Schmeckt astrein!


 Vor einigen Tagen hatten wir bei der " Aldi " - Filiale in Dierhagen einen 1 - Kilogramm - Träger mit Nektarinen eingekauft. Das Obst war mit 1,19 € so billig, dass ich mich gleich danach fragen musste, wer daran überhaupt noch Geld verdienen konnte. Doch: Es funktioniert offensichtlich. Die Nektarinen stammten aus Spanien und wurden dort auf einer dieser gigantischen Plantagen geerntet und zwar noch gar nicht reif. Damit ungenießbar. Als ich die Plasteschale am Netz öffnete, schauten mich 8 grün - gelbliche Exemplare an. Ich schnitt eine von ihnen mit einem kleineren Küchenmesser auf. Dann biss ich in eine Hälfte hinein. Dieses war ein Fehler, denn die steinharte Frucht war zudem noch sauer. Ungenießbar, eben!

Ich ließ die Nektarine enttäuscht in den Obstkorb fallen. Ein weiterer Fehler, wie sich einige Tage später herausstellen sollte.

Die Tage verflogen, wir mussten am Sonntagmorgen eilig zusammen packen, denn die Unterkunft sollte bis 10.00 Uhr übergeben werden und - du ahnst es nicht - die Putzfrau schlug bereits um 9.05 Uhr vor der Eingangstür auf. " Nein, wir sind noch längst nicht fertig!", antwortete ich ihr ein wenig ungehalten. An einem Sonntag eine Ferienwohnung zu säubern, das ist sicherlich kein Vergnügen. Deshalb hatte ich wenig Verständnis dafür, dass die Reinigungskraft früher beginnen und damit auch eher fertig werden wollte. Sie fuhr mit dem Fahrrad wieder ab, denn es gab ein weiteres Objekt, dass sie zu reinigen hatte.

So packten wir unsere Sachen eiligst zusammen und legten auch das Obst in einen Beutel. Die Nektarinen waren jetzt beinahe reif. Sie sahen gelb - rot aus, so, wie eine dieser wohl schmeckenden Früchte auszusehen hat. Die angeschnittenen Nektarine hatte jedoch auf der Oberfläche Schimmel gebildet. Als: Weg damit in den Abfalleimer. Ich wunderte mich dennoch, wie schnell die zuvor unreife Frucht plötzlich reif war. Ich konnte sie ohne große Kraftanstrengung eindrücken.

Heute Morgen schnitt ich von den verbliebenen Nektarinen eine weitere in mundgerechte Stücke und legte sie mit einer Rispe Weintrauben in Tupperware. Das Obstfrühstück nimmt meine bessere Hälfte täglich mit zur Arbeit. Reife Nektarinen vom " Aldi " zählen eher selten dazu, denn das dort angepriesene Obst ist zumeist noch grün oder auch halb reif. Damit nach dem Kauf längst noch nicht essbar.

Jetzt konnte ich mir auch einen Reim auf den Killerpreis von 1,19 € pro Kilogramm Nektarinen machen. Sie werden in Spanien im grünen Zustand gepflückt. Das erledigen Erntehelfer aus dem Ausland. Es sind überwiegend Afrikaner aus dem ärmsten der armen Staaten dieses Kontinents. Dann werden sie transportfähig verpackt und im unreifen Zustand auf die zirka 2.200 Kilometer lange Reise geschickt. Dort reifen die Früchte zwar weiter, dennoch sind sie noch längst nicht genießbar. Auch dann nicht, wenn der Transporter irgendwo in Deutschland, dieses Mal irgendwo im Nordosten von Mecklenburg - Vorpommern in einem Lager abgekarrt werden. Vielleicht einen oder zwei Tage später, gelangen die Früchte zu den " Aldi " - Filialen. Dort stehen sie dann in den Obstauslagen und warten auf Käufer.

Vor vielen Jahren war die Qualität der " Aldi " - Artikel nicht gerade umwerfend. Obst und Gemüse galten schon damals als eher nicht genießbar, weil steinhart, teilweise noch grün und von mäßiger Geschmacksqualität. " Aldi " war einst der unumstrittene Marktführer unter den Discountern. Das hat sich längst geändert. So musste der Gigant auf die zunehmende Konkurrenz reagieren und dreht kräftig an der Sortimentsschraube; womit die Waren qualitativ besser wurden.
Was allerdings auch an den größerer gewordenen Angebotsmarkt liegt. Die Lebensmittelindustrie und die industrielle Landwirtschaft hat sich seit jener Zeit nahezu komplett verändert. Hochkomplexe Anbautechniken und Herstellungsmethode, bei denen reinweg gar nichts dem Zufall überlassen wird, sind überall vorzufinden.

Hier wird aufgrund der enormen Produktionsmengen mit Eurocent oder sogar Bruchteilen davon kalkuliert. Die Masse macht den Preis und deshalb wird auch erklärlich, warum die Hersteller zwar wenig Geld für ihre Produkte erhalten, aber dennoch überleben können. Und auch die Supermarktketten erwirtschaften dadurch riesige Gewinne. Weil zudem unvorstellbare Mengen an Lebensmittel vernichtet und von den Konsumenten einfach entsorgt werden, sind die Umsätze sowohl auf der Hersteller - und Abnehmerseite in Milliarden zu bemessen.

In den 1980er Jahren, als diese Märkte noch überschaubar waren, als " Aldi " nur billig, aber nie gut war, war meine Schwester, die von Haus aus ein Geizkragen par excellence ist, ständiger " Aldi " - Kunde, obwohl sie - bereits verheiratet und gut situiert - sich aufgrund ihres Einkommens eine andere Liga hätte leisten können. Sie hatte aber zusammen mit ihrem Mann ein Haus bauen lassen, das noch nicht abbezahlt war. Also sparte sie an anderen Stellen. So auch bei den Lebensmitteln. Eines Tages besuchte ich sie in dem neuen Eigenheim. Sie bot mir " Aldi " - Schokolade an. Nun, ich kannte die dortige Billig - Hausmarke - sie war geschmacklich das allerletzte unter den Schokoladen, weil nicht nur billig, sondern zudem auch billig gemacht.
Meine Schwester indes war begeisterte. " Schmeckt astrein! ", frohlockte sie als sie mir die Tafel Billig - Schokolade in gebrochenen Stückchen auf ihrem Wohnzimmertisch anbot. Ich nahm aus Höflichkeit ein Stück und ließ mir dabei nichts anmerken. Dieses widerliche Zeugs. Ich hätte das Stück am liebsten sofort ausgespuckt.

" Schmeckt astrein! ", das Obst, die Nektarinen vom " Aldi "? Nein, denn dieses wird halb grün zum Verkauf angeboten.

In Zingst haben wir uns an einem Tag den Luxus geleistet und 2 Pfirsiche und 2 Nektarinen, die die Größe eines halben Dutzends " Aldi " - Früchte hatten, geleistet. Der Preis war mit 10 Euro astronomisch - die Qualität allerdings unsagbar.



" Schmeckt astrein! " - aber nur dort.


" Fred " und " Salvation Lady " - 1971:





 





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