Nennen Sie ihn Waldemar, Mike Scheweleit und der Galopp-Konterzug im Schwarm. Die kreativen DDR-Sportreporter und ihre Wortschöpfungsungetüme.
Was geschah am 31. 12. 1991? Ein Datum, an das ich mich ad hoc nicht recht erinnern kann. Auch beim längeren Grübeln würde mir hierzu nichts einfallen.
Der Geistesblitz käme jedoch spätestens, wenn die Abkürzung DFF oder DDR-Fernsehen fielen.
Na, klar, am 31. 12. 1991 wurden die beiden Programme der DDR endgültig abgeschaltet. Liquidator war der CSU-Bazi-Import Rudolf Mühlfenzl. Ein arrogantes Arschloch, Strauß-Lobhudeler und Rechtsausleger par excellence.
Die beiden Programme gingen nicht in die ARD ein,sondern wurden - wie so Vieles zuvor auch - einfach abgewickelt. Zwar erhielten die Neuen Bundesländer mit dem ORB, dem MDR und über den NDR ( Mecklenburg-Vorpommern ) eine eigene Regionalität.dennoch wurde den Menschen aus den so genannten Beitrittsgebieten der BRD-Medien-Mist übergestülpt. Mitsamt ihren Höhen und Tiefen, und - wie sollte es anders sein - auch die Sportsendungen.
Was dem Westdeutschen die Sportschau, Sport im Dritten oder das Aktuelle Sportstudio im ZDF, war dem DDR-Bürger einst die nachfolgenden Sendungen:
- Sport aktuell
- Sport am Sonntag
- Medizin nach Noten (Aerobic-Vorläufer)
- Sport-Arena
- Sport am Mittwoch (2. Programm)
- Sportreporter
- Halbzeit (immer mittwochs)
Als Fußball-Fan habe ich mir bereits in den 70er Jahren die Berichterstattung von den DDR-Oberligaspielen regelmäßig angesehen. Aber auch Handballbegegnungen der Top-Vereine, wie den 1. FC Magdeburg gehörten zu den Sendungen, die mich interessierten. Sogar Schwimm-Wettkämpfe sah ich mir ab und zu an.
Mit dem Wintersport hatte ich allerdings - bis auf Eishockeyspiele - weniger am Hut.
Und da ich so manches EC-Spiel der Dynamos aus Dresden, des FC Lokomotive Leipzig oder des FC Magdeburg mit aller größtem Interesse verfolgen durfte - oft habe die gesamtdeutschen Daumen für die DDR-Vereine gedrückt -, waren mir die Reporter schon bald genauso geläufig,wie jene aus dem eigenen Umfeld. Wenn ich dabei die politische Schiene, die natürlich auch bei internationalen Wettbewerben gefahren werden musste, völlig ausblende, komme ich auch heute - nämlich 19 Jahre nach dem Abgesang des DFF oder DDR-Fernsehen - zu dem eindeutigen Ergebnis,dass es sich einst um kompetente Leute handelte.
Heinz-Florian Oertel war wohl der Grand Seigneur des Sportfernsehens. Er ließ nicht nur seine schüttere Haartracht in den Scheinwerferkegeln der Studios glänzen, sondern hatte ein exzellentes Wissen. Hinzu kam ein Kommentarstil,der unterschwellig immer einen Schuss Ironie durch blicken ließ. Seine langjährige Berufserfahrung machte ihn, bis das Glas zur Neige ging, eigentlich unentbehrlich. Ich hatte so manches Mal die helle Freude an seinen Fußball-Berichterstattungen. Wenn er im Studio dann die Ergebnisse der Oberliga und die der zunächst 5 Staffeln, später nur noch 2 Staffeln, der II. DDR-Liga herunter betete, musste ich häufiger grinsen. Nun,es war dem sozialistischen Kampf-Vokabular geschuldet, dass dort Vereine eben Empor, Vorwärts oder Energie hießen. Dass es in der II. Liga auch Clubs mit dem Namen Aktivist Brieske Senftenberg, Aktivist Schwarze Pumpe oder BSG Motor WW Warnemünde hießen, störte mich wenig. Heinz-Florian Oertel las die Ergebnisse immer mit einer stoischen Ruhe herunter.
http://www.sportergebnise.de/fussball/ddr/ddr.htm
Manchmal hielt er auch mit einem Hauch von Kritik nicht hinter dem Berg.
Er gehörte eben zu den Alteingesessenen,denen die staatstreuen Parteimitglieder in den Programmetagen wohl kaum etwas anhaben konnten.
Heinz - Florian Oertel war eben über Jahre Mr. DDR-Sportsendung schlechthin.
