Zäh wie Leder,schnell wie Windhunde,hart wie Krupp-Stahl!
Während gestern Abend bei SAT1 eine Vorführung des Überraschungshalbfinalisten in der Champions League 2010/2011, des FC Schalke 04 durch den englischen Tabellenersten Manchester United gezeigt wurde und der gut kommentierende Wolf Dieter Fuss die Unterschiede zwischen beiden Kontrahenten mit einem prägnanten Satz auf den Punkt brachte ( "ManU spielt selbst mit der B-Elf in einer anderen Liga!"),vollzog sich jenes,in Manchester nicht eingetretene Wunder, einige tausend Kilometer östlicher der englischen Großstadt,nämlich in der Slowakei bei der Weltmeisterschaft einer völlig andersartigen Sportart,dem Eishockey.
Die bundesdeutsche Vertretung siegte in allen 3 Vorrundenspielen. Zunächst gelang ihr die Sensation schlechthin, ein 2:0 gegen den einstigen Giganten in dieser Sportart, gegen Russland,danach folgte ein 4:3 gegen die Slowakei,was auch schon mehr als eine Überraschung war und last but not least brachte die Mannschaft aus der BRD ein 3:2 nach Penaltyschießen gegen Slowenien nach Hause. Die von dem Bundestrainer Uwe Krupp gecoachte BRD-Auswahl zeigte zeitweise erstklassiges Eishockey und beginnt die Zwischenrunde mit 8 Punkten.
Das war nicht immer so. Ich kann mich an die späten 60er und frühen 70er Jahre erinnern, als der Dauerweltmeister und permanente Olympiasieger in dieser Sportart UdSSR hieß. Sie konnte allenfalls nur durch die Tschechoslowakei oder Kanada in Bedrängnis gebracht werden. Und dass auch eher selten. Was waren das für emotionsgeladene Spiele gegen die Ende der 60er Jahre vom Warschauer Pakt okkupierte Tschechoslowakei. Als die beiden Welten, die Machtblöcke und Systeme sich auch im Sport unversöhnlich gegenüber standen.
Die Tschechoslowakei galt nach dem so genannten Prager Frühling und dessen gewaltsamer Niederschlagung durch die Truppen des Warschauer Pakts als Sympathieträger.
Die rivalisierenden Schlachtruf waren einst "Scheibu,Scheibu!" und -phoenetisch geschrieben "Dotoro,Dotoro!" auf Seitenden der UdSSR-Anhänger bzw. der CSSR-Fans.Was waren das für Schlachten damals! Hierbei ging es um mehr, als nur den reinen Sport.
Die Fernsehübertragungen der Spiele der Eishockey-WMs waren so etwas wie Auseinandersetzungen zwischen zwei befeindeten Nationen. Auch die Kommentatoren von damals konnten sich dieses Zeitgeistes nicht entziehen und stellten sich auf die Seite der CSSR. Überwiegend blieben jedoch die Berufsspieler aus der Sowjetunion dabei der Sieger. Und gerade deshalb waren eben fast alle Zuschauer auf der Seite deren Gegner.
Dennoch blieben die Kufenflitzer aus Moskau meistens Sieger und holten einen Titel nach dem Anderen.Ab 1963 bis zur Auflösung des Riesenreichs dominierte die Auswahl dieses Landes das internationale Geschehen nach Belieben.
http://de.wikipedia.org/wiki/Eishockey-Weltmeisterschaft
Auch Russland als dann eigenständiger Staat holte mit seiner Nationalmannschaft eine Vielzahl von Titeln. Allerdings war die Dominanz früherer Jahre verloren,denn bei den Turnieren konnten sich die Nationalmannschaften aus Kanada, der USA, aus Tschechien und Schweden nicht selten als Sieger durch setzen.
