" Westwind " am Balla, Balla, Balaton!
Die Zahl derjenigen Kunstschaffenden, die einen gelungenen Versuch gestartet haben, um jene, einst sehr unterschiedlichen deutschen Befindlichkeiten im Umgang miteinander, dem neutralen Betrachter näher zu bringen, ist eher überschaubar. So gibt es hier kläglich gescheiterte Freischaffende, deren lobenswertes Engagement, bestimmte gesellschaftliche Besonderheiten des jeweils anderen Staates aufzuzeigen, dann in einem Fiasko endete. Ob nun die Autorin aus dem Westen mit dem Namen Martina Rellin, die als geborene Hamburgerin, eisern an der Hypothese herum doktort, wonach so genannte " Ost - Frauen " sich in vielen Lebensbereichen signifikant von ihren Leidensgenossinnen aus dem Westen unterschieden bzw. es immer noch tun, und dieses durch systematisch heraus gesuchte Ostfrauenbiografien zu belegen versucht. Ob nun der dümmliche autobiografische Fernsehfilm " Die Frau vom Checkpoint Charlie " mit der Hauptrollen - Fehlbesetzung Veronica Ferres, der einstige Wirtschaftsflüchtlinge zu heroische DDR - Oppositionelle hoch stilisiert und die Tatsache verschweigt, dass jeder Eingesperrte östlich von Mauer , Minenfeld und Stacheldraht sehr wohl wusste, auf was er sich bei einer " Republikflucht ", einem "Ausreiseantrag " oder beim " Absetzen " während eines Aufenthalts im kapitalistischen Ausland einlässt. Oder ob das peinliche Gequatsche des Pro7 - Show - Imperators Stefan Raab, der die Rockgruppe " Silly " danach befragte, welches ihr bekanntester Titel sei und auf deren Antwort " Bataillon d´Amoure ", den blödsinnigen Kommentar " Was? So was durfte man dort spielen " abließ.
Alle diese Beispiele zeigen, dass sowohl die eine Seite von der anderen und die andere Seite von der Einen zwar inzwischen einiges mehr wissen, aber eben noch nicht genug. Denn würde mehr als 23 Jahre nach der Wende die sich gebotene Chance, die gegebene Chance der gemeinsamen Vergangenheitsaufarbeitung konsequent genutzt worden sein, es könnten viele - immer noch - vorherrschende Vorurteile ausgeräumt werden.
Das die nach 1989 Geborenen oder auch die zwischen 1985 bis 1989 auf die Welt gekommenen Bundesdeutschen oder dann einstige DDR - Bürger mit der Deutschen Teilung nicht sehr viel anfangen können, liegt aber nicht nur daran, dass jene Mehrheit der Westdeutschen, der Minorität der Ostdeutschen ihr Wirtschafts - und Gesellschaftssystem einfach aufoktroyiert hat, sondern wohl eher daran, dass das Interesse an geschichtlichen Ereignissen und Entwicklungen bei jungen Leuten nicht sehr ausgeprägt ist.
Was einst, nämlich während meiner Studienzeit, in ellenlangen Diskussionen ausartete, wenn ein Dogmatiker des MSB - Spartakus uns nun partout weismachen wollte, dass die Versorgungsengpässe, die langen Käuferschlangen vor den DDR - Geschäften und sonstigen Auswirkungen der Mangelwirtschaft lediglich ein logistisches, also ein Verteilungsproblem seien, so wusste jeder Kommilitone doch, dass jene Erklärungsversuch mit der Lebenswirklichkeit in den Staaten des real existierenden Sozialismus kaum etwas gemein haben konnte.
Auch sonst waren die Kommilitoninnen und Kommilitonen wegen ihrer biederen, drögen und oft überangepassten Art nicht gerade beliebt. Ja, sie wurden häufig sogar zum Gespött in vielen Vorlesungen, wenn sie einige Wochen vor der AStA - Wahl in Vorlesungen auftauchen, sich mit gedrechseltem Polit - Kauderwelch in die Diskussionen einbrachten und sich dabei nur allzu oft selbst widersprachen.
