Arbeit geh´weg, ich komme!


Immer wieder freitags - der Tag zum Saubermachen. Da ritt mich doch wieder der Teufel und ich hatte Eimer, Feudel sowie Staubsauger parat gestellt. Ab dem frühen Nachmittag wollte ich dem anstehenden Frühjahrsputz schon mal Vorschub leisten. So begann ich mich durch die partielle Baustelle mit Namen Küche beginnend, über den Flur bis zum Bad vorzuarbeiten.So ganz nebenbei ließ ich - wie üblich - aufheiternde Musik aus der Stereo - Anlage in die Tiefe der Räume abspielen. Nein, der freitägliche Hausputz ist nicht unbedingt ein Glanzlicht der Woche. Er stellt eher ein notwendiges Übel dar. Aber: " Wat mutt, dat mutt!"

Eher zufällig schaute ich nach dem Einlegen einer CD in Richtung des Nachbarhauses. Dort waren seit Montag die fleißigen Handwerker zu sehen. In der rundum einsehbaren Veranda erkannte ich einen Malertrupp. Nichts außergewöhnliches eigentlich. Schließlich gibt es von dieser Handwerkersorte genug.
Einst, also noch weit vor der Wende, also der Umwandlung der sozialistischen Gesellschaft in eine, durch die kapitalistische Wirtschaftsordnung geprägte, war der Handwerker überall der unbestrittene König. Nicht, weil er so fleißig war und die Vorzüge des Sozialismus lobpries  Auch nicht, weil er für den sozialistischen Fortschritt sich durch seine Arbeit unentbehrlich machte. Nein, der Handwerker war der Dreh - und Angelpunkt des auf Beziehungen und Warenaustausch geprägten Wirtschaftsgefüges des anderen deutschen Staates. Weshalb es dem Handwerker im Sozialismus, exakter: im real existierenden Sozialismus, glänzend ging.

Im kapitalistischen Westen war dieses in den ersten Dekaden nach der Staatsgründung nicht viel anders. Wobei der Handwerker sich nicht dadurch unentbehrlich machte, dass er gleichzeitig das zur Durchführung seiner Tätigkeit erforderliche Material beschaffen konnte, sondern der Handwerker wurde wegen seiner nur geringen Anzahl und des damit verbundenen proppevollen Auftragsbuchs nahezu zur Rarität. Denn, wenn er kam, hatte er nur wenig Zeit, die zudem extrem teuer wurde, wenn er den Auftrag erledigt hatte und er wieder ging.

Da standen sie nun, drei in weißen Arbeitsanzügen gekleidete Personen. Zwei Männer und eine Frau. Letzteres ist nicht mehr so ungewöhnlich. Immerhin ist im Malerberuf die Frauenquote auch ohne die CDU, die Ministerinnen von der Leyen und Schröder stetig gestiegen. Die gesamte Woche über konnte ich in unregelmäßigen Abständen ihr Wirken und Werken beobachten. Na, ja, ein Vergleich zwischen dem ICE 3 und der ersten Zugverbindung Nürnberg - Fürth wäre noch übertrieben, wenn ich die Grundschnelligkeit ihrer Arbeiten bewerten müsste. So standen sie immer noch, als ich den 10 l - Plasteeimer samt Schmutzwasser in den Garten schleppte, um dieses dort auszugießen.Und sie standen zu dritt - an zwei Tagen hatte ich sogar vier Personen in der Veranda gesehen - immer noch in der Mitte des Raumes, als ich sechs Zimmer, Flur und Treppenhaus gefeudelt hatte. Nachdem ich Bad, Toilette und Vorflur gesäubert hatte und, nachdem ich sämtliche Teppiche abgesaugt hatte.
Sie standen und erzählten sich was, so, wie die drei Chinesen mit dem Kontrabass auf der Straße. Das undynamische Trio stand auch immer noch dort, als ich die B- Seite der LP " Flowers of Evil " von der Rockgruppe " Mountain " in der epischen Länge von fast 30 Minuten zum zweiten Mal abgespielt hatte, dabei die getrocknete Wäsche komplett abgenommen und eine neue Waschmaschinentrommel geleert und wieder aufgehangen hatte.

Mensch, die müssten doch irgendwann mal aufhören zu erzählen! Und tatsächlich begann das Trio dann doch zu arbeiten. Es schwang die Pinsel auf einem Türblatt hin und her. Und dabei strich sich doch wirklich einer der Maler mit dem Ärmel des Arbeitsanzugs über die Stirn. " Schwitzt der etwa? ", dachte ich noch. Da legte der doch schon wieder das Arbeitsgerät zur Seite. Pause! Handwerk hat wohl immer noch goldenen Boden. Oder, wie es der Liedermacher Reinhard Mey zutreffend besingt:


Ich bin Klempner von Beruf,
Ein dreifach Hoch dem der dies gold'ne Handwerk schuf!
Denn auch in den größten Nöten
Gibt es immer was zu löten
Immer wieder gibt es Pannen
An WCs und Badewannen,
Ich bin Klempner von Beruf.

