Was passierte in all den Jahren?
Jenes Staates also, der vor ca. 20 Jahren unterging. Obwohl das Wetter eben nicht einladend war, hatte ich meine Digitalkamera eingesteckt, um einige Bilder von diesem Gebäude zu machen.
Vielleicht war es die Neugierde, die mich dazu bewog,
ein paar Fotos zu knipsen, denn ansehnlich ist diese Ruine nicht.
Die Vergänglichkeit jener einstiegen menschlichen Behausung wird auch hier in allen Facetten deutlich.
Neben verrotteten Fassaden, eingeworfenen Fensterscheiben und Müll, hat sich die Natur sukzessive von der einstigen bebauten Fläche große Teile zurück geholt.
Hier wuchern Pflanzen, die auf anderen Grundstücken systematisch als Unkraut vernichtete werden. Ein El Dora für Vögel und Kleinstlebewesen, wohl auch für Mäuse und Ratten.
Einst müssen in jenem Gebäude mehrere Mietparteien gewohnt haben. Einst war auch die Wohnungsnot groß, in dem sozialistischen deutschen Staat, der sich Deutsche Demokratische Republik nannte, der Arbeiter - und Bauernstaat, in dem die SED mit ihrem Personenkult 40 Jahre lang regierte und das knapp 18 Millionen Volk unterdrückte.
Würde sich ein Investor finden, hatte dieses Objekt durchaus Chancen saniert werden zu können. Dazu bedarf es jedoch eines Konzepts. Wie soll ein so großen Haus bewirtschaftete werden? Sollen dort Geschäftsräume, Büros oder nur Wohnungen entstehen?
Erst wenn ein potentieller Investor diese Fragen schlüssig beantworten kann, hat er eine Chance, die erforderlichen Geldmittel hierfür zu erhalten.
In den Zeiten der Wirtschafts - und Finanzkrise wird es immer schwieriger, eine Bank von der Tragfähigkeit eines Konzepts zu überzeugen. Die Geldhäuser sind vorsichtiger geworden. Nach den Jahren der grenzenlosen Gier, die ihnen zu noch mehr Geld, Macht und Ansehen verhelfen sollte, werden nunmehr kleinere Brötchen gebacken. Wer erst kürzlich vor dem Abgrund stand und sich nur mittels fremder - in jenen Fällen staatlicher - Hilfe aus dieser prekären Situation befreien konnte, der geht nicht gleich wieder zur Tagesordnung über.
Aber selbst wenn finanzielle Mittel zur Sanierung zur Verfügung stünden, stellt sich die Frage, ob danach überhaupt Mieter bereit sind, viel Geld für eine Wohnung oder Büroräume auszugeben. Der Markt hat einen Angebotsüberhang zu verzeichnen. Und dieses bereits seit vielen Jahren.
So haben viele Städte, Landkreise und Regionen mit einem Einwohnerschwund zu kämpfen. Oft bedingt durch den wirtschaftlichen Strukturwandel, durch Krisen in bestimmten Branchen oder lokale Veränderungen verbunden mit sich wandelnden Lebengewohnheiten, Lebensinhalten oder der profanen Mode, entsteht ein neuer Zeitgeist. So wie einst, mit dem " winds of change ", der den einstigen Ostblock ab 1989 erfasste und zu einer radikalen Zesur führte, einer Kehrtwende, einem Einläuten einer neuen Ära. Was zuvor noch Gültigkeit hatte, war plötzlich ungültig; was damals unmöglich war, wurde schon bald ermöglicht; was einst als bewohnbar galt, gelangte schnell in die Kategorie der Unbewohnbarkeit. Ganze Häuser standen bald leer, ganze Straßenzüge blieben menschenleer und ganze Stadtteile verloren zusehends Einwohner.
Der Wandel der Zeit machte nirgendwo Halt. Er zerschlug nicht nur Jahrzehnte lang aufgebaute Strukturen. Er vernichtete Arbeitsplätze, Existenzen, Menschen und baute neue wieder auf. So, wie er eben jenes Haus in der Bünaustraße seit vielen Jahren brach stehen lässt. Unbeachtet, ungeklärt und unverstanden von den Menschen der Großstadt. Wo zu DDR-Zeiten noch das Leben pulsierte, war bereits einige Jahre nach der Wende die viel besagte Ödnis.
Menschen verließen jene Orte,um woanders ihr Glück zu versuchen. Wo zuvor die Pampa vorherrschte, entstand eine pulsierende Region. Wandel bedeutet eben immer auch eine Chance zum Neuanfang; das Alte ablegen, verändern oder vergessen.
" winds of change " die Nationalhymne der Nachwendezeit, jener wilden Jahre, innerhalb derer Glück und Unglück, Wohlstand und Armut oder Modernität mit Althergebrachten so eng beieinander lagen, dass es manchmal nur eines kurzen Zeitraumes bedurfte, um zu erkennen, wohin der Weg führt.
