Kriegsverbrechen in der Provinz sind bis heute kein Thema.
Wir schreiben das Jahr 1943, die Welt befindet sich im Krieg. Das nationalsozialistische Deutschland, das III. Reich, das zu einem Tausendjährigen Reich ausgebaut werden sollte, es droht bereits nach 10 Jahren unterzugehen.Auf Großdeutschland fallen täglich Auf Großdeutschland fallen täglich mehr Bomben, als Soldaten mehr Bomben, als Soldaten sterben. Dennoch lässt die Hetzt-und Lügenpropaganda der Hitlerśchen Vasallen keine Chance ungenutzt, um nur Kriegserfolge zu verkünden. Weit ab von den, im Bombenhagel der Alliierten stehenden Großstädten, in der Provinz, wird nach wie vor an dem Sieg, den Endsieg, geglaubt. Hier müssen die Kriegswirtschaftsvorgaben aus Berlin 1:1 umgesetzt werden. Notfalls auch mit Fremdarbeitern, Häftlingen und sonstigen, rassisch minderwertigen Menschen.
Als im August 1943 die ersten Zwangsarbeiter in einem Steinbruch der Firma Schmidt im niedersächsischen Steinbergen eintrafen, mussten diese als Ersatz der längst einberufenen Männer bei den schweren Arbeiten herhalten. Der Familienbetrieb, der 1923 gegründet wurde, erhielt einen Großauftrag über 100 Tonnen Gestein täglich, den er mit seinem Restpersonal eigentlich gar nicht erfüllen konnte. Diese Mengen waren bestimmt für das etwa 25 Kilometer weit entfernte Kraftwerk in Lahde. So arbeiteten insgesamt 50 Männer unter menschenunwürdigen Bedingungen in jenem Steinbruch bei Steinbergen - oft bis zum Tod. Die Lagerbedingungen waren unmenschlich. Neben prügelnden Aufsehern, war Hunger an der Tagesordnung.
Im Frühjahr 1945, also kurz vor der Kapitulation ließ SS-Reichsführer Himmler den Befehl heraus, dass alle Gefangenen zu ermorden seien. Dieser wurde allerdings in Steinbergen nicht durchgeführt. Stattdessen mussten die Häftlinge zu Fuß in Richtung Osten bis Hannover marschieren. Auf diesem Weg kamen nochmals 200 Menschen um.
Erst 1953 erhielten 35 zu Tode gekommene Häftlinge, die zuvor unter Geröllhalden im Steinbruch verscharrt worden waren, ihre letzte Ruhe auf dem evangelischen Friedhof in Bückeburg. Von dem verbrecherischen Lagerpersonal konnten lediglich ein Vorarbeiter bestraft werden. Der einst verantwortliche Steinbrucheigentümer erhielt zwar ebenfalls eine 15 jährige Zuchthausstrafe, beide Urteile wurden später im Zuge der Entnazifizierung auf 5 Jahre reduziert.
Der Rest der Wachmannschaften, insbesondere Rumänen und Ungarn flüchtete in ihre Heimatländer, wo sie unbehelligt blieben.
Auch die Aufarbeitung jener Geschehnisse rund um den Steinberger Steinbruch unterblieb über Jahrzehnte. Nachdem eine Schülergruppe 1983 einen Antrag auf Aufstellung einer Gedenktafel gestellt hatte, wurde diese Initiative von der CDU-Regierung unter Albrecht weder unterstützt, noch fanden weitergehende Untersuchungen zu den damaligen Vorfällen statt. Erst 1997 gelangt es der Initiative den damaligen Ministerpräsidenten und späteren Bundeskanzler Gerhard Schröder von der Notwendigkeit einer Gedenktafelaufstellung zu überzeugen.
Im November 2000 fand dann eine offizielle Gedenkstätteneinweihung unter Anwesenheit von diplomatischen Vertretern aus 7 Nationen im Steinbruch statt.
55 Jahre nach Kriegsende erinnerte sich die Region endlich an jene Verbrechen, die direkt vor der Haustür begangen wurden. Seit dem wird in Abständen an die Häftlinge im Rahmen von Veranstaltungen erinnert. Der Eigentümer des Steinbruch hat einen Fond ins Leben gerufen, aus dem 500.000 Euro an Entschädigungen für das erlittene Unrecht gezahlt wurden.
Leider dauerte es mehrere Jahrzehnte, bis ein derartiges Bewußtsein für verübtes Unrecht, für Verbrechen an Menschen durch Menschen aus der Region in Schaumburg, entwickelt werden konnte. Natürlich sind die Nachkriegsgenerationen nicht mehr persönlich für Kriegsgreultaten verantwortlich. Jedoch waren ihre Eltern verpflichtet, über diese Ereignisse aufzuklären. Dieses ist allerdings unterblieben. Für mich als ehemaliger Volksschüler wurde durch die einstigen Lehrer Geschichte nur außerhalb des II. Weltkriegs vermittelt. Von Judenverfolgung, Massenmorden, KZs und sonstigen Verbrechen gegen Menschen habe ich erst viele Jahre später innerhalb des Eigenstudiums erfahren können.
Ich verachtete zwar die damaligen Lehrer heute nicht dafür, dennoch mache ich ihre Unfähigkeit, sich gegen die Auflagen, Lehrpläne und den Zeitgeist von einst aufzulehnen, dafür verantwortlich, dass meine Generation vorsätzlich desinformiert wurde.
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