"... und melden uns nach kurzer Pause wieder!" - Meine Erinnerungen an Soldatensender.


Beim zufälligen Googeln von Begriffen, tippe ich " Soldatensender " ein und nach wenigen Bruchteilen von Sekunden, erscheint eine ganze Litanei von veröffentlichten Seiten im Web. Aja, die Vorteile des Mediums www. sind nicht von der Hand zu weisen. Vor 10 Jahre und noch länger davor hätte ich mühselig nach Literatur in der Unibibliothek suchen müssen. So lassen sich ohne große Umschweife eine Vielzahl von Fakten zusammen tragen, die ich benötige, um einen neuen Post ins Leben zu rufen.
Na, denn:

Die Geschichte des Rundfunks ist lang. Sie zu erzählen, zu lesen oder zu hören, würde wohl Monate, wenn nicht Jahre dauern. Deshalb wäre es fatal, ich könnte die Historie in einem Post einfach so zusammen schreiben. Nein, diesen Anspruch habe ich nicht und ich möchte ihn auch nicht erst erheben. Für mich sind es jene kleinen Erlebnisse, Geschichten und Begebenheiten, die ich eigentlich interessanter finde, als das große Ganze.

Der gewaltsame Umbau Deutschlands nach der Machtergreifung des Brüllaffen aus Braunau am Inn, nach 1933 also, schritt unaufhaltsam voran. Alles, was nur denkbar war, wurde nationalsozialistisch umstruktruriert, arisiert und gleichgeschaltet. So auch schon bald die deutsche Rundfunklandschaft. Es entstand der Großdeutsche Rundfunk, der bereits ab Juli 1932 im wesentlichen existierte.

http://www.rundfunkwiki.de/Gro%C3%9Fdeutscher_Rundfunk

Mit der Gleichschaltung und Integration in die Propagandamaschinerie der Faschisten verlor der Deutsche Rundfunk gleichzeitig den Rest an Objektivität. Es wurde nach 1939 nur von Kriegserfolgen berichtet, es hallte Durchhalteparolen und es gab eine fest reglementierte Musikauswahl, die eigentlich nur aus Marschmusik und Soldatenliedern bestand. Wer sich anderweitig informieren wollte, der musste die Feindsender hören. Dieses war jedoch nicht ungefährlich, denn hierauf stand die Todesstrafe. Zu den einstigen Feindsendern zählten auch die Soldatensender, die von den Alliierten, Rußland oder von der regionalen Resistance betrieben, meistens eine Gegenpropaganda betrieben, da Informationen zwar anders als im deutschen Rundfunk gestaltete und dargestellt wurden, jedoch auch hier die eigenen ideologischen Komponenten in den Vordergrund rückten.

Nach dem Ende des nationalsozialistischen Spuks wurden über den Alliierten Kontrollrat die ersten Rundfunklizenzen vergeben. Die Programme waren auch nach Gründung der BRD von entsprechenden Kontrollgremien zensiert, dadurch eher unkritisch und sehr einfach struktruriert. Das änderte sich zwar mit der Zeit, jedoch verblieb bis zum Zusammenbruch der östlichen Polit-Hemisphäre eine faktische Einflussnahme auf die Programmrichtungen.
Im Zuge des so genannten Kalten Krieges, verstärkt nach dem Mauerbau 1963, enstanden neben den öffentlich-rechtlichen Anstalten auch spezielle Sender, die politisch stark eingefärbt, von der BRD aus, ihre Programme in diversen Landessprachen in Richtung costumer, Lyrics Osten ausstrahlten. Hierzu gehörte einst der Deutschlandfunk und die Deutsche Welle. Mit systemkritischen Berichten und offener Unterstützung für die Opposition den den sozialistischen Ländern, insbesondere der DDR, zogen diese Häuser gegen den Ostblock zu Felde.
Vorallen Dingen während der Restaurationzeit, der Adenauer/Erhard/Kiesinger-Ära verbreiteten jene Rundfunkanstalten offen Hetze in ihren Wortbeiträgen. Mit Vokabular, wie " die sowjetisch besetzte Zone, die Ostzone, die SBZ, die so genannte DDR, die Kalten Krieger oder die Kriegs - und Aufrüstungsnomenklatura " predigten sie permanent, wie schlecht das dortige System und wie gut das Eigene sei.