Unvergessen bleibt wohl seine Live-Reportage bei dem Sieg des DDR-Marathonläufers Waldemar Cierpinski.
http://de.wikipedia.org/wiki/Heinz_Florian_Oertel
Sein Kollege Joachim Schröter ist mir eigentlich erst seit den 80er als Moderator bewusst im Gedächtnis geblieben. Ein dunkelhaariger, bebrillter, relativ großer,schlanker Mann mit einem Einheitsanzug. Er kam mir eher bieder vor. Dennoch waren seine TV-Auftritte sachlich - nüchtern und fast schon zu korrekt. Immer unter der Prämisse betrachtet,dass die Sportmoderatoren - wie viele andere Kollegen auch - extrem gedeckelt wurden,kam auch Joachim Schröter mir eher als grauer Mitarbeiter des DFF/DDR-Fernsehens vor.
Joachim Schröter gehörte zu den schon etwas älteren Journalisten und war nach der Wiedervereinigung kaum noch tätig sein. In unregelmäßigen Abständen kommentierte er Radrennen bei Eurosport tätig, z.B. bei der Tour de France. Auch in einigen Nordischen Skisportarten war er in den 90er Jahren wohl noch zu hören, da diese auch noch zu seinem Metier gehörten.
Anders aber der Kommentator und Moderator Gottfried Weise. Er zählte auch zu den älteren Mitarbeitern des DDR-Fernsehens und war ein profunder Kenner der Fußballszene der DDR. Aber auch in dem internationalen Fußball-Genre kannte er sich hervorragend aus.
Über seine Person habe ich deshalb folgendes gefunden:
" Seine berufliche Laufbahn begann Gottfried Weise 1967 beim „Deutschen Sportecho“. Zwei Jahre später wechselte er zum DDR-Fernsehen. Nach der Wende arbeitete er u. a. für den Züricher „Sport“ und ist seit 1994 TV-Kommentator für Eurosport. Gottfried Weise berichtete seit 1974 von neun Fußball-Weltmeisterschaften, fünf Europameisterschaften und sechs Olympischen Spielen. Er ist Autor mehrerer Fachbücher (u. a. „Das große Lexikon des DDR-Fußballs“). "
- Zitatende -
Tja, und dann wäre da noch Dirk Thiele. Als DDR-Sportsendungsfan kannte ich ihn bereits seit den 70er Jahren. Dirk Thiele war sowohl Moderator als auch Kommentator der ungezählten Berichte, Reportagen und Sendeformate aus den Sportbereichen für das DDR/DFF-Fernsehen. Thiele wurde - ähnlich wie seine Kollegen von einst - nach der Wende und spätestens am 31.12.1991 von dem Bazi Mühlfenzl abgewickelt.
Sportjournalisten fand ich im Netz folgende Beschreibung:
" Seinen gepressten, nasalen Slang kennt fast jeder, auch wenn es vielen schwer fallen sollte, der Stimme ein Gesicht zuzuordnen. Dirk Thiele bringt Sachverhalte auf den Punkt, manchmal übertrieben genau: "Und immer noch kommen Marathon-Läufer. Manche gehen fast zu Fuß." Er redet den Sportstars nicht nach dem Mund und hat immer zahlreiche Fakten parat. Bisweilen wirkt es arrogant, fast respektlos, wenn der 66-Jährige (geboren 1943) die Leistung und das Verhalten von Weltklasse-Sportlern kommentiert. Thiele weiß scheinbar alles und vieles besser als die Kollegen, und er hat immer einen markanten Dirk-Thiele-Spruch drauf.
Sein Werdegang: Ab 1965 studiert Dirk Thiele Sport und Geschichte in Potsdam, trotz Lehrerdiplom in der Tasche wird er Journalist. Thiele arbeitet seit 1970 als Kommentator beim Fernsehen der DDR, dem Deutschen Fernsehfunk (DFF), vorher zeitweilig als Schauspieler bei der Defa. Er wird bekannt durch die Sendung "Sport aktuell", bei der der Nachwuchsmann neben seinem Haupteinsatzgebiet Handball auch Leichtathletik machen darf. Nach der Wende 1989 freier Journalist und ab 1992 bei Eurosport als Kommentator zuständig für Nordischen Wintersport. "
- Zitatende -
Ulf-Dieter Hesse neigte am meisten zu Übertreibungen und spitzen Bemerkungen gegen den Westen. Weshalb ihm - bisher unbelegt - eine Nähe zur damaligen Staatssicherheit angelastet wurde. Nun, die häufig politisch eingefärbten Berichterstattungen wurden sicherlich dann deutlich,wenn es um Begegnungen zwischen Ost - und Westvereinen ging. Ulf-Dieter Hesse soll nach der Wende - angeblich - Programmchef des NDR im Bereich Mecklenburg-Vorpommern gewesen sein.Über seinen weiteren beruflichen Werdegang konnte ich zumindest bis dato keine Informationen finden.
