Stark wie Udo - stark allein - stark wie zwei?


                                                                                        (c)WIKIPEDIA zu:www.promiflash.de

Wenn heute ein bekannter Musiker seinen 65. feiert, ist diese in unserer medial durch gestylten Welt ein Großereignis. Die Nachrichtenmaschinerie läuft dann auf Hochtouren. Jede - und sei es eine noch so unwichtige - Information über den Jubilar wird aus dem Datenarchiv gezogen und den Rezipienten kredenzt.
Daran haben sich wohl viele längst gewöhnt. Das damit zusammen hängende Ritual, auf die Schaffenszeit des Künstlers nur in positiver Form hinzuweisen, gehört ebenso zu dem Klamauk, wie das Einspielen von Tonträgern oder das Abspielen von Filmkonserven.
Mit der Konsequenz,dass bereits am folgenden Tag garantiert 90 % über 90% der erhaltenen Informationen vergessen haben.

Wenn heute ein Musiker, Komponist und Entertainer ( letzter Begriff gilt hier nur einschränkend ) einen - nicht runden, aber dafür Sinn schwangeren - Geburtstag unter dem Oberbegriff "Panikrocker" begeht, dann klingeln bei mir in Bruchteilen von Sekunden sämtliche Alarmglocken. Was? Udo wird schon 65?
Ja, er ist heute so alt geworden!

Dabei sehe ich ihn noch vor mir, auf dem Cover seiner ersten LP aus dem Jahre 1971, die den Titel " Lindenberg" trägt und die zweite Scheibe mit dem Namen " Daumen im Wind " oder auch sein drittes Album, das berühmte " Alles klar, auf der Andrea Doria ". Mit glatter Gesichtshaut, langen Haaren und im ( zumindest für LP 1 und 2 zutreffend) biederen Outfit.

Ein jüngerer Bruder eines damaligen Bekannten brachte die Alben nach einer durch zechten Nacht am frühen Morgen mit und legte sie einfach auf meinen - wie ein Juwel gehüteten - Plattenhobel auf. Noch ordentlich angetüdelt beharkten wir uns wegen der Udo-Platten. Ich hatte - nach den vielen Titeln von Genesis Ten Years After und Rare Bird keinen Bock auf Deutschrock. Na,ja, Udo lindenberg, wer war das schon? Gehört für einen Freak, einen Hardrocker und Schlagerhasser eigentlich nicht gehört.
So baute sich ein - Alkohol bedingter - Disput auf, der damit endete, dass ich meine Anlage zusammen packte, meine LPs einsammelte und mit meinem roten R4 die Wohnung der Eltern des Freundes, die einst aus Pirna nach Stadthagen kamen, wutentbrannt verließ.

Später entschuldigte sich der Bekannte Wolfgang T. für die Streiterei mit dem jüngeren Bruder des gemeinsamen Freundes bei mir. Wir soffen eine halbe Kiste Einbecker Urbock und die ganze Chose war vergessen. Wer damals weniger Alkohol vertrug, der Kontrahent oder ich, kann ich heute nicht mehr sagen.

Die Jahre verflogen. Aus Udo war eine Deutschrock-Institution geworden. Jedes Jahr eine LP. eine Tournee und später ein Silberling. Die 70er waren längst vorbei, die 80er mit den von mir noch heute eher ungeliebten Schmus aus dem Punkrock - und NDW-Genre drohten auch konturlos zu Ende zu gehen, als die Mauer fiel. Udo gab seinen ungezählten Fans gleich nach der Grenzöffnung ein nicht offizielles Konzert, nachdem er sich bereits 1983 in die DDR begeben hatte. Der "Sonderzug nach Pankow", zu dem Erich, den heimlichen Rocker, dem er 4 Jahre später eine Lederjacke schenkte, und der Ärger drum herum mit den von der Stasi überwachten Auftritt, bei dem er nicht alles spielen und sagen durfte. Nein, Udo war nicht nur damals mehr als unbequem - er ist es heute noch!

http://de.wikipedia.org/wiki/Udo_Lindenberg

Langspielplatten von ihm und seinem Panikorchester habe ich nie selbst erworben; seine LPs wohl aber gespielt. Dafür aber seine CDs.
Je länger die Zeitspanne zwischen dem - eher unsinnigen - Streit um die musikalischen Qualitäten von Udo wurde, desto intensiver habe ich mich mit seinen Werken, seiner Musik und seinem Lebensstil beschäftigt.
Getreu dem Motto: " Gut Ding braucht Weile!" ist ein Großteil seiner Titel zu dem geworden, was ich als Standardrepertoire heute in den CD-Player lege.