Für viele im wiedervereinigten
Deutschland bedeutete dieser
politische und ökonomische
Prozess einen Neubeginn. Ebenso viele hatten aber auch mit dem sozialen Abstieg zu kämpfen, mit dem Verlust an Reputation und Besitzstand.
In dem Film " Die Unberührbare " aus dem Jahr 2000 schlüpft die exzellente Hannelore Elsner in die Rolle einer Nachwendverliererin, die den wandelnden Zeitgeist in aller Härte ertragen muss, der sie schlussendlich in den Tod
treibt. Ein Lehrstück aus jenen Nachwendejahren, dass bis heute nicht an Aktualität verloren hat.
Als im November 1989 die Berliner Mauer eingerissen wird, jubeln die Menschen (Wiedervereinigung). Hanna Flanders (Hannelore Elsner) sitzt vor dem Fernsehapparat, hält mit zittrigen Fingern zwei brennende Zigaretten, telefoniert mit einem Mann und denkt an Selbstmord. Für sie bricht eine Welt zusammen. |
Filmkritik: Ich habe nicht versucht, in "Die Unberührbare" ein Mutter-Trauma zu bewältigen. Ich wollte einen Menschen in einer Umbruchzeit zeigen, wie das zum Beispiel Georg Büchner in seinem "Lenz" getan hat. Ich wollte von jemandem erzählen, der in den letzten Tagen seines Lebens auf Leute aus seiner Vergangenheit trifft und bei jeder Begegnung prüft, ob es sich für ihn lohnt weiterzuleben. (Oskar Roehler in "Süddeutsche Zeitung", 20. April 2000) In "Die Riesenzwerge" (1964) entlarvte Gisela Elsner spießige Denk- und Verhaltensmechanismen. Damals wurde die attraktive, mediengewandte und fantasievolle Schriftstellerin gefeiert. Es passte in die Zeit, dass sie behauptete, man könne in der Bundesrepublik Deutschland nicht leben, eine politisch-gesellschaftliche Erneuerung sei deshalb erforderlich. Aber in den Achtzigerjahren war sie in der DDR populärer als im Westen. Der Rowohlt-Verlag trennte sich 1987 von ihr. Am 12. Mai 1992 brach sie in München auf der Straße zusammen und wurde in ein Krankenhaus eingeliefert. Nach dem Abendessen stieg sie aus dem Fenster der Stationstoilette und sprang vom vierten Stock in den Innenhof des Krankenhauses. |
So stellt er - eher zwiedeutig - fest:
Wie du doch das Treiben satt hast!
Immer wirft dich diese Flut
an ein unbekanntes Ufer,
und dir fehlt schon lang der Mut,
neuen Küsten zu begegnen.
Du bist müde, gräbst dich ein
und beschließt für alle Zeiten,
nie mehr heimatlos zu sein.
Und das nennt sich dann erwachsen
oder einfach Realist.
Viele Worte, zu umschreiben,
daß man feig geworden ist.
Was passierte in den Jahren,
wohin hast du sie verschenkt?
Meistens hast du doch am Tresen
das Geschick der Welt gelenkt.
Und die fiel nicht aus den Angeln,
höchstens du fielst manchmal um,
und für die, die du bekämpft hast,
machst du jetzt den Buckel krumm.
Auch du wolltest wie die andern
fest in einem Weltbild stehn.
Statt die Ängste zu durchwandern,
übst du, sie zu übersehn.
Manchmal jagst du für Sekunden
deinen Zweifeln hinterher,
doch aus Sorge um die Wunden
bleibst du lieber ungefähr.
Und dann triffst du noch die Kämpfer
aus der guten alten Zeit,
fesche Jungs mit drallen Frauen,
und ihr lächelt alle breit.
Was passierte in den Jahren,
wohin hast du sie verschenkt?
Meistens hast du doch am Tresen
das Geschick der Welt gelenkt.
Und die fiel nicht aus den Angeln,
höchstens du fielst manchmal um,
und für die, die du bekämpft hast,
machst du jetzt den Buckel krumm.
Und ich frag mich, ob ich wirklich
so viel anders bin als du.
Zwar, ich kleide meine Zweifel
in Gedichte ab und zu,
das verschafft paar ruhige Stunden,
eigentlich ist nichts geschehn.
Ach, es gibt so viele Schliche,
um sich selbst zu hintergehn.
Doch da muß jetzt was passieren,
zuviel Zeit ist schon verschenkt,
und es wird von den Erstarrten
das Geschick der Welt gelenkt.
Und die fällt bald aus den Angeln.
Komm, wir gehen mit der Flut
und verwandeln mit den Wellen
unsre Angst in neuen Mut.
