Zensus - Census - Makrozensus: Nun zählet und seid froh!
Es geschah aber in jenen Tagen, dass eine Verordnung vom Kaiser Augustus ausging, den ganzen Erdkreis einzuschreiben. Diese Einschreibung geschah als erste, als Cyrenius Statthalter von Syrien war. Und alle gingen hin, um sich einschreiben zu lassen, ein jeder in seine Stadt. Es ging aber auch Josef von Galiläa, aus der Stadt Nazareth, hinauf nach Judäa, in Davids Stadt, die Bethlehem heißt, weil er aus dem Haus und Geschlecht Davids war, um sich einschreiben zu lassen mit Maria, seiner Verlobten, die schwanger war. (Lk. 2,1-5)
So beginnt die Weihnachtsgeschichte. Weihnachtlich wird wohl jeden verbeamteten Statistiker in den Behörden bald zu mute sein, wenn er von 17,5 Millionen Immobilieneigentümern und weiteren 10 %, also etwa 8 Millionen zufällig Befragten die vielen Antworten zu vielen Fragen erhält. Viel Futter, mit dem die Datenkrake in Berlin oder den einzelnen Landeshauptstädten gefütterten werden kann. Viel Material, dass es gilt danach sicher aufzubewahren.
Volkszählungen haben Tradition. Die Wissbegierde er Herrschenden über das eigene Volk wurde bereits vor langer Zeit von Kaisern,Königen und sonstigen Regenten ausgelebt, indem im Plebs herum geschnüffelt wird.
http://de.wikipedia.org/wiki/Volksz%C3%A4hlung
In der Neuzeit hat sich der Staat der modernen Techniken bedient,um seinen Wissensdurst zu löschen. Nicht immer waren seine Absichten, von jedem Einzelnen eine Vielzahl von Informationen zu erhalten, nachvollziehbar; geschweige denn, verfassungskonform.
Als die Kohl Regierung im Frühjahr 1983 sich mit einer ersten Totalerfassung aller BRD-Einwohner versuchte, kassierte sie eine Tracht Prügel aus Karlsruhe in Form des Richtung weisenden "Volkszählungsurteil".
Hier entschied der Erste Senat des Bundesverfasssungsgerichts am 15. Dezember 1983 in der Tenorierung so:
1. § 2 Nummer 1 bis 7 sowie §§ 3 bis 5 des Gesetzes über eine Volks-, Berufs-, Wohnungs- und Arbeitsstättenzählung (Volkszählungsgesetz 1983) vom 25 März 1982 (Bundesgesetzbl. I S. 369) sind mit dem Grundgesetz vereinbar; jedoch hat der Gesetzgeber nach Maßgabe der Gründe für ergänzende Regelungen der Organisation und des Verfahrens der Volkszählung Sorge zu tragen. |
2. § 9 Absatz 1 bis 3 des Volkszählungsgesetzes 1983 ist mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig. |
3. Die Beschwerdeführer werden durch das Volkszählungsgesetz 1983 in dem aus Nummer 1 und 2 ersichtlichen Umfang in ihren Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes verletzt. |
Im übrigen werden die Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen. |
4. Die Bundesrepublik Deutschland hat den Beschwerdeführern die notwendigen Auslagen zu erstatten. |
Im Kern begründet das BVerfG seine Entscheidung damit:
„Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß. Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. […] Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist. Hieraus folgt: Freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Dieser Schutz ist daher von dem Grundrecht des Art 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art 1 Abs. 1 GG umfasst. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.“
BVerfGE 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83
Seit dem sind viele Jahre in das Land gezogen. Und es gab 1987 eine wesentlich abgespeckte Variante des Zensus, die dann der Kohl-Regierung offensichtlich genügte,um weiter zu planen. Was allerdings nicht voraussehbar war,dass 3 Jahre danach das Land größer werden sollte.
Nun ist es wieder soweit 24 Jahre nach dem letzten Makrozensus wird wieder gefragt. Nach dem Namen, dem Alter,dem Beruf usw. usf.
