60 Jahre Bundesrepublik Deutschland = 40 Jahre BRD und DDR + 20 Jahre Deutschland - (k)ein Grund zum Feiern.
In wenigen Wochen ist es soweit, dann darf 2/3 der gesamtdeutschen Bevölkerung - ohne Migrationshintergrund - sich selbst feiern. Die alte Tante Bundesrepublik Deutschland ( BRD, BR Deutschland ) wird 60 Jahre alt. So alt wird kein Schwein? Irrtum, denn mit Beharrlichkeit und einem überproportional ausgeprägten Sitzfleisch ist es jenen Damen und Herren der ersten Stunde im Nachkriegsdeutschland gelungen, einem Land, dass bis dato für martialisches Auftreten bekannt war, einen halbwegs demokratischen Anstrich zu verpassen.Die Gründungsväter der Verfassung sind längst nicht mehr unter uns. Sie werden sich - sollte es so etwas, wie eine Wolke 7 geben - von dort mit Grausen abwenden, wenn sie sehen könnten, was aus jenem Gebilde, dass das Grundgesetz am 12. Mai 1949, in seinen juristischen Feinsinnigkeiten, einst vorgesehen hat, in 6 Jahrzehnten seiner Existenz geworden ist. Was ist also geblieben, von jenen ehernen Grundsätzen, die als Ergebnisse aus der Verfassungsgebenden Versammlung von vor 60 Jahren in 19 Grundrechtsartikel und weitere 127 Regelungen abgefasst wurden?
Viele Artikel sind längst Makulatur, weil die Verfassungswirklichkeit eine völlig andere ist. Da der jenen Vorschriften immanente Widerspruch, bereits wenige Jahre nach Inkraftreten der von den Westalliierten genehmigte Verfassung, offen zu Tage trat, sind viele Regelungen lediglich Wunschdenken geblieben. Deshalb, weil der jeweils herrschende Zeitgeist sie ad absurdum geführt hat; weil die Historie eben einen anderen Verlauf genommen hat, als jenen einst erwünschten und vorallem, weil der BRD-Durchschnittsmichel - so, wie viele übrigen Weltbürger - eine ambivalente Grundeinstellung zum Leben hat. Er zeigt dieses in seinem archaischen Triebverhalten, der vorbehaltlosen Umsetzung des ihm angeboren Sammler - und Jägerinstinkts, das sich nur schwerlich mit oktroyierten Verhaltensweisen ausschalten lässt. So entsteht jene Gemengelage, deren explosive Komponenten durch die historische Reglementierung von Seiten der Weltstaatengemeinschaft nach den von Deutschland aus inszenierten zwei Weltkriegen, nach 1945 erfolgreich unterdrückt werden konnten.
Von jenen 60 Jahren Bundesrepublik Deutschland - für mich nur BRD - durfte ich über 55 Jahre miterleben. Eine lange Zeit, die ausreicht, um eben jene Kritik zu üben, zu der hier und heute nur noch wenige BRDĺer in der Lage sein dürften. Längst hat der süße Duft der kapitalistischen Produktionsweise mit ihrer Konsum - und Wegwerf-Gesellschaft die Hirnwindungen und Sinne verkleistert. Wohlstand für Alle bedeutet - bezogen auf unzählige Bewohner in vielen anderen Staaten - Luxus für Viele!
Ob dieses Leben nun nur für von kurzer Dauer oder tatsächlich bis zum Tod geführt wird, dürfte zunächst unerheblich sein. Erheblich ist vielmehr, ob es durch eigenes Dazutun, durch Eigeninitiative zustande kommt. Ferner dürfte von Belang sein, wie jener Wohlstand,eigentlich erreicht wurde.
Der Maßstab zur Beantwortung dieser Fragen ist - immer noch - der immanente Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit.
Die ersten Jahre der noch jungen Bundesrepublik waren geprägt von Aufbauarbeit und Mangelwirtschaft. Sie ließen jedoch bereits erkennen in welche Richtung der Zug fahren würde. Die amerikanischen " Care "-Pakete, der Marshallplan, die Berlin-Luftbrücke - diese Ereignisse machten klar,dass die West-Alliierten keinen Satellitenstaat der UdSSR vor ihrer Haustür haben wollten. Der zunehmende Anti-Kommunismus ermöglichte es, dass die Wirtschaftsordnung des Grundgesetzes (GG ) eine kapitalistische, nach amerikanischem Vorbild werden sollte.