Ein echter " Live "-Reporter des DDR/DFF-Fernsehens war Uwe Grandel. Ein Kritiker schrieb einst im Nachwendejahr 2001: " ("die Granate" schlechthin, denn was der so an wirklich dämlichen Kommentaren und Sprüchen losgelassen hat, war einfach unglaublich. Heute noch beim MDR tätig. Macht dort bei Regionalligaspielen oft Interviews am Spielfeldrand, manchmal kommentiert er auch noch ein Spiel. Und was soll ich sagen ? Er läßt teilweise immer noch solche Sprüche los. Die sind eher peinlich, aber dadurch zum Drüberlachen. Über die Möchtegern-Witze von SAT.1-Reportern kann man ja eher nicht lachen.) ".
- Zitatende -
Nun, ich habe ihn über viele Jahre auch im TV der DDR erlebt. Sowohl als Reporter und auch als Moderator. Sicherlich nicht immer eine Ohrenweide; dafür aber kompetent, wenn es um Fußball oder auch Eishockey ging. Dass er bis heute noch für das Fernsehen tätig ist, spricht eher für, denn gegen seine Qualitäten.
Dieses gilt auch für Bodo Boeck (kam erst in den letzten Jahren der DDR dazu, ist aber dafür heute ebenfalls oft beim MDR zu hören. Vor allem beim Fußball in der Regionalliga). Ein gleichfalls kompetenter Kenner - insbesondere der regionalen und lokalen - Fußballszene. Für den MDR kommentierte er auch häufiger Eishockeyspiele, wenn gleich mit etwas weniger Fortune.
Dass es in einigen Sendungen an wahrhaft kruden Wortschöpfungen der damaligen DDR-Sportreporter und - moderatoren nicht fehlen durfte, war vor allem dem Faktum geschuldet, sich gegenüber dem gängigen Sprach - und Fachvokabula des Klassenfeindes aus dem Westen abgrenzen zu wollen.
Dazu fallen mir ein:
Während eines DDR-Oberligaspiels zwischen dem FC Vorwärts Frankfurt / Oder und dem FC Carl Zeiss Jena kommentierte Chefreporter HFO so:
" Graaaaaaaamenz,Graaaaaamenz, Graaaaaaamnez. Schöne Leistungssteigerung in der zweite Hälfte von Harald Gramenz. Wieder Graaaaaaamenz!"
Dann wenig später: " Graaaaaaamenz, Graaaaaaamenz zu, zu Jaaaarmuszkiewicz , jetzt André Jarmuszkiewicz! Andreeeeee'Jamuschkewitz!"
Ich habe mich einst zusammen mit meinen Studienkollegen Lothar Gronefeld vor Lachen gebogen.
Gleiches galt bei der Kommentierung eines EC-Spiels in den frühen 80er Jahren zwischen dem ( vermutlich BFC Dynamo Berlin ) und einem internationalen Gegner, als Gottfried Weise den Brüller los ließ " Galopp-Konterzug! Im, im, im Galoppkonterzug im Schwarm! ". Wir lachten bis die Tränen kamen.
Eine weitere Episode aus der Rubrik TV-Kommentatoren-Vokabular leicht gemacht, quälte sich Uwe Grandel ab. Er musste wohl eine DDR-Tischtennismeisterschaft beobachten und saß nun in seiner Sprecherkabine bei einem Doppel zwischen Meik Scheweleit und seinem Partner Bernd Raue, eher wie der nichts ahnende Ochs'vorm Berge und kommentierte folglich so:
" Mike Scheweleit,Bernd Raue. Mike Scheweleit, Bernd Raue, Mike Scheweleit, Bernd Raue ".
Nachdem sich das Spiel endlos hinzog, variierte er die Namen:
" Raue,Scheweleit. Raue,Scheweleit. Raue,Scheweleit. "
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Herrendoppel: 1.Raue, Bernd / Scheweleit, MikeAußenhandel Berlin 2.Stöckel, D. / Decker, SiegbertElektronik Gornsdorf / Sachsenr. Zwickau 3.Mühlfeld, A. / Thiel, BernhardTurb. EKB Köpenick / Sachsenr. Zwickau 3.Bessert, Diethelm / Vierk, HartmutSR Zwickau /Automation Cottbus
Nun, es handelte sich einst um das Doppel im Endspiel der DDR-Tischtennismeisterschaften des Jahre 1984, dass beide Benannten gewannen. Wovon der gute Uwe Grandel jedoch keine Ahnung hatte und dieses durch monotones Benennen der beiden Sieger zu überspielen gedachte.
Trotz alledem: Die DDR-Sportsendungen waren sehenswert und ihre Mitarbeiter engagiert und fachkundig. Ein Unterschied zu dem heutigen Gesülze der hoch bezahlten Protagonisten, wie Tag und Nacht!
Kommentare
Du verwechselst da was. Boris Becker hat weder geächzt noch gestöhnt. Das kam so richtig erst später auf, vor allem bei den Damen.