Aber auch die Ostblockstaaten, vornehmlich die DDR unterhielt Propagandasender. Die zwei meist gehörten, weil in fast allen Winkeln der BRD zu empfangen, waren der Deutsche Soldatensender DSS), der auf Mittelwelle(MW) mit der Frequenz 935 sendete. Ein weiterer war der Deutsche Freiheitssender 904 ( DFS), der ebenfalls auf MW mit der Frequenz 904 sein Programm ausstrahlte.
Der DSS, hielt seinen Betrieb von Oktober 1960 - Juni 1972 aufrecht, der DFS von August 1956 - September 1971. Obwohl beide Sender den Hörer suggerierten, dass es sich um Piratensender handele, so war völlig klar, es waren Hörfunkprogramme, die von der DDR zu Propagandazwecken betrieben wurden.

Immerhin spielten jene Sender bereits in der Mitte der 1960er Jahre populäre Musik, die in den BRD-Anstalten noch verschmäht wurde. Wenngleich die eindeutig propagandistischen Berichte und entsprechend einseitig gefärbte Meldungen jedem halbwegs politische Interessiert sehr schnell auffielen, so waren die beiden Programme bei den Jugendlichen in der BRD sehr geliebt - weil sie eben Pop - und Beatmusik brachten.
Regelmäßig nahm ich kurz vor den Sendezeiten um 06:15 Uhr bis 07:00 Uhr, 12:30 Uhr bis 14:00 Uhr, 18:00 Uhr bis 19:30 Uhr und 22:30 Uhr bis 24:00 Uhr täglich das ITT Schaub -Lorenz - Kofferradio und experimentierte an den Knöpfen zwecks Frequenzsuche herum. Meistens rauschte es bei ungünstige Wetterlage im Hintergrund. Dennoch hate der Empfang und das Zuhören einen Hauch von Abendteuer, von Illegalem in einer fest eingeengten Umwelt und einem normierten Tagesablauf.

An ihrem 15. Geburtstag am 12. Dezember 1970 ließ ich denn, damals mit 17 Jahren noch sehr naiv, meine Schwester mit einem Musikwunsch von Marsha Hunt " Keep the costumer satisfied " grüssen. Der Titel ist eine Adaption des Hits von Simon & Grafunkel und war eine riesen Erfolg für die farbige US-Amerikanerin und Soulsängerin:


Gee but its great to be back home
Home is where I want to be.
Ive been on the road so long my friend,
And if you came along
I know you couldnt disagree.

Chorus
Its the same old story
Everywhere I go,
I get slandered,
Libeled,
I hear words I never heard
In the bible
And Im on step ahead of the shoe shine
Two steps away from the county line
Just trying to keep my customers satisfied,
Satisfied.

Deputy sheriff said to me
Tell me what you come here for, boy.
You better get your bags and flee.
Youre in trouble boy,
And youre heading into more.

Chorus

Herrlich!

Hätte ich allerdings gewusst, was sich hinter der Piratenfassade des DSS tatsächlich verbirgt, so wäre ich einst mit argen Zweifeln an jene Aktion heran gegangen. Denn: Kaum war das Frühprogramm des DSS beendet, ich auf meiner Lehrstelle mit dem Bus angekommen, sprach mich eine etwas ältere Auszubildende direkt auf jenen Musikwunsch an:
" Hast du heute Morgen deine Schwester über den Deutschen Soldatensender grüssen lassen? "

Ja, ich hatte!

Welche Konsequenzen jene Aktion nach sich gezogen hat, vermag ich bis heute nicht zu überschauen. Vielleicht hat der DSS die Adressse und weitere Informationen über mich an die Staatssicherheit der DDR weiter geleitet. Vielleicht, aber nur!

Die Zeiten änderten sich, der Kalte Krieg wurde durch die Ostpolitik meines einstigen Vorbilds Willy Brandt entschärft, es folgte ein politischer Frühling, eine Entspannung der kriegstreibenden Lager.
Es kam damit, wie es kommen musste, nach dem DSF, der ja 1971 bereits aufgegeben wurde, stellte auch der DSS ein Jahr später seine Sendetätigkeit ein. Hierzu heisst es:

Der Sender teilte sich mit dem Deutsche Freiheitssender 904 bis dessen Einstellung am 30. September 1971 einen 250-kW-Mittelwellensender in der Umgebung von Burg bei Magdeburg. Beide sendeten daher niemals gleichzeitig. Wegen der notwendigen Frequenzumstimmarbeiten von 904 kHz zu 935 kHz und zurück differierten Sendeende- und Sendestart der beiden Sender in der Regel um 15 Minuten.

Die alleinige Nutzung des Mittelwellensenders wegen der Einstellung des DFS ermöglichte es dem DSS, ab dem 1. Januar 1972 ein neues Programm zu neuen Sendezeiten auszustrahlen. Diese waren täglich jeweils von 06:15 Uhr bis 07:00 Uhr, 12:30 Uhr bis 14:00 Uhr, 18:00 Uhr bis 19:30 Uhr und 22:30 Uhr bis 24:00 Uhr.