Adenauer und seine Polemik gegen die " Sovjeerts ", gegen die SBZ, die Ostzone oder einfach nur die Zone, sie fruchtete. Vorallem, weil eben die Sowjetunion alles daran setzte, die Reparationzahlungen der besetzten Teile des ehemaligen Großdeutschlands auf die Spitze zu treiben. Wenn sogar Eisenbahnschienen demontiert und in das ferne Sibirien verbracht wurden, dann gibt eine solche Handlung eben genug Anlass, eine anti-sowjetische Propaganda zu betreiben.
Während der eine Teil des besetzten Gebietes auf die Hilfslieferungen der Besatzer angewiesen war, musste der andere, der kleine Bruder, an die Besatzungstruppen, für jene Untaten gerade stehen, die die Hitler-Schergen durch den Krieg zu verantworten hatten. So driftete auseinander, was eigentlich zusammen gehörte. Der Westteil des Rest-Deutschlands entwickelte sich in den Folgejahren nach Staatsgründung zu einem prosperierenden Partner der westlich-orientierten Hemisphere und durfte sich dafür von seinen einst zu Erzfeinden ernannten Nachbarn, kräftig auf die Schulter klopfen lassen. Es ging voran. Aus der Trümmerlandschaft zwischen Flensburg und Freiburg, zwischen Aachen und Braunschweig entwickelten sich Wirtschaft, Verwaltung und Gemeinwesen. Wer arbeiten wollte, bekam auch welche. Wer Geld verdienen wollte, durfte auch verdienen. Alles unter dem Deck - und Schutzmantel der drei westlichen Siegermächte.
Von der Wiederaufbauphase ab 1945, der Staatsgründung 1949 habe ich zwar nur aus den Geschichtsbücher gelesen, dennoch steht für mich fest, dass es eine chaotische Zeit gewesen sein muß. Es war wohl eher für die Masse der Überlebenden aus dem Wahnsinn des Nationalsozialismus ein Kampf um das tägliche Überleben. Das Schlagwort " organisieren " spielte hier eine sehr große Rolle. Die Zeit war geprägt von Hunger, Krankheit,Tod. Die drei Reiter der Apokalypse suchten das Land heim, von dem der II. Weltkrieg ausgegangen war. Wer überleben wollte, der musste nicht nur einen starken Willen zeigen, der musst vorallem auch ein gewisses Quantum an Intelligenz mitbringen. Tausche Äpfel gegen Wollsocken, Kartoffeln gegen Teppich, Goldschmuck gegen Arzneien. Die Tauschwirtschaft blühte, der Schwarzmarkt florierte und das Zahlungsmittel hieß " Lucky Strike ".
Nun, diese wirren Jahre habe ich nicht selbst erlebt. Dennoch reicht mein Erinnerungsvermögen aus der Zeit der frühen 50er, um sagen zu können, was es heisst zu sparen, in Armut zu leben und sich mit den gerade zum Überleben notwendigen Dingen zu begnügen. Die viel zitierten Wirtschaftswunderjahre, sie rauschten an den meisten Menschen, der Mehrzahl der Familien und dem Gros der abhängig Beschäftigten nur so vorbei. Ohne großartige Spuren zu hinterlassen.
Meine Eltern und Großeletern lebten einst in einer "Gesindewohnung " auf einem Bauernhof - inmitten von Vieh, Mist und Schlamm. Sie verdienten ihr Geld mit Hilfsarbeitertätigkeiten auf dem Feld. Mein Vater war gelernter Maurer - Bauarbeiter waren Mangelware, die Wohnungsnot war groß, deshalb gab es genug Arbeit.Die Löhne waren allerdings so niedrig, dass oft Doppelschichten gefahren wurden,um überhaupt über die Runden zu kommen. Ein Fahrrad war damals ein Luxusartikel; mein Vater besaß schon eines. Ein Herkules, in schwarz,mit 28er Reifen. Damit fuhr er - wie unzählige auch - sowohl zur Arbeit, als auch zu den Rendevous mit meiner Mutter.