Die weiteren Alben von Udo wurden schon längst bei NDR II gespielt. Udo gehört zu Hamburg, wie die Reeperbahn, der FC St. Pauli und der HSV oder der Hamburger Dom, der Hafen und der Fischmarkt. Udo ist zu einem hamburger Markenzeichen geworden.
Auch wenn er ja selbst kein gebürtiger Hanseat ist, sondern aus dem Städtchen Gronau an der niedersächsischen Grenze zu den Nachbarstaat Niederlande stammt.

Aus seiner Biographie geht hervor, dass er seine musikalischen Wurzeln im Jazz beheimatet findet. Er selbst war Schlagzeuger und zu Beginn seiner Musikerkarriere auch mit Jazz-Koryphäen wie Peter Herbolzheimer, Michael Naura oder Klaus Doldinger. Dass sich diese Musikrichtung eher avantgardistisch entwickelte, spielte für Udo keine Rolle. Musik ist grenzenlos. Die Basis hierfür liegt in dem Sichmitteilen durch eben Töne und Texte. Dabei ist es egal, wohin diese Musik zielt. Ob nun - wie in dem weiteren Schaffen der oben genannten drei Jazzer, hin zur Big-Band, dem Free-Stil mit Lyric ( Naura und der leider viel zu früh verstorbene Poet Peter Rühmkorff: "Und ich spiel'mit meinem Astralleib Klavier " ) oder Rock-Elektronik ( Klaus Doldinger mit Cluster ) - dürfte alsbald völlig unerheblich sein.

Für Udo war eine solide Basis geschaffen, auf der er sein weiteres künstlerisches Wirken aufbauen konnte. Wenn dabei Balladen (" Horizont, Du und ich oder Ich lieb' dich überhaupt nicht mehr" ) entstehen, gesellschaftskritische Stücke ( "Sonderzug nach Pankow, Sie brauchen keinen Führer , Bunte Republik Deutschland" ) oder aber leichte Nonsens-Stücke ( " Öh-Öh-Öh, Kosmos,Panikvirus") bei Udo schwingt immer ein Schuss " Nur keine Panik, wir schaffen das " -Optimismus mit.

Udo hat sicherlich seinen eigenen Lebensstil gefunden. Er hat bisher gelebt.
Und wie!
Bleibt zu hoffen, dass er uns nach seinem 65. auch weiterhin erhalten bleibt ( auch wenn ihn nicht alle mögen, dafür aber alle kennen ) und nicht etwa "Goodbye sailor" sagt:

Ein letztes Ahoi!
Ich muss fort
Die Andern
warten schon an Bord
Eine wirklich schöne Zeit mit dir
bleibt ganz tief in mir

Jetzt steh'n wir hier
schwer bemüht,
dass der andere keine Tränen sieht
Doch weisst du, was das Größte ist
Dass du wirklich mein bester Freund geworden bist.

Wenn der Wind mich jetzt auch weiter weht
auf das grosse Meer hinaus
Musst du wissen, dass es mit uns weitergeht
Sowas kriegst du nie wieder aus'm Herzen heraus
Wenn die Zeit auch hart wird und sehr schwer
Dann verlier'n wir nicht den Mut
Denn so'n Sailor bleibt nicht ewig auf dem Meer
Nein, nach der Ebbe kommt die nächste grosse Flut

...jetzt steh'n wir hier schwer bemüht,
dass der andere die grossen Tränen nicht sieht
Doch weisst du, was das Grösste ist,
Dass du echt mein bester Freund geworden bist

Goodbye Sailor
Goodbye Sailor
Sailor Goodbye

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

" Eine Seefahrt, die ist lustig. " - nur nicht in den 60er Jahren zum AOK - Erholungsheim auf Norderney.

" Oh Adele, oh Alele, ah teri tiki tomba, ah massa massa massa, oh balue balua balue. " und die Kotzfahrt nach Wangerooge.

Was ist eigentlich aus dem Gilb geworden?