Der Vor- und Abspann waren zu jeder Sendung gleich: „bum, bum, bum – Deutscher Soldatensender – Mittelwelle 935 kHz – Wir melden uns täglich 06:15 Uhr, 12:30 Uhr, 18:00 Uhr und 22:30 Uhr – bum, bum, bum ...“

Auch der Inhalt der Sendungen wich kaum voneinander ab, z.B. am Samstag das 18:00-Uhr-Magazin: Informationen für den Bund, 18:10 Uhr und 19:20 Uhr, weiter mit dem Abendkommentar und 2 Minuten Berichte gemixt mit Musik, Grüßen, Federkrieg und flotten Sprüchen.

In der Zeit von 18:50 Uhr bis 19:10 Uhr lief eine Hitparade oder das Starporträt.

So bleiben damit schöne Erinnerungen, die nach 37 Jahren eigentlich nie richtig verblasst sind. Es war eine aufregende Zeit, wenn ich die vielen Knöpfe des Kofferradios malträtierte, um endlich leise und zu Beginn unter der Bettdecke der Beatmusik lauschte, die Wutanfälle, wenn das Programm wegen ungünstiger Wetterlage wieder wegrauschte und das Notieren von Titeln, die damals gespielt wurden, deren Text ich zwar aufgrund der nur schwachen Englischkenntnisse nie so richtig verstand, ich dennoch mitsingen konnte.

Die Zeit zog vorbei. Mit dem Aussortieren des Oldies ITT Schaub-Lorenz, stand eines Tages ein Telefunken Bajazzo TS Transistorradio auf der Küchenarbeitsplatte - direkt vor dem Fenster zum Hof und Garten. Es war mit einer hypermodernen Radio Luxemburg - Taste ausgestattet und ermöglichte sogar einen kristall-klaren UKW-Empfang. Jenes Empfangsband also, dass sukzessive erweitert wurde. Damit konnte ich den über den Großsender Langenberg auf der Frequenz 96.4 und von Minden/ Porta-Westfalica wohl verstärkte Empfang optimal nutzen. BFBS I. war Kult. Vorallem, weil das Prgramm nur englisch-sprachige Musik, ohne Werbung, und lange Wortbeiträge, nur unterbrochen von den Nachrichtensendungen brachte. In den 1970er bedeutete das, sehr viel Rock und Hardrock; insbesondere am Samstagvormittag von 10.-12.00 Uhr. BFBS wurde für die britischen Streitkräfte unterhalten, die vorallem im rheinisch-westfälischen Bereich stationiert waren.
Inzwischen hat der Sender ein anderen Anstrich erhalten. Es werden fast nur noch Musikstücke aus den 1980er beginnend gedudelt. Na, ja, ich werde eben auch nicht jünger und die Folgegenerationen haben auch einen Anspruch auf ihre Musik.

Dann fällt mir noch AFN ein. Der amerikanische Soldatensender. Damals habe ich ihn regelmäßig in Wilhelmshaven über MW gehört. AFN brachte vorallem Rock - und Popmusik aus den 1960er - 1970er Jahren. Besonders die Woodstock-Ära wurde hier favorisiert. Ab Mitternacht lief ein Programm bis in die frühen Morgenstunden innerhalb dessen sogar Titel mit Überlänge ihren Platz fanden. Einst, 1978/1979 hörte ich dort zum ersten Mal Johnny Winterś " Highwy 61 revisted " in der Live-Version. Als ich dann nach Bremen zog war natürlich AFN - Bremerhaven und der AFN-Sender in Osterholz-Scharbeck / Garlstedt, wo eine große amerikanische Truppenkonzentration für die Errichtung eiens eigenen Soldatensenders sorgte. AFN konnte ich allerdings nur über MW empfangen, so dass der Empfang manchmal zu wünschen übrig ließ.
Trotzdem spielte ich sehr oft an meinem Tuner herum, damit ich den Sender richtig einstellen konnte. Als ich ab Sommer 1982 auf einem Resthof bei einem Bremer Orthopäden jobbte, konnte ich AFN sogar über UKW klar hören. Der Sender lief dabei den ganzen Tag, denn er brachte eben Musik aus den guten alten Jahren, den 1960er und 1970er eben!

Soldatensender gehörten einst zu meinem Leben dazu, wie die Musik auch, denn sie verhalfen mir mit ihren unzähligen Titeln, den vielen Programmen, irgendwie die Zeit besser zu überbrücken - selbst bei den Examensarbeiten.

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