Einst taten sich die Geschwister B. aus Bremen dabei besonders hervor. Marion B.studierte an der damaligen HfW Bremen Betriebswirtschaftslehre und versuchte sich damit schon mehrere Jahre. Unabhängig davon, dass vielen meiner Mitstreitern nicht so richtig klar war, wie sie ihre " Scheine " erhalten hat und in welcher Form sie sich finanziell über Wasser heilt, weil sie mehr in den hochschulpolitischen Veranstaltungen aufzufinden war, als in den Vorlesungen, wurde über sie gemunkelt, dass sie einst an den X. Weltjugendfestspielen in Ost - Berlin teilgenommen habe, was damals dem Kommilitonen Ulrich H. aus dem niedersächsischen Visbek die Feststellung entlockte: " Ja, klar, da hat sie sozialistisch gef...!" und uns zu schallendem Gelächter veranlasste.
Nun, die Spannungen zwischen den Befürworter des realen DDR - Lebens und jenen, hierzu mehr als skeptischen übrigen Linken waren kaum zu übersehen. In vielen Veranstaltungen rund um die Universität gingen sich eben jene Sekten ähnlichen Politgruppen heftig an.
Ein west -östlicher Hauch war aber auch dann besonders zu spüren, wenn es - gewollt, meistens aber eher ungewollt - zu Begegnungen zwischen den Bürgern beider deutschen Staaten kam.Ob nun am " Goldstrand " von Bulgarien, in der " Goldenen Stadt " Prag, der einstigen Hauptstadt der CSSR oder in der polnischen Hauptstadt Warschau konnte es durchaus zu gesamtdeutschen Begegnungen kommen. Da auch andere sozialistische Bruderländer ihre Grenzen für die West - Touristen bzw. Urlauber wegen der bekannten Devisenknappheit sukzessive öffneten, konnte der reisewütige BRDler ab 1972 über die die DDR - Reiseagentur " g-u-t " Pauschalreisen durch das Nachbarland buchen.
So normalisierte sich sehr langsam ein viele Jahre zuvor belastetes innerdeutschen Verhältnis. Gleichwohl war die den Westdeutschen in die Wiege gelegte Reisefreiheit, die dann auch das sozialistische Ausland mit einschloss, den DDR - Machthabern nicht ganz geheuer, denn es konnte zu jeder Zeit eben dort zu unerwünschten Westkontakten der DDR - Bürger kommen.
In diesem Umfeld spielt der am Freitag, den 5. April 2013 auf Arte gezeigte Fernsehfilm " Westwind ".
Die Geschichte ist nicht unbedingt spektakulär. Sollte sie auch wohl gar nicht sein, denn es geht um die feinsinnigen Momente in den Handlungssträngen. Es geht um das Darstellen jener krampfhaften Versuche der DDR - Oberen, in den letzten 15 Monaten vor dem Zusammenbruch, noch zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Es geht aber auch um mindestens vier junge Menschen, deren Leben erst vor dem Anfang stehen, deren Vergangenheit jedoch unterschiedlicher nicht sein könnte und deren Zukunft völlig ungewiss ist.
Der Film zeigt zwei junge ( 17 Jahre alte ) DDR - Bürgerinnen aus einem Ort irgendwo in Sachsen. Das Besondere an diesen beiden Frauen liegt darin, dass sie eineiige Zwillinge sind und zudem im Rudersport gerade Bezirksmeister in ihrer Bootsklasse ( 2er ohne ) geworden sind. Zur Belohnung dürfen Isa(bel) und Doreen nun ihre Trainingseinheiten am Balaton in Ungarn in einem Pionierlager absolvieren. Während eines Busaufenthalts in Ungarn möchte Doreen die Gelegenheit nutzen, um an einem Verkaufsstand sich nach Schallplatten umzusehen ( die LP stand auf kurz vor ihrem Abgesang ). Isa lässt sich von ihrer Zwillingsschwester dazu überreden und verpasst mit dieser dann prompt den Bus. Beide treten den Fußweg zum Pionierlager an und werden unterwegs von zwei Jungmännern aus Hamburg ( Arne und Nico ) in ihrem orangen VW Käfer mitgenommen.
Es entwickelt sich dabei ein Gespräch, dass symptomatisch für die völlig unpolitische Zwillingsschwestern und ihre ebenso gearteten, weil nämlich der Hamburger Yuppie - Szene zu zuordneten Chauffeure.
Die wenigen Belanglosigkeiten in dem Gespräch führen dennoch dazu, dass die beiden Westdeutschen plötzlich in dem Pionierlager auftauchen und sich dort in einem Volleyballspiel versuchen. Zum Leidwesen der dortigen Gruppenpionierleiter, die sich ebenfalls um die beiden jungen Sportlerinnen bemühen. Neben diesen - Testosteron gesteuerten - Erlebnissen, folgt dann eine klare Ansage durch den Trainer Balisch, denn der müsste eigentlich Meldung machen, weil die beiden jungen Damen eben Westkontakt hatten. Macht er aber nicht. Stattdessen vergattert er die beiden Ruderinnen dazu, das von einem verrotteten Maschendrahtzaun umgebene Pionierlager nicht mehr zu verlassen und sich ausschließlich auf das von ihm vorgegebene Trainingssoll von 20 Kilometern Strecke täglich zu konzentrieren.