Ein weiteres Lied, in dem er sich mit den Nachwendejahren befasst, heisst: " Stürmische Zeiten, mein Schatz " und bringt eine sowohl, als auch, Quintessenz herüber:
Stürmische Zeiten, mein Schatz, Hochzeit der Falken.
Rund um die Insel unserer Liebe giftet ein Sturm.
Lieder und Verse sind am Verkalken,
die Hunde winseln, Seher fallen vom Turm.
Die Minister scharwenzeln verschleimt um die möglichen Sieger,
die Bürger fordern Ordnung und Zucht,
denn Schuld sind wie immer die andern,
die Überflieger
ergreifen auf ihren Mantras schwebend die Flucht.
Unruhige Zeiten, mein Schatz,
wo doch alles so klar war,
vierzig Jahre geregeltes Sein,
wo nach außen fast jeder Fürst oder Zar war
und jetzt bricht dieses Weltbildgebäude so kläglich ein.
Ach, wer auf Häuser baut, den schreckt jedes Beben,
wer sich den Banken verschreibt,
den versklavt ihre Macht.
Wer seinem Staat vertraut, der muß damit leben,
daß was heute noch Recht ist oft Unrecht wird über Nacht.
Aber dennoch nicht verzagen,
widerstehn.
Leben ist Brücken schlagen
über Ströme, die vergehn.
Leben ist Brücken schlagen
über Ströme, die vergehn.
Stürmische Zeiten, mein Schatz,
doch oft tragen die Stürme
Botschaften ferner Himmel in unsere Welt,
und es ist immer der Hochmut der prächtigsten Türme,
der allen voran in Staub und Asche zerfällt.
Es scheint fast, als drehte die Erde sich
ein wenig schneller,
die Starrköpfigsten schielen wieder mal auf den Thron.
Jetzt rächen sich wohl die zu lange zu vollen Teller
und manchem bleibt nur noch der Schlaf
und die Träume des Mohn.
Unruhige Zeiten, mein Schatz. Gut, daß fast immer
unsere Liebe in wilder Bewegung war,
mal ein Palast, oft nur ein schäbiges Zimmer,
schmerzvoll lebendig, doch immer wunderbar.
Ach, wer auf Häuser baut,
den schreckt jedes Beben,
wer sich den Banken verschreibt,
den versklavt ihre Macht.
Wer seinem Staat vertraut, der muß damit leben,
daß was heute noch Recht ist, oft Unrecht wird über Nacht.
Aber dennoch nicht verzagen,
überstehn.
Leben heißt Brücken schlagen
über Ströme, die vergehn.
Leben heißt Brücken schlagen
über Ströme, die vergehn.
Dennoch nicht verzagen,
einfach überstehn.
Leben heißt Brücken schlagen
über Ströme, die vergehn.
Leben heißt Brücken schlagen
über Ströme, die vergehn.
Es gibt weitere, unzählige Beispiele dafür, dass die Wende sich nicht nur in schwarz-weiß, Gewinner oder Verlierer, jung und alt, aufteilen lässt. Eine reine Katalogisierung wäre viel zu einfach. Sie sollte eher als Chance eines Wechsels betrachtet werden, der die Welt, der Europa und Deutschland in eine weniger militarisierte Zukunft entlässt. Vielleicht, vielleicht aber auch nicht?
Wind Of Change
Follow the Moskwa
Down to Gorky Park
Listening to the wind of change
An August summer night
Soldiers passing by
Listening to the wind of change
The world is closing in
Did you ever think
That we could be so close, like brothers
The future's in the air
Can feel it everywhere
Blowing with the wind of change
Take me to the magic of the moment
On a glory night
Where the children of tomorrow dream away
In the wind of change
Walking down the street
Distant memories
Are buried in the past, forever
I follow the Moskwa
Down to Gorky Park
Listening to the wind of change
Take me to the magic of the moment
On a glory night
Where the children of tomorrow share their dreams
With you and me
Take me to the magic of the moment
On a glory night
Where the children of tomorrow dream away
In the wind of change
The wind of change
Blows straight into the face of time
Like a storm wind that will ring the freedom bell
For peace of mind
Let your balalaika sing
What my guitar wants to say
Take me to the magic of the moment
On a glory night
Where the children of tomorrow share their dreams
With you and me
Take me to the magic of the moment
On a glory night
Where the children of tomorrow dream away
In the wind of change
Als Klaus Meine und seine Scorpions diesen Titel im November 1989 aufgrund der Veränderungen in der Sowjetunion schriebn, war es eine Hommage an Michael Gorbashow, der mit seiner Politik von " Perestroika " und " Glasnost " die Weichen für die Beendigung des Kalten Krieges stellte. Dass 1990 jener Song auch die Deutsche Wiedervereinigung begleitete, war zwar so nicht gewollt, weil auch nicht erkennbar, jedoch traf dieses Lied eben den einstigen Zeitgeist.
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