Der Widerstand in der Bevölkerung ist quasi nicht mehr vorhanden. Die Kämpen von einst, die sich so vehement gegen die Schnüffelpraxis des Staates in die Wohnungen der Bürger verwahrt haben, sind alt und müde geworden. Die kritischen Intellektuellen von damals sind längst pensioniert und nicht mehr bereit sich erneut zu positionieren.
Die Gesellschaft hat sich enorm gewandelt. Der Bürger mit einer kritischen Grundhaltung gegenüber dem Staat und seinen Organen ist dem apolitischen Egisten mit Laptop,i-phone und flat rate gewichen. Hier spielt Datenschutz nur eine unterordnete Rolle. Im Gegenteil: Die so genannte " facebook"-Generation gibt gerne intime Details zum eigenen Leben preis. Warum soll das World Wide Web nicht alles über Alle erfahren. Da auch die kritische Grundeinstellung gegenüber dem Staat fehlt, kann dieser doch selbstverständlich die notwendigen Daten erheben. Wir sind patriotisch eingegestimmt, wir sind dafür, dass für uns der Staat die Zukunft plant, selbst wenn unsere Vergangenheit längst ungewiss war.
Was in diesen Bevölkerungskreisen als eher lästige Nebenpflicht gesehen wird, kommt in den Medien in gleicher Weise als solche vor. Kaum skeptische Artikel, Berichte oder Reportagen über den Zensus.
Die Meinungsindustrie hält sich damit bewusst zurück,weil die teuren und lukrativen Ganzblattanzeigen aus den unterschiedlichen Ministerien mit ihren Lobhudelinhalten über die ach so tolle Ministerarbeit bzw. Regierungspolitik vielleicht wegfallen könnten.
Nur die TAZ. Die Tageszeitung mit Sitz in Berlin berichtet in gewohnt kritischer Manier über den Schnüffeleinsatz in dem sie in ihrer Ausgabe vom Montag, 9. Mai 2011 titelt:
" Der Widerspenstigen Zählung " und in einem Streitgespräch die Kontrahenten Juli Zeh ( Juristin,Schriftstellerin ) und Gerd G. Wagner (Verantwortlicher der Zensuskommission,Leiter des DIW in Berlin ) aufeinander los lässt. Was vor 28 Jahren die Kolleginnen Maja Stadler -Euler und Gisela Wild in Hamburg neben weiteren Klägern dem BVerfG vorlegten hatte eine Bahn brechende Wirkung. Nun möchte auch die Kollegin Zeh ihre Bedenken gegen den Makrozensus anbringen.
Inzwischen sind jedoch die technischen Informationssammlungsmöglichkeiten revolutionär weiter entwickelt worden. Der Staat kann - wenn er will - jederzeit und unkontrolliert auf unzählige Datenbanken zurük greifen. Er kann durch seine repressiven Organe Personen beschnüffeln, überwachen und nach deren Lebensinhalten und Abläufen sich Daten zukommen lassen.
Weshalb also noch den Census?
Was Papa Staat heimlich, still und leise täglich praktiziert, will er nun hoch offiziell und durch ein Gesetz legitimiert in einem noch größeren Umfang durch führen.
Da lag er nun, der Haushaltsfragebogen für Immobilieneigentümer, versandt durch die zuständige Stelle des Freistaates Sachsen, das Statistische Landesamt. Dessen Präsidentin in einem allgemein abgefassten Schreiben erklärende Worte zum Sinn und Zweck dieser Erhebung abgibt und gleichzeitig auffordert, den Fragebogen binnen 2 Wochen nach Erhalt in einem Freiumschlag zurückzusenden.
Ich bin Volkszählungsgegner seit 1983. Warum soll ich es 2011 nicht auch sein? Ich werde mir die Fragen genau durchlesen. Keine Angaben zur Konfession machen und eine gerichtliche Prüfung in Erwägung ziehen.
Wider der Schüffelei, wieder widerspenstig!
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