Dennoch war die sowjetische Eishockeyauswahl ab den frühen 60er Jahren das Mass aller Dinge in dieser Sportart. Zumal zunächst keine Eishockeyprofis spielberechtigt waren und die UdSSR ausnahmslos Armeesportler einsetzen konnte,die natürlich nichts anderes taten, als den ganzen Tag Eishockey zu spielen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Sowjetische_Eishockeynationalmannschaft
Ich kann mich an viele Übertragungen der Eishockey-WMs aus jenen Zeiten noch gut erinnern. Die bundesdeutsche Auswahl hatte in jener Zeit nur eine Statistenrolle und kämpfte ständig um den Erhalt der Speilberechtigung in der A-Klasse.
Bei vielen Turnieren setzte es denn auch deftige Niederlagen gegen die übermächtigen Gegner aus der UdSSR. Wenn die Mannschaft gnädig war, bleiben die Siege gegen die BRD im einstelligen zu Null-Bereich; oft gab es jedoch zweistellige Packungen.
An einen gnadenlos Abschlag, ein 12:0 einer bundesdeutschen Auswahl im Frühjahr 1972 kann ich mich noch sehr genau erinnern. Sammy Drechsel, ein Kommentator des BR berichtete in der ARD über dieses Freundschaftsspiel in München. Die UdSSR-Mannschaft zerlegte eben jene deutsche Auswahl nach allen Regeln der Kunst, brauchte sich nicht einmal groß anstregen und servierte in den drei Dritteln den völlig überforderten BRD-Eishockeyspielern jeweils 4 Tore. Eine Demütigung zwar,aber auch der gute Plauderheini Sammy musste neidlos anerkennen,dass dieses Eishockey vom anderen Stern war.
So oder so ähnlich verliefen bislang fast alle Aufeinandertreffen.
01. März 1954, Stockholm: UdSSR – BR Deutschland 6:2 (1:0,1:1,4:1)
03. März 1955, Düsseldorf: BR Deutschland – UdSSR 1:5 (1:0,0:2,0:3)
31. Jan. 1956, Cortina d’Am.: UdSSR – Deutschland 8:0 (0:0,7:0,1:0)
19. Feb. 1960, Squaw Valley: UdSSR – Deutschland 8:0 (3:0,3:0,2:0)
25. Feb. 1960, Squaw Valley: UdSSR – Deutschland 7:1 (0:1,4:0,3:0)
11. März 1961, Lausanne: UdSSR – BR Deutschland 11:1 (2:0,4:1,5:0)
10. März 1963, Stockholm: UdSSR – BR Deutschland 15:3 (5:2,4:0,6:1)
05. Feb. 1964, Innsbruck: UdSSR – Deutschland 10:0 (2:0,5:0,3:0)
23. März 1967, Wien: UdSSR – BR Deutschland 16:1 (3:1,7:0,6:0)
11. Feb. 1968, Grenoble: UdSSR – BR Deutschland 9:1 (4:1,4:0,1:0)
19. März 1971, Bern: UdSSR – BR Deutschland 11:2 (2:2,3:0,6:0)
27. März 1971, Genf: UdSSR – BR Deutschland 12:2 (1:1,7:0,4:1)
07. April 1972, Prag: UdSSR – BR Deutschland 11:0 (3:0,3:0,5:0)
15. April 1972, Prag: UdSSR – BR Deutschland 7:0 (4:0,1:0,2:0)
31. März 1973, Moskau: UdSSR – BR Deutschland 17:1 (6:1,4:0,7:0)
08. April 1973, Moskau: UdSSR – BR Deutschland 18:2 (9:1,2:0,7:1)
15. April 1976, Kattowitz: UdSSR – BR Deutschland 8:2 (3:1,3:1,2:0)
21. April 1977, Wien: UdSSR – BR Deutschland 10:0 (5:0,3:0,2:0)
27. April 1978, Prag: UdSSR – BR Deutschland 7:4 (4:2,0:0,3:2)
15. April 1979, Moskau: UdSSR – BR Deutschland 3:2 (2:0,1:2,0:0)
22. April 1982, Tampere: UdSSR- BR Deutschland 7:0 (3:0,2:0,2:0)
20. April 1983, Dortmund: BR Deutschland – UdSSR 0:6 (0:2,0:2,0:2)
21. April 1985, Prag: UdSSR – BR Deutschland 10:2 (7:0,2:1,1:1)
