Wo liegt denn Waltershausen?


(C) WIKIPEDIA COMMONS

Es geht langsam voran; mit dem Abbau des monströsen Kücheneinbauschranks. Langsam, auch wohl deshalb, weil sich das 70 Jahre alte Holz nicht zu einfach entsorgen lässt. Langsam aber auch, weil sich 70 Jahre lang Staub in einer Zentimeter dicken Schicht auf die Holzoberflächen abgelegt hat. Tja, da erinnere ich mich doch glatt an den 68er - Slogan: " Unter den Talaren, der Muff von Tausend Jahren!" und behaupte jetzt: " Hinter den Regalen, der Staub von 70 Jahren!"

Aber nicht nur Staub. Da fiel mir beim Abkehren doch ein schon vergilbter Aufkleber in die Hände. Hierauf steht:

" Feuerzeug - Benzin ".

Nichts besonderes, eigentlich. Beim näheren Hinsehen jedoch las ich:

" VEB Lackfabrik Waltershausen BT Erfurt - Gispersleben " und weiter:
" MITGLIED IM WARENZEICHENVERBAND LACKE UND FARBEN DER DDR ".

Die Deutsche Demokratische Republik hat ja ab dem 1. Juli 1990 real bzw. mit dem 03. 10. 1990 formal aufgehört zu existieren. Demnach muss dieser Aufkleber mehr als 22 Jahre alt sein.

Und tatsächlich: Die Lackfabrik Waltershausen wurde nach dem Ende der DDR weiter geführt. In Form einer GmbH, denn hierzu ist folgendes nachzulesen:

Über die Firma Waltershäuser Lackfabrik Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Ersteintragung im    
    Handelsregister)


HRB 511 -- 13. 04. 1992 Waltershäuser Lackfabrik Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Sitz O-5812 Waltershausen (Tabarzer Str. 2). Gegenstand des Unternehmens Herstellung und der Vertrieb von Lacken, Anstrichstoffen und Verdünnungen. Stammkapital 100 000,-- DM. Geschäftsführer Peter Eberhardt in Gotha. Einzelprokura Heidemarie Crusius, Waltershausen. Entstanden aus VEB Lackfabrik Waltershausen. Nunmehr Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Der Gesellschaftsvertrag wurde am 18. Oktober 1991 geschlossen. Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Sind mehrere... "

Bereits 1 1/2 Jahre später ist im Bundesanzeiger die Eröffnung des Konkursverfahrens zu dieser Firma bekannt gegeben worden, die dann fast 4 Jahre später aus dem Handelsregister des Amtsgerichts Erfurt endgültig gelöscht wurde.

http://www.genios.de/?explicitSearch=true&q=H1849095.NR.&ZG_PORTAL=UBROWSING&dbShortcut=:2:ALLEQUELLENNEU-132_:2:HANDELSREGISTER#-

So wie viele tausend Betriebe von einst, hat es auch diese Firma nicht geschafft, hat im Konkurrenzkampf um Aufträge, Kunden und Umsatz nicht bestanden. Wie vor ihr, wurden nach der viel zitierten Wiedervereinigung durch die Treuhand so ziemlich jeder staatlich geführter Betrieb platt gemacht. Im Rohwedder - Breul´schen Jargon nannte sich das " abwickeln ". 
Eigentlich nannte sich das Konstrukt " Treuhandgesellschaft ", denn der Begriff " Treuhand " wurde vormals auch von den Nationalsozialisten im Zusammenhang mit den unterjochten Ostgebieten benutzt. Diese historische Verknüpfung wollten Kohl´s Truppen denn doch nicht mit einer solchen Namensgebung herstellen. So ließ es dann der ewige Kanzler bei der Abwicklung von 8.500 Betrieben und etwa 4 Millionen Beschäftigten forsch angeben und walzte die einstige DDR - Wirtschaft nieder.

http://de.wikipedia.org/wiki/Treuhandanstalt

Millionen Beschäftigte wurden arbeitslos, viele fanden neue Jobs im Westen oder in anderen Betrieben, anderen blieb bis heute der Wiedereintritt in das Erwerbsleben verwehrt. Während Kohl die " blühenden Landschaften Ost " propagiert, aus lauter Dankbarkeit dafür mit Eier beworfen wurden ( völlig zu recht ), vollzog sich ein Strukturwandel im amtliche benannten Beitrittsgebiet. Ganze Landstriche bluteten aus, andere Regionen erholten sich von dem Wiedervereinigungsschock nur langsam, weitere Gebiete boomten aber auch. Summa summarum hinken die " Neuen Bundesländer ", die es ja de facto längst nicht mehr sind, durchschnittlich um ca. 1/3 in der Wirtschaftskraft der westdeutschen Gebiete hinter her. Die Verbraucherpreise haben sich aber inzwischen längst dem Bundesdurchschnitt angeglichen.

Nachdem ich über das Netz erfahren hatte, dass die einstige Lackfabrik Waltershausen längst nicht mehr existiert, stellte sich für mich nun die Frage, wo das Waltershausen denn eigentlich liegt.
Auch hier ein Blick in das WWW und schon erhielt ich die entsprechende Antwort: in Thüringen. Genauer gesagt, im Landkreis Gotha in Thüringen. 

http://de.wikipedia.org/wiki/Waltershausen

Bekannt geworden ist die etwas mehr als 10.000 Einwohner zählende Stadt durch die Puppenfabrik
" Biggi ". Zu DDR - Zeiten auch ein Volks Eigener Betrieb, der den Exportschlager, nämlich die " Biggi " - Puppe herstellte.
Die Tradition der Puppenherstellung ab 1816 fand dann 2005 ihr jähes Ende. Seit dem werden in der Stadt keine Puppen mehr hergestellt.

http://www.waltershausen.de/content/w_puppenstadt.html

Immerhin habe ich durch den gefundenen Aufkleber erfahren können, dass es die Stadt überhaupt gibt. 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

" Eine Seefahrt, die ist lustig. " - nur nicht in den 60er Jahren zum AOK - Erholungsheim auf Norderney.

" Oh Adele, oh Alele, ah teri tiki tomba, ah massa massa massa, oh balue balua balue. " und die Kotzfahrt nach Wangerooge.

Widerspruch zwecklos!