Von Dreien, die auszogen, der Wirtschaft das Fürchten zu lernen.

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Ein Gespräch beim sehr frühen Frühstück am Küchentisch, bei Kaffee, Knäckebrot und selbst gemachter Marmelade ließ mich bereits gegen 6.30 Uhr an vergangene Zeiten erinnern. So manches Erlebnis in den mehr als 50 Lenzen scheint da - obwohl wir in zwei verschiedenen Staaten aufgewachsen sind - doch irgendwie ähnlich zu sein. Vielleicht mag es auch daran liegen, dass sich die Gesamtdeutschen eigentlich nie so fremd waren, wie es die Herrschenden gerne haben wollten.
Nach der viel um jubelten Wiedervereinigung, den sehr schnell verflogenen euphorischen Jahren, kam für das de jure zusammen gefügte Deutschland der graue Alltag wieder.

Darin ist so mancher Bundesbürger im Dschungel der diversen Fallen, Lebenslügen oder Utopien dann verloren gegangen. Für einige der Wendegewinnler indes war diese ein Segen, für viele andere Abgewickelte ein Fluch und ein dritter Anteil hat hiernach eine wahre Berg - und Talfahrt vollzogen.

So auch eine Dame aus einem Kaff zwischen Dresden und Freiberg. Sie wurde zwar noch vor der Wende geboren, hat aber von der einstigen DDR-Sozialisation nur wenig aufoktroyiert bekommen. Da macht es natürlich schon ein wenig her, wenn sie sich zu Höherem berufen fühlt. Nach der Realschule absolvierte die Dörflerin eine Ausbildung zur Zahnarzthelferin und erhielt die Chance in dem Ausbildungsberuf auch weiterhin bei ihrer vorherigen Stelle verbleiben zu dürfen. Die Jahre nach dem Millennium waren nicht gerade einfach. Jobs gab es nur im Goldenen Westen, in den Alten Bundesländern und hier überwiegend nur im Süden.

Schnell erkannte jedoch die gelernte Zahnarzthelferin, dass sie Führungsqualitäten besitzt, die eigentlich für einen anderen Beruf einsetzbar sein könnten. Nach dem großspurigen Auftreten und einem vorlauten Mundwerk zu urteilen, wäre die junge Dame für einen Geschäftsführerposten bestens geeignet.
Gesagt, getan!
Nach einiger Zeit begann nun die verkappte Führungskraft sich selbständig zu machen. Sie hatte da eine Geschäftsidee und wollte diese in klingende münze umsetzen. So hangelt sich jene Geschäftsfrau in spe zunächst mit kleinen Aufträgen eine längere Zeit lang durch das Berufsleben. Dann merkte sie, dass ihre Idee tatsächlich Geld einbrachte und beschloss nun zu expandieren.

Eine örtliche Bank war flugs gefunden, ein Businessplan rasch erstellt und der Glaube an das Große Geld war ungebrochen. So konnte sie alsbald sogar Mitarbeiter einstellen und diese für sich arbeiten lassen. Auch ein Diplom-Betriebswirt wurde angestellt, der ihre Geschäfte führte, denn sie hatte - außer mit dem losen Mundwerk - hiervon keine Ahnung. Es dauerte jedoch nicht lange, da gingen die Geschäfte wieder schlechter. Keine Verkaufsaufträge, keine Umsätze, kein Geld.
Die Mitarbeiter konnten nur noch sporadisch bezahlt werden. Die Insolvenz drohte.

Der eigene Lebensstil indes blieb unverändert. Dann klopfte der Gerichtsvollzieher an die Tür. Er wurde eine Dauergast. So lange, bis die Pleite nicht mehr abzuwenden war. Der Insolvenzverwalter kam, sah und fand einen Investor.Vorläufig lief der Betrieb weiter. Die Dame indes verblieb - ebenso vorläufig - auf ihrem Platz im Betrieb, der nun nicht mehr der Ihrige ist. Die über große Klappe ging wieder auf. Die Ahnungslose konnte wieder kommandieren. Vorläufig.

Und die Moral von der Geschicht'? Eine große Klappe hilft bei Dummheit nicht!

Es ist schon fast 10 Jahre her, da kreuzten sich meine beruflichen Wege mit jenen Zeitgenossen, deren saftig grüne Wiesen vor der Haustür liegen, deren urige Lebensphilosophien manchmal etwas skurril anmuten und deren Glaube an die eigene Schaffenskraft auch bei Niederschlägen ungebrochen scheint. Mein Arbeitsfeld durfte ich - der pure Zufall wollte es so - ins Ostfriesische verlegen.Dort, wo die Kühe mehrheitlich gescheckt, sie zudem schöner als die Frauen sein sollen und die Männer - nachdem gleichnamigen  Klamaukfilm mit Mike Krüger, Thomas Gottschalk und anderen Geistesgrößen - lange Nasen haben sollen, zog es mich Ende der 90er regelmäßig hin. Es gab - rechtlich betrachtet - viel zu tun, also nahm ich mich der Sachen an.