Es dürfte wohl der grenzenlosen Naivität, dem jugendlichen Leichtsinn oder einer Mischung aus Beidem geschuldet sein, dass sich die Zwillingsschwester über das Balisch´ Verbot einfach hinweg setzen und sich weiter mit den beiden Hamburger Jungs treffen. Die völlig unpolitischen Protagonisten scheren sich nicht um jene drohenden Nachteile, die damit den beiden DDR - Sportlerinnen drohen. Sie treffen sich weiterhin heimlich, besuchen eine Diskothek und ein Restaurant, woraus zu erkennen ist, dass hier den DDR - Bürgerinnen eine völlig andere, jenseits des Lageralltags existierende Welt eröffnet wird. Und so kommt es denn auch, wie es in dem von Robert Thalheim, der auf einem authentischen Fall basiert, kommen muss: die Teenager aus der DDR und die Abiturienten aus der BRD beginnen sich füreinander zu interessieren. Doch, während Nico mit Isa mehr als Alibi herum knutscht, ist zwischen Arne und Doreen eine echte Liebe entstanden. So nimmt denn Doreen das Angebot ihres Nico an, mit ihm nach Hamburg zurück zu reisen, während ihre Schwester Isa sich zum Bleiben entschließt ( wenn auch sehr schweren Herzens ).
Die gemeinsamen Treffs sind indes im Pionierlager nicht unentdeckt geblieben. Trainer Balisch fordert die Zwillinge unmißverständlich zur Abreise auf und muss nun doch Meldung über die bestehenden Kontakte zu dem so genannten Klassenfeind machen. Das Trio fährt mit dem knallig - orange farbenen VW - Käfer in Richtung Grenze und darf diese unbehelligt passieren, weil Trainer Balisch - wahrheitswidrig - die Flucht in einem Opel Kadett meldet und die beiden Pionierleiter dieses durch ein unvollständiges Autokennzeichen noch komplettieren.
Dass die ost - west Romanze dann nach einigen Jahren in Hamburg auseinander geht, bleibt nur eine filmische Randnotiz.
Unter der glänzenden Regie von Robert Thalheim bringen die jungen Schauspielerinnen und Schauspieler:
Friederike Becht(Doreen)Luise Heyer(Isabel)Franz Dinda(Arne)Volker Bruch(Nico)Hans Uwe Bauer(Balisch)Hannes Wegener(Klaus)Albert Schuch(Ronny) |
völlig von sonstigen Klischees, Vorgaben und sonstigen Zwängen jenes 80er Jahre - Lebensgefühl stückweise zurück, dass dann mit der Wende und den Folgejahren schnell verdrängt wurde. Der Film " Westwind " gibt denn auch jene These in durchaus beeindruckender Weise wieder, wonach Musik und Modetrends die Generationen miteinander verbinden können, selbst wenn dieses durch ein großes Gefängnis ( " Living in the Box " - die damalige inoffizielle Nationalhymne der DDR ) verhindert werden soll:
" Das neue Album von Depeche Mode wird in den Recorder geschoben, die DDR-Schwestern überraschen mit ihrer Kennerschaft der New-Wave-Bands: "Kennen wir alles:Depeche Mode, The Cure, Pet Shop Boys, aber ehrlich gesagt, kriegen wir das nur bei Westwind im Radio zu hören."
- Zitatende - aus:
http://www.sueddeutsche.de/kultur/im-kino-westwind-republikflucht-im-kaefer-1.1135017
Der Kinofilm läuft als Wiederholung bei " arte " am Mittwoch, 10. 04. 2013, ab 13.55 Uhr noch einmal.
http://www.arte.tv/guide/de/040799-000/westwind
Na, ja, aber nach der " SPIEGEL " - Rezension zum Kinostart vor gut 1 1/ Jahren, reichte mir das eine Mal ( wenn auch nicht vollständig ) aus:
http://www.spiegel.de/kultur/kino/ddr-romanze-westwind-ananas-im-haar-a-782159.html
Mehr New - Wave aus den 80ern macht nur " Balla, Balla "!
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