Über des Spießer´s - Spießer - Spießer - Kinder.

Der Spießer: Gegen alles, was er nicht gewohnt ist, ist er zur Stelle, jederzeit.
Ernst Bloch




Was unter einem Spießer zu verstehen ist, lässt sich kurz und knapp zusammen fassen: Eine engstirnige Person, die geistig unbeweglich,und konform ist sowie Veränderungen im Lebensumfeld ablehnend gegenüber steht.

Der Spießbürger kann in der heutigen Gesellschaft viele Facetten zeigen. Da gibt es den Öko - Spießer, der auf seinem ökologischen Lebensstil äußerten Wert legt und anderen Menschen diesen überstülpen möchte. Da gibt es den Links - Spießer, der dogmatisch lebt und andere politische Meinungen bekämpft. Da gibt es auch den Normal - Spießer, der als über angepasstes Individuum alles daran setzt mit der Meute mitzulaufen.

Diese Spießer - Urform hat klar definierte Lebenseckpunkte. Er strebt einen Schulabschluss an, erlernt einen Beruf, gründete eine Familie in seinem Geburtsort, ist in einer christlichen Kirche, zahlt deshalb auch Steuern, fährt ein deutsche Auto, macht auf Malle Urlaub, zeugt höchstens zwei Kindern, davon einen Jungen und geht ab und zu fremd oder in einen Puff. Er ist in einem Schützen - bis Kegelverein, hat ein Herz für Kinder und spendet deshalb ab und zu, strebt später nach seinen eigenen Vier Wänden, verschuldet sich deshalb bei der Sparkasse, wo er seit Geburt mindestens ein Sparbuch besitzt. Er lässt seinen VW bis Opel ein Mal wöchentlich einer Standard - Autowäsche unterziehen ( im Winter mindestens ein Mal im Monat einer Premium - Wäsche ). Im Frühjahr lässt er in seinem nur Handtuch großen Vorgarten des Reihenhauses Tulpen, Krokusse und Schneeglöckchen wachsen und blühen. Im Sommer wird der Rasen raspelkurz geschnitten, auf den er dann seine Gartengarnitur und die Hollywood - Schaukel platziert. An jedem Wochenende wabern Grilldüfte aus dem Grünstück. Die aus Koniferen bestehende Hecke wird mehrmals ordentlich beschnitten. Im Herbst karrt er das Laub, das er zuvor mittel Besen, Harke oder gar elektrischen Laubsauger zusammen bringt, dann zu einer Kompostierungsanlage. Anschließend wird seine liebstes Kind, das Auto, ausgesaugt. Er deckt die Rosenbeete für den Winter mit Folien ab, stellt die Sitzgarnituren in den Geräteschuppen, wo er auch seinen Motorrasenmäher einschließt. Danach wartete er bis die ersten Frosttage anbrechen oder spätestens der erste Adventssonntag.

Dann ist die großen Stunde des Spießers, der bürgerlichen Spießers, gekommen. Er bringt arund um und in seinem Karnickelstall mit 120 bis 140 m² Wohnfläche allerlei leuchtenden Schnickschnack an. Ob nun einen blinkenden Weihnachtsstern, einen Schlitten fahrenden Weihnachtsmann als Lichterkette mit 250 Glühlampen oder eine mit mehrfarbigen LED - Lampen ausstaffierte Edeltanne, sie alle werden aus dem Schrank im Keller geholt und installiert.

Der Weihnachts - Spießer ist jetzt voll in seinem Element. Er schmückt sein Refugium gegen die dunkle Jahreszeit. Er schmückt seine Fenster, sein Vorgarten, ja sogar Teile des Hauses mit Weihnachtsdekoration. Er wartet dabei, dass es bald Weihnachten wird. Für viele ungeduldige Spießer, die ihr " Castle " mit unzähligen Leuchtelementen verunstaltet haben, kann es gar nicht schnell genug gehen. Denn schließlich möchte der Heimwerker für seine kitschig - schönen Kunstwerke gelobt oder noch besser, von vor dem Haus stehen bleibenden Passanten beachtet werden.

Die Welt da draußen ist feindlich. Sie ist kalt. So, wie die Gesellschaft es ist. Doch die wohlig warmen Spießer - Lichter, sie lassen die Welt etwas heller aussehen. Schöne Vorweihnachtszeit, eben.

Da lief ich am ersten Novembersonntag dieses bald zu Ende gehenden Jahres 2016 mit dem zur Pflege daheim gelassenen Labrador durch die Straßen der Münchner Vorort - Schlafstadt Unterschleißheim und betrachtete dabei die menschenleeren Plätze und Gebäude, die ich nach und nach passierte. Es war bereits 17.00 Uhr nachmittags und es war dunkel. Ein regnerischer, kühler, ungemütlicher Tag; ein typischer Novembertag. Während der Nieselregen auf meinen Regenschirm herunter ging, gelangte ich mit der Pflegehündin an die Häuserzeilen der Johann - Schmid - Straße. Hier befinden sich einige Schulgebäude, einige Bushaltestellen und diverse Grünflächen. Unterschleißheim zeichnet sich durch viele solcher begrünten Flächen aus.

Ich beabsichtigte just die Straßenseite zu wechseln, als ich sie plötzlich sah - die golden leuchtenden Weihnachtssterne und Lichterketten. Nein, das ist jetzt nicht wahr! Ich blieb, wie vom Blitz aus heiterem Himmel getroffen stehen und schaute nochmals herüber. Tatsächlich, kein Zweifel daran, es war Weihnachtsdekoration, die in den Fenstern des Hauses Nummer 23 hell leuchteten. Bald ist Weihnachten ! Ja, klar, bald ist Weihnachten! Aber, die Vorweihnachtszeit beginnt doch erst Ende November, am 27. 11. 2016 genau, am 1. Adventssonntag. Frühestens an diesem Wochenende.

Man, ist das spießig, dachte ich bei mir. Genauso bekloppt, wie das voreilige Schmücken der Sträucher, Büsche und Rasenflächen mit dem Osterschmuck. Es sieht auch so aus, als solle der Osterhase dort möglichst noch vor Ostern, vor den Feiertagen erscheinen.
Vielleicht wünscht sich der Bewohner dieses Hauses, dass der Weihnachtsmann schon im November antanzt? Mag sein. Es ist aber wohl eher so, dass dieser angepasste Mensch meint, er müsse - quasi im Wege des vorauseilenden Gehorsams - den übrigen Spießern zeigen, dass er ein Oberspießer ist - ein Weihnachtsspießer, demnach.

An der Spießigkeit der Menschen sind nicht nur viele andere Menschen gescheitert, sondern sie setzt sich von Generation zu Generation fort. Spießiges Verhalten, ein Spießer - Leben wird weiter gegeben, so wie das Erbe, wie die Gene eines Menschen und auch Krankheiten. Krank ist das Verhalten auch, dass eine Person meint, sie müsse über angepasst sein. Eine anerzogener Charakterzug, der den Spießer von einem Nicht - Spießer unterscheidet.
Dummheit kann auch weiter gegeben werden. Von den Eltern auf die Kinder, von den Kindern auf deren Kinder und von ihnen auf ihre Kinder.

In diesem Sinne: Es lebe die Gruppe der Nicht - Spießer. Gut´s Nächtle mit

" Jethro Tull " und " My God " ( Live, 2003 ):




  

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