16. April 1986, Moskau: UdSSR- BR Deutschland 4:1 (1:0,1:0,2:1)
18. April 1987, Wien: UdSSR- BR Deutschland 7:0 (0:0,3:0,4:0)
16. April 1989, Stockholm: UdSSR- BR Deutschland 5:1 (1:0,2:0,2:1)
17. April 1990, Bern: UdSSR – BR Deutschland 5:2 (2:1,2:1,1:0)
20. April 1991, Turku: UdSSR – Deutschland 7:3 (1:0,2:1,4:2)
27. April 1993, München: Deutschland – Russland 1:5 (0:1, 0:1, 1:3)
30. April 1994, Bozen: Russland – Deutschland 6:0 (3:0,3:0,0:0)
28. April 1995, Gävle: Russland – Deutschland 6:3 (0:1,5:1,1:1)
21. April 1996, Wien: Russland – Deutschland 2:1 (1:0,1:1,0:0)
28. April 1997, Helsinki: Russland – Deutschland 5:1 (0:0,2:1,3:0)
08. Mai 2001, Hannover: Deutschland – Russland 1:3 (0:0,1:1,0:2)
24. April 2009, Bern: Deutschland – Russland 0:5 (0:3, 0:0, 0:2)
15. Mai 2010, Köln: Russland – Deutschland 3:2 (1:0, 1:1, 1:1)
22. Mai 2010, Köln: Russland – Deutschland 2:1 (0:1, 1:0, 1:0)
Der Frust der BRD-Fachkommentatoren bei diesen Ergebnissen sitzt natürlich sehr tief. Da mag es wenig verwundern, dass anlässlich der WM im Jahre 2001 in Deutschland der WDR-Kommentator bei der Begegnung Schweden gegen Russland in Köln, die an jenem 12.Mai 2001 4:3 n.V. ausging, völlig ausflippte. Eddie Körper vom WDR brüllte in sein Mikrophon von einer Sensation und schrie damit auch die ganze Wut heraus,dass es statt der Deutschen nun die Schweden geschafft hätten, den Giganten Russland in die Knie zu zwingen.
Ich kann nur mutmaßen, wie es ihm 10 Jahre danach ergangen wäre, hätte er jenes sensationelle 2:0 der bundesdeutschen Auswahl gegen Russland kommentieren können. Ich vermute, der gute Eddie ( auch wenn er einst meinen SVW ständig mit dämlichen Bemerkungen abqualifiziert hat ) wäre dem Herzinfarkt nahe gewesen. Vielleicht hätte auch das Mikro bei seinen Brüllattacken den Dienst quittiert.
Nun, der Eddie Körper hat sicherlich diesen Sieg auch so genossen, weil er ihn für die ungezählten Pleiten der BRD-Eishockeycracks zuvor entschädigt haben müsste.
Tja, und während die Mannschaft des Bundestrainers Uwe Krupp nun nach höheren Weihen greifen darf, stellt sich für mich die Frage, warum ausgerechnet 57 Jahre benötigt wurden, um in einem Turnierspiel der BRD-Auswahl gegen die Russen endlich ein Sieg zustande kam? Die Antwort hierauf könnte vielleicht ganz simpel sein: Die Spieler waren eben nicht gut genug. Sie waren eben nicht so, wie die Mörderbande der einstigen Deutschen Wehrmacht ihre Soldaten gerne gesehen hätte ( Zäh wie Leder, schnell wie Windhunde und hart wie Krupp-Stahl!). Dieser Spruch, den ich dann 1972/1973 mindestens zwei Mal von Offizieren zu hören bekam ( dem einstigen Chef der Ausbildungskompanie 408 in Munster/Lager, einem Hauptmann Hotop und dem Kompaniechef der Stammkompanie II einem Major Müller ) ist mir jetzt wieder eingefallen, als ich den Post gedanklich vorbereitet habe; wobei die beiden großkotzigen Offiziere bestimmt nicht den draufgängerischen Mut der Eishockey-Cracks um Uwe Krupp gezeigt hätten, wenn sie gegen die Russen hätten kämpfen müssen.
Kommentare