Nachdem meine Eltern im Mai 1952 geheiratet hatten, erwarben sie über meine Großeltern - mütterlicherseits - ein Grundstück auf einem Acker und bauten ein Zweifamilienhaus. Da es aufgrund der Wohnungsnot vergünstigte Baudarlehn und Zuschüsse gab, wohnten dann ab 1953 zunächst 6 Erwachsene, dann meine beiden Geschwister und ich in 6 Zimmern. Es gab einen Schweinestall, ein Kaninchenstall, einen Hühnerstall und einen Garten, in dem Obst und Gemüse angebaut und geerntet wurden. Die 50er Jahre waren von einem sehr bescheidenen Leben geprägt. Durch Hausschlachtungen, Verkauf eines zweiten mitgemästeten Schweines, Schlachtung von Kaninchen und Hühnern konnten sich meine Eltern und Großeltern über Wasser halten. In der Provinz, auf dem flachen Lande, in einem Dorf mit knapp 300 Seelen, herrschte ein anderer Tagesablauf, als in den Städten. Es gab kein Kino, nur kleine Geschäfte und einige Lokale. Das Schützenfest war ein Hauptjahresereignis, die Hasenjagd im Herbst eine feste Veranstaltung und das Lichterfest im benachbarten staatlichen Kurort eine Attraktion. Die Kindheit hatte dennoch viele gute Seiten. Wir durften draußen herumtoben. Es gab einen richtigen Winter mit viel Eis und Schnee, so dass wir Schlittenfahren konnten. Eine zünftige Schneeballschlacht gegen die übrigen Kinder aus der Straße machte genau so viel Spaß, wie das Erkunden der Felder, Wiesen, Äcker, die Ausflüge in dem nahe belegenen Harrl, einem Wald der von Bad Eilsen bis nach Bückeburg reichte.
Die 50er vergingen so schnell, wie sie es verdient hatten. Was blieb waren Erinnerungen auf jetzt vergilbten Schwarz-Weiß-Fotos, auf denen eine unbefestigte Zuwegung vor dem Haus meiner Eltern zu sehen ist, einige Mädchen aus der Nachbarschaft im Pettycoat und Felder - Dorf eben!
Die 60er begannen bei mir mit der Einschulung. In die Volksschule, so nannte sich das Gebilde, in die die überwiegende Zahl eines jeden Jahrgangs bis zur 4. Klasse unterrichtet werden musste. Neben der Schulpflicht existierte ein strenges Regiment des Lehrkörpers. Sie waren die Göttin und Götter hinter dem Katheder. Was sie äußersten, forderten,bewerteten, das war Gesetz. Widerworte waren nicht erlaubt, eigenen Meinungen verpönt, Rüpelein wurden mit Schlägen sanktioniert. das nationalsozialistische Gedankengut lebte in Form der restaurativen Schulpolitik fort. Die Bildungseinrichtungen waren allerdings nur Abbild der Gesellschaft, die wiederum in einem frömmelnden Tiefschlaf zu versinken drohte. Die Erwachsenenwelt legte ihr bleierndes Gewand über meine Kindheit, die von Verzicht und relativer Armut geprägt war.
Mit Ende der 60er wurden einige - längst erwachsene - Westdeutsche aufmüpfig. " Milchgesichter " nannte sie Kiesinger, der Ex-Nationalsozialist und damalige Bundeskanzler während einer Wahlkampfrede in Bückeburg. Auch wenn sie jung und naiv waren, die sich daraus entwickelnde Bewegung, deren Proteste gegen die Erwachsenenwelt mit all ihren lähmenden Regeln und Zwängen, erbrachte in den 70er jene Reformpolitik, die sich viele Jahre später als zwiespältig zeigen würde. Zwiespältig deshalb, weil sich eigentlich nur die Fassade änderte, während in dem Eigentum immer noch die gleichen Bonzen wohnen blieben. Jene Bourgeoise, deren Kinder nun aufmuckten und selbst an die Futternäpfe wollten, die da heißen: Macht, Geld, Einfluß!