Eine aus Bremen stammend, einst dort für ihre nicht gesetzestreuen Brüder ständig eintretende Frau, hatte zusammen mit ihrem damaligen Lebensgefährten einen Gasthof mit Hotelanlage gepachtet und steckte aktuell in Schwierigkeiten. Nicht, dass sie von der Materie keine Ahnung hatte,nein, sie war ebenso wie die oben besagte Dame, keine Kauffrau. Dafür hatte sie allerdings einen Kollegen und einen vermeintlichen Steuerberater engagiert. Letztere nannte sich zwar so, hatte jedoch keine entsprechenden Berufsabschlüsse, so dass er einige Jahre später dafür vor den Kadi gezerrt wurde, zumal er auch noch Mandantengelder veruntreut haben sollte. Nun, das kommt eben in den besten Familien vor.
Also, von jenen beiden Herren erfuhr ich nun, dass die gute Dame in finanziellen Schwieirgkeiten steckte. Von den einstigen Fördergelder, die sie nun nach Tilgungsplan zurück zahlen musste, hatte sie zudem einige Sümmchen - schlicht gesagt - Zweck entfremdet. Auch dieses kommt in den meisten Bauherrnfamilien vor.

Und auch der vormalige Umbau des älteren Gemäuer war nicht so geraten, dass es ein Garant für spätere, sichere Einnahmen werden könnte. Ein Tohuwabohu also, was mich dort erwartete. So schleppte ich Akten für Akten in zwei schwarzen Pilotenkoffern von Bremen nach Ostfriesland und karrte diese am späten Abend wieder zurück. Immerhin gab es einige interessante Rechtsfälle zu bearbeiten, deren Inhalt ich - selbst wenn die berufliche Schweigepflicht längst nicht mehr greift - nicht weiter ausbreiten werde.
Die Monate verflogen und der Aktenstapel wurde immer größer. Spätestens nach den ersten Rechnungen kühlte das ansonsten freundliche Verhältnis zu der Nicht-Geschäftsfrau merklich ab. Arbeit muss auch hier bezahlt werden. So übergab ich etwa 1,5 Jahre später die Akten einer Kollegin vor Ort, nachdem diese meine letzte Gebührenrechnung in bar ausglich. Wo her das Geld stammte mag dahin gestellt bleiben. Die Schiene zumindest hatten einen Geruch nach ranzigem Fett, nach Kneipe auch.

Viele Jahre später entdeckte ich im Internet eine eigene Homepage dieser Dame und ihres Gastronomiebetriebs wieder. Adrett aufgemacht, mit klaren Aussagen zum Leistungsangebot und voll des Lobes über die sehr feundlichen Mitarbeiter, lesen sich ihre Seiten. Aja, dachte ich, also hat sie es doch geschafft. Die Kurve rechtszeitig vor der drohenden Insolvenz genommen und mit einem neuen Geschäftskonzept, einem finanziell gut situierten Partner und der Erkenntnis, dass frau/man auch in diesem knüppelharten Verdrängungswettbewerb nicht jeden Bleistiftstrich selbst ziehen sollte, hat die Dame es bewirkt, dass ihr wieder Boden unter den Füßen gelegt wurde.
Das nenne ich Kämpferin.

Eine solche war die einstige gute Bekannte, die sich als Dauergast an der Theke entpuppte, eben nicht. Sie führte zu jener Zeit ein Kleinfuhrunternehmen.In der selben Kleinstadt im Ostfriesischen. Längst waren ihr die Zügel für die Betriebsführung von ihrem kaufmännischen Mitarbeiter aus der Hand genommen worden. Jene Unternehmerin verstand vom Unternehmen soviel, wie die ostfriesische Kuh vom Bergsteigen.Die Geschäfte liefen zwar immer noch, aber der eigene Lebenszuschnitt inklusive Getränkekonsum drohte der Dame den Hals abzudrehen. Zudem kamen permanente Querelen mit ihren einstigen Lebensabschnittsgefährten, der selbst einen Mini-Betrieb im Baugewerbe unterhielt. Zwei Unternehmer, die als unternehmen dann den ständigen Kneipenbesuch verstanden haben wollten, trafen sich, um sich und den Partner zu zerstören.
Die wilden Akteninhalte werde ich auch in diesen Fällen nicht wiedergeben.Was in ihnen an menschlichem Fehlverhalten und zwischenmenschlichen Unzulänglichkeiten auf bedrucktem Papier chronologisch abgeheftet war, würde auch hier ein ganzen Buch füllen.

Diese Dame ging irgendwann in die Insolvenz, das gebaute Einfamilienhaus wurde zwangsversteigert,die Beziehung brach schon vorher auseinander. So wurde die Dame ein Fall für die Ämter.
Fazit: Nicht Jeder ist zum Unternehmer geboren, auch wenn er es gerne so sehen möchte. Und nicht jeder Esel gibt Goldstücke ab, wenn er am Schweif gepackt wird. Weshalb leider nur zu oft ein Trümmerfeld des eigenen Lebens zurück bleibt. 
 

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