürgermeister und CDU-Finanzsenator Ulrich Nölle nach Frankreich abgesetzt - um sich seinen Gläubigern zu entziehen. Für die CDU ein rein privater Vorgang

Amtsrichter Rosemeier in Dresden hatte gestern einen anstrengenden Tag. Ständig klingelten Journalisten aus dem fernen Bremen ihn in seinem Dienstzimmer an, wobei er fast all denen, die eben keine Volljuristen waren, die feinen, aber dennoch folgenschweren Unterschiede zwischen einem straf- und einem zivilrechtlichen Haftbefehl erklären musste. Letzteren hat das AG Dresden offenbar gegen den früheren CDU-Finanzsenator Ulrich Nölle erlassen. Grund scheint Nölles Nichterscheinen bei Gericht zu sein, wo er - auf Betreiben eines Großgläubigers - eine eidesstattliche Versicherung über seine Vermögensverhältnisse machen sollte.

Radio Bremen recherchierte weiter und brachte in der Nachrichtensendung " Buten &Binnen " einen längeren Bericht, wonach hat sich Nölle bereits Anfang des Jahres zusammen mit seiner Frau nach Frankreich "abgesetzt", haben soll, als bereits ein Haftbefehl des Amtsgerichts Dresden vorlag. Dort hatte Nölle mit 1.600 Plattenbau-Wohnungen gedealt, was seinen Schuldenstand allem Anschein nach weiter in die Höhe trieb. Reinhard Sablotny, RB-Rechercheredakteur, spricht in der Sendung von "vielen Millionen Euro Schulden".

Warum aber nun der überhastete Umzug und dieser ausgerechnet nach Frankreich? Für den südlichen Nachbarn spricht neben dem Wetter auch dessen moderate Finanzgesetzgebung. Bereits nach 15 Monaten kann dort die gerichtliche "Restschuldbefreiung" zugesprochen werden, während in Deutschland verbleibende Bankrotteure mit über sechs Jahren zu rechnen haben.

Nölle ist niemand, der gern lange auf neue Geschäftsmöglichkeiten wartet. Nach seinem endgültigen Ausstieg aus der Politik vor knapp fünf Jahren versuchte er sich kurz hintereinander in jeweils groß angekündigten Mega-Projekten: Den Bremerhavenern versprach mit der Fabrikation des "billigsten Autos der Welt" 3.500 Arbeitsplätze, kurz darauf wollte er den leer stehenden Spacepark mit "Mobilen Welten" füllen. Das Problem: Nölle ruinierte sich durch derlei Luftinvestitionen nicht nur selbst, sondern auch Geschäftspartner, die dem honorigen Banker und Ex-Senator vertrauten. 1999 etwa gingen 120 Arbeitsplätze in Ottersberg verloren, weil die dortige Baufirma Seeger durch ein gemeinsames Hamburg-Geschäft Konkurs ging. In diesem Fall hatte Nölle über die Firma "Nordgrund" agiert, an der nicht nur Nölles Gattin sondern auch der Parteifreund und frühere Senatskollege Borttscheller (samt Gattin) beteiligt war. Partner Borttscheller hatte zuletzt von sich reden gemacht, als er vor vier Monaten einen gefälschten Scheck über 500.000 englischen Pfund beim Bankhaus Neelmeyer einreichte - im Auftrag eines später untergetauchten Mandanten. Ein weiterer kongenialer Nölle-Partner war der langjährige Intendant des Waldau-Theaters, Michael Derda. Als Aufsichtsratschef deckte Nölle Derdas Machenschaften bis zur Pleite. Der Insolvenzverwalter bescheinigte Nölle daran wesentlichen Anteil.

Geschäftliche Tüchtigkeit kann dem gebürtigen Dortmunder jedenfalls nicht abgesprochen werden. Er arbeitet sich als Sparkassenlehrling über die Institutseigene Akademie bis an die Spitze der Bremer Sparkasse hoch. Dort allerdings ist sein Fall "kein Thema" - obwohl Nölle 14 Jahre im Vorstand saß.

Früher galt Nölles Wechsel von der Sparkasse auf den CDU-Senatorenstuhl als "Glücksfall für Bremen", wie Parteichef Bernd Neumann sich ausdrückte. Der "Weser-Kurier" sprach von "bremisch solide".

Nun war Ulrich Nölle, wie er in einer Diskussion mit dem damaligen Bürgermeister Klaus Wedemeier süffisant behauptete, eben nicht " Nödel ", sondern selbst " Dödel ", den er gerne dem biederen Klaus untergejubelt haben wollte. Nölle-Dödel ein Traumtänzer und Pleitier - WedeNölle im Gegensatz dazu, eher ein blasser Bürgermeister im Pelz eines Sparkassenmitarbeiters, der wiederum Nölle war.

So schließt sich der Kreis, indem sich Geschichte manchmal wiederholt. Nach dem Absturz der SPD 1995, der Großen Koalition bis 2007, folgt das Rot-Grüne-Bündnis ab 2007. Die GAL ging einst in die Partei " Die Grünen " auf. Die Geburtswehen sind längst in den bremischen Annalen verschwunden. Was bleibt ist die Erkenntnis, dass eben jeder Nödel dann zum Dödel werden kann, wenn ihm mit Knödeln das Leben bereichert wird.

Kommentare

FRANK hat gesagt…
Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
Lobster53 hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
Lobster53 hat gesagt…
Hallo Frank,

die von dir geschilderte Zeitabfolge ist zutreffend. Ulrich Nölle trat erst 1991 als CDU - Spitzenkandidat gegen den damals amtierenden BG und Senatspräsidenten Wedemeier an. Aus dem Wahlkampf stammt der " Nödel-Dödel " - Slogan.Irgendwie ist mir die Abfolge durcheinander geraten oder nicht mehr ganz präsent gewesen. Dennoch: Das war eine witzige, bremische Besonderheit, zu der sich selbst das Nachrichtenmagazin " DER SPIEGEL " äußerte.
Gruß an die Weser
Jürgen

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