Die 70er waren aber auch eine musikalisch wunderbare Zeit für mich. Musik, insbesondere die Beat-Pop-oder Rockmusik wurde zu meinem Lebensinhalt. Ich erwarb in jenen Jahren sehr viele Platten, Tonträger überhaupt und nahm an ungezählten Live-Konzerten teil. Ich durfte viele Gruppen auf der Bühne erleben, die dann Jahre später so nicht mehr existent waren: Led Zeppelin, Scorpions,Jane,Chicken Shack,Omega,Karthago,Jethro Tull,Streetmark,MC 5, um nur einige zu nennen.
Musik war eine Lebenphilosophie, die durch das Tragen von mehr als schulterlangen Haaren und einem entsprechenden Outfit zum Ausdruck kam.
Ich begann mein Fachabitur nachzuholen. Es war eine harte Zeit, denn nach dem Abschluss musste ich sehr schnell feststellen, dass meine Vorstellungen vom Studentenleben nicht einaml ansatzweise zur Realität passten. Ich wechselte den Studienort, ging von Wilhelmshaven nach Bremen und hatte dort eine sehr schöne Zeit an der Hochschule für Wirtschaft.
In den 80ern begann ich mit dem Jura-Studium. An der Reformuniversität Bremen, der angeblich linken Kaderschmiede, so wie sie einst von den reaktionären und konservativen Kräften diffamiert wurde. Die Lehre von Karl Marx wurde auch hier zum Inhalt der Ausbildung, in der Gesellschaftskritik nicht nur zum guten Ton gehörte. Die 80er waren aber bald eine andere Zeit,denn durch Modetrends, die Yuppie-Popper-Bewegung wurde die Konsumgesellschaft immer stärker in den Vordergrund gerückt. Markenklamotten und sonstige Artikel waren eher en vouge, denn politische Meinungen. Es fand quasi ein roll back in der Jugend statt. Die Spaßgesellschaft wurde gegründet und mit ihr die neon-farbene Gier nach materiellen Werten.
Auch der anderen Seite kam die Anti-Atomkraft - und Friedensbewegung zusammen der der Partei " Die Günen " auf dem gesellschaftlichen Speiseplan. Eine Subkultur, die sich Alternative nannte und deren Lebensinhalte sich an eine naturverbundenes Sein orientierten. Männer mit Latzhosen, Frauen in Selbsterfahrungsgruppen, spirtuelle Trends waren hier in.
Die 80er vergingen und mit ihnen die letzten politischen Bewegungen. Es wurde in den 90er das verwaltet, was sich jeder aus dem großen Kuchen Gesellschaft und Ökonomie herausschneiden konnte. Die Ellenbogen - und Neidgesellschaft drang in die Köpfe der einst politisch motiviert agierenden Menschen genauso ein, wie in jenen der Majorität der Angepassten und Mitläufer, der Spießer eben. Die 90er waren auch nach Nachwendejahre. Es erfolgte ein Aufschwung, der auf Kredit basierte und dessen Zinsen und Zinseszinsen unsere Folgegenrationen noch zu zahlen haben. Vieles war im Umbruch, die ersten Wiedervereinigungsjahre verliefen chaotisch - bis das böse Erwachen kam. Die Zahl der Arbeitslosen schnellte auf fast 5 Millionen herau. Die Gesellschaft spaltete sich in eine 2/3 zu 1/3 Klasse. Arm blieb arm, recih wurde immer reicher. So entwickelte sich ein verwaltender Sozialstaat, der die Auswüchse des ungezügelten globalen Kapitalismus zu tragen hatte.
Diese Entwicklung setzte sich in den Nach-Milliniumsjahren fort. Der New Economy - Markt zerplatzte in tausende von Teilchen. Die ersten riesigen Pleiten wurden registriert und mit ihnen zerstob der naive Glaube, dass ein einfacher Bürger durch Aktien zu Vermögen kommen könne. Jene Betrüger, Gauner und Halunken indes kamen ungeschoren davon. Sie durften einen zweiten Heißluftballon aufblasen, der die Immobilien-und Rohstoffspekulationen beinhaltete. Auch dort war es wiederum nur Luft, die entwich, als dieses Gebilde platzte und die Weltökonomie seit 2008 in ihre schwerste Krise nach Beendigung des I. Weltkriegs stürzt.
Quo vadis, germania?
Ich werde in unregelmässigen Abständen einige posts einstellen, in denen ich mich mit den guten und schlechten Seiten der Jubiläumstante BRD beschäftige und dann aus dem eigenen Nähkästchen plaudern.
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