Living in the box oder die unendliche Leidensgeschichte des Herrn D. aus Greifswald.





Ein Bericht des Magazins " Report Mainz " vom 19.01.2009 brachte es einmal mehr an das Licht der Öffentlichkeit: In der BRD gibt es eine Klassengesellschaft!
Die spezifischen Schranken jenes Gebildes lassen sich mit: Herkunft,Geld,Bildung definieren. Ein insich verwobener Dreiklang, der darüber entscheidet, wer winner oder loser ist! Längst hat sich mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung von der übrigen Mehrheit abgekoppelt - ist abgehängt worden. Abgehängt durch eine Unzahl von Gesetzes, deren Inhalte selbst für Fachleute, wie Juristen, Verwaltungsangestellte oder gar Politiker mehr als unverständlich bleiben. So muss denn zur Umsetzung der profane Sachbearbeiter einer, die staatlichen Wohltaten verteilenden Stelle,immer häufiger improvisieren,um einen Fall, für den er ja als Manager ausgebildet worden ist, so zu lösen, dass er der Allgemeinheit nicht zu viel Kosten verursacht.

Als einst die Schröder-Regierung die "HARTZ "-Gesetze als ein bahnbrechendes Jahrtausendereignis lobhudeln ließ, spendete die gesamte Nation, insbesondere die Wirtschaftslobby tosend Applaus. Recht so, "die" sollen jetzt wieder lernen, richtig zu arbeiten. Jawohl,ja, wer arbeiten will, der bekommt auch welche.
Der diesem Gesetzesmonstrum immanente Grundsatz lautet demgemäß: " Fordern und Fördern". Fordern statt Fördern wäre zwar die exaktere Formulierung gewesen, aber auch so zeigte sich sehr schnell,dass viele Regelungen mit der berühmt berüchtigten " heißen Nadel " gestrickt waren.

Die Medienindustrie produzierte alsbald eine Unzahl von Beispielen, anhand derer die Unzulänglichkeiten der "HARTZ "-Gesetze überdeutlich wurden. Von Missbrauch, vom Sich-Ausruhen in der sozialen Hängematte war die Rede, Ex-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement hetzte sogar mit dem Begriff des "Sozialschmarotzertums" in der Öffentlichkeit herum und produzierte ein zig Seiten starkes Pamphlet, in dem er detailliert jene "Mißbrauchsfälle" auflistete.
Die meisten Kritiker an jenem Machwerk äußerten jedoch fundierte Bedenken hinsichtlich des erwünschten Beschäftigungeffektes und geißelten diese Gesetzgebung als unsozial und grundrechtswidrig.
Hierfür gingen einst einige tausend BRD-Bürger auf die Straße.

Nun, seit dem ist sehr viel Wasser die Weser herunter gelaufen. Die Erde wurde davon nicht aus den Angeln gehoben und der einst "schmarotzende" volljährige Sohn wohlhabender Eltern, der über einen fingierten Mietvertrag, eine Bedarfsgemeinschaft außerhalb von Muttis Kochkünsten und Paps unterstützende Zahlung für den 3er BMW, sein eigenes Geld - jedoch ohne Anstrengung und Arbeit - ausgeben wollte, ist - ebenso, wie die Dauerproteste - in der Schublade der BRD-Geschichte abgelegt worden.

Peter Hartz, exakter geschrieben: Herr Dr. Peter Hartz, der als VW-Manager einst jenes SGB II-Ungetüm mittls seiner Arbeitsgruppe dem Medien-Kanzler Gerhard Schröder vorlegte, wurde alsbald wegen der aufköchelnden "VW-Affäre" geschaßt. Es regte sich noch einmal Unwut im Bauch des Michels und die Medienmeute prangerte den "Lustreisen"-Initiator öffentlich an, dennoch konnte all dieses nicht darüber hinweg täuschen, dass der Slogan: " Frühling, Sommer,Herbst,Winter - HARTZ bleibt!" auch hier voll umfänglich zutrifft.

Des Volkes gespaltenes Verhältnis zu diesem Regelungsmonster ist indes geblieben. Immer noch lehnt die Masse der Betroffen das Werk ab; die es eh nie treffen wird, sehen in ihm unisono die erste Stufe des Kommunismus erreicht. Denn ALG II ist für jene Bevölkerungsgruppen gleich bedeutend mit "Alk", "Unterschichtsfernsehen den ganzen Tag" und " Sich - vermehren - " in einer verräucherten Plattenbauwohnung.

Wo Vorurteile gepflegt werden, gelangen sie auch alsbald in die Dienststuben jener Fallmanager, die dann - frustriert von ihrem eigen Dasein - sehr schnell Gefahr laufen, auf jene Fälle, über die sie zu entscheiden haben, einen Präzedenzfall konstruieren zu wollen.