Neulich hab' ich einen Boiler installiert,
Der hat gut und gern' zwei Tage funktioniert.
Dann war er drei Tage alt und das heiße Wasser kalt.
Na da hab' ich gar nicht lange repariert,
Sondern sofort einen neuen installiert.

Und da fragt mich doch der Kunde noch nachher,
Ob denn reparier'n nicht doch preiswerter wär'?
Da antwort' ich blitzeschnell: "Ihr uraltes Modell
Stellt die Firma heut' schon gar nicht mehr her,
Und Ersatzteile gibt's längst nicht mehr."

Ich bin Klempner von Beruf,
Ein dreifach Hoch dem der dies gold'ne Handwerk schuf!
Selbst in schweren Wirtschaftskrisen
Find' ich Rohre hinter Fliesen,
Ist ein Unglück anzurichten
Und ein Abfluß abzudichten,
Ich bin Klempner von Beruf.

Gestern mittag hat ein Kunde angeklopft,
Bei ihm sei wohl ein Abwasserrohr verstopft
Ich erneu're rasch die Dichtung,
Und dann stimmt auch schon die Richtung.
Wenn man einen Stopfen in die Röhre pfropft
Kann es sein, dass dann der Rücklaufkrümmer tropft.

Doch wahrscheinlich hat ein Doppelflansch geklemmt,
Darum hab' ich gleich die Mauer aufgestemmt
Und das Halbgrundstück durchstochen
Und die Wohnungswand durchbrochen
Und die Nachbarwohnung auch noch überschwemmt,
Es gibt nichts, das einen Klempner hemmt.

Ich bin Klempner von Beruf,
Ein dreifach Hoch dem dies gold'ne Handwerk schuf!
Immer werden Hähne tropfen,
Werden Waschbecken verstopfen,
Immer gibt es was zu schweißen,
Abzubau'n und einzureißen,
Ich bin Klempner von Beruf.

Letzte Pfingsten war es, glaub' ich um halb acht,
Da rief ein Mann an, völlig aufgebracht.
Bei ihm sei ein Rohr gebrochen,
Er selbst nass bis auf die Knochen
Und das sprudelt, und das gluckert, und das kracht.
"Prima", sagte ich, "Das wird sofort gemacht".

An einem nebligen Novembertag
Bracht' ich ihm erstmal den Kostenvoranschlag.
Noch muss er zum Keller schwimmen
Und zur Nacht sein Dach erklimmen,
Denn vor Juni tu' ich keinen Hammerschlag,
So hat jeder seine Sorgen heutzutag'.

Ich bin Klempner von Beruf,
ein dreifach Hoch dem dies gold'ne Handwerk schuf!
Es gibt immer ein paar Muffen
Abzubau'n und umzubuffen
Es gibt immer was zu planschen,
An den Hähnen zu verflanschen,
Ich bin Klempner von Beruf.

Am Freitag kam eine Reklamation,
Ein Kunde rügte die Installation:
Immer wenn er Wasser zapfe
Samm'le Erdgas sich im Napfe
Und kling'le zufällig das Telefon,
Gäb' es manche heftige Detonation.

Ich löste das Problem höchst elegant
Indem ich Telefon und Hahn verband
Wenn es jetzt im Hörer tutet
Wird die Küche überflutet
Und durch diesen Kunstgriff meisterlicher Hand
Ist jetzt jede Explosionsgefahr gebannt.

Ich bin Klempner von Beruf,
Ein dreifach Hoch dem der dies gold'ne Handwerk schuf!
Denn in Villen und in Lauben
Gibt es Muttern zu verschrauben
Selbst auf Schlössern, alten stolzen,
Gibt es Schellen zu verbolzen,
Ich bin Klempner von Beruf.

Gründlich sein ist jeden Klempners Pflicht,
Donnerstag war eine Leitung nicht ganz dicht.
Mit dem Anzieh'n einer Mutter
Ist das längst noch nicht in Butter,
Denn wenn dabei eine Bogenschelle bricht,
Reduziert sich oft die Druckmanschette nicht!

Folglich habe ich vom Keller bis zum Dach
Alle Rohre neu verlegt, und hab' danach
Auch den Kühlschrank noch erneuert,
Was die Sache zwar verteuert,
Aber dafür sagt mir auch kein Kunde nach,
Dass ich bei der Arbeit halbe Arbeit mach'.

Ich bin Klempner von Beruf,
Ein dreifach Hoch dem der dies gold'ne Handwerk schuf!
Linke Hand die Werkzeugtasche,
Zwanz'gerschlüssel, Thermosflasche,
Rechte Hand meine Rohrzange,
So wird mir so schnell nicht bange,
Ich bin Klempner von Beruf.

Und braucht man keine Klempner mehr,
Na dann werd' ich halt Installateur!


Auf mich machten die Handwerker in jenen 5 Tagen aber auch eher den Eindruck, als waren sie nach dem Grundsatz tätig: " Arbeit geh´weg, ich komme!"




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