So geschehen eben im Jahre 2008 in Greifswald. Jener Universitäts - und Hansestadt, deren Nachwendegeschichte eben viele Gewinner und viele Verlierer zu verzeichnen hat. Von den einst 68.000 Einwohnern, aus der Ära, als die inoffizielle DDR-Nationalhymne der Popsong " Living in the box " war, ein gergeltes Sein das Maß aller Dinge war, sind nur noch 53.000 verblieben.
Um dasvollständige Ausbluten der vorpommernschen Region rund um den Greifswalder Bodden zu verhindern, sind die Politker einen strengen Kurs gefahren: Wandel um jeden Preis!

In den Zeiten der globalisierenden Finanz - und Identitätkrisen wird es für viele Städte und Gemeinden nun darauf ankommen, sich aus der Masse der übrigen Kommunen abzuheben. Da macht sich eine "Stadt der Wissenschaften " als Aushängeschild ganz gut. Greifswald am Zipfel dieser Republik gelegen, versucht eben jenen Imagewechsel zu vollziehen. Wo einst ein arte farke aus dem Gruselkabinett der Atomindustrie stand, das annähernd 10.000 Werktätigen die verstrahlte Arbeit gab, werden heute nur noch die Ruinen entsorgt. Dafür leben in der Stadt mittlerweile 12.000 Studenten, die Tag und Nacht von 5.000 Mitarbeitern der dortigen Universität betreut werden. Immerhin! Bei einer derartigen Anballung von Forschung und Lehre, fallen die einst 20,7 % Erwerbslosen, die aktuell auf 17,4 % reduziert werden konnten und die mehr als 9.500 SGB II-Leistungsempfänger nicht auf.

Diese Zahlen passen dem CDU-Bürgermeister nicht an sein Konzept, denn als Stadt der Wissenschaften gibt sich Greifswald innovativ. Arme sollte es nach seiner Lesart deshalb erst gar nicht geben. Analphabeten erst recht nicht. Mit verklärtem Verständnis zu den realen Zahlen in diesem. unserem Lande, erkennt er deshalb nicht, dass über 4 Millionen Menschen des Lesens und Schreibens nicht kundig sind. Davon allein 8,3 Jugendlich oder Schulabbrecher. Nein, eine Stadt mit einem großen wissenschaftlichen Flair, will hiervon nichts wissen. Wissen ist macht, nichts zu wissen,gibt es bei dem CDU-Mann nicht.

Der 53-jährige Wolfgang D. gehört zu dem Klientel der Mehrfachbenachteiligten: Er ist Analphabet, HARTZ IV-Empfänger und - seit kurzem - wohnungslos oder besser obdachlos. D. hat nie etwas gelernt, schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch - bis zur Wende. Dann blieb er Wendeverlierer. Für immer und ewig. Nach Sozialhilfe kam HARTZ IV, dann diverse Kürzung des Regelsatzes, schließlich die vollständige Einstellung der Leistungen. Es folgten: Mietschulden, Räumungsklage, Zwangsvollstreckung, Einweisung in ein Obdachlosenheim.
Die steile Karriere bergab verlief rasant.

Die ARGE Greiswald blieb gnadenlos: Was gestern rechtens war, kann heute nicht Unrecht sein.

Eine engagierte Kollegin nahm sich seiner an, ebenso Report Mainz. Hierfür musste sich die RAin von einer in Analogie zum BAT-Ost tätigen Mitarbeiterin noch anpöbeln lassen: " Wer bezahlt Sie eigentlich? Wenn der Geld hat für eine Anwältin, kann es ihm ja so schlecht nicht gehen!" Basta! Frust produziert Gegenfrust!
Von den Regelungen des Beratungshilfegesetzes hatte diese Damen nie etwas gehört. Warum auch?

D. lebt nun in einem Obdachlosenheim. In einem Kaninchenstall, dessen Größe gerade dem entspricht, was einem Asylbewerber auch zugemutet wird.

Die einstige Plattenbauwohnung in Schönwalde, jenem Relikt aus DDR-Tagen war komfortabler. Da D. nun aber ein Mensch dritter Klasse geworden ist, soll seine Plattenbauwohnung wohl lieber an einen Studenten vermietet werden. Der zahlt wenigstens seine Miete, studiert fleißig und wird diesem Staat vielleicht eines Tages durch seinen Job jenes Geld qua Steuern wieder einbringen, was Papa Staat für ihn bis dato ausgeben musste. D. ist jedoch nur Leistungempfänger und wird deshalb auch nichts einbringen. Ergo: Abschieben! Möglichst weit weg von der Stadt, dessen Bürgermeister sich der Wissenschaft verschrieben hat.

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