Geheimauftrag für John Drake,die Unbestechlichen und Gerry Cotton: Die Fernseh-Leitkultur der 60er Jahre.





Am Anfang war das Ton, dann das Bild und danach Gerry Cotton. Wer - so wie ich - seine Teenagerzeit in den piefig - miefigen 60er Jahren erleben musste, der kam - nachdem irgendwann ein monströses Schwarz-Weiß-Fernsehgerät in der " Guten Stube " stand und dort ab 16.00 Uhr bis allenfalls 22.45 Uhr seine laufenden Bilder in eben jene hinein flimmern ließ - um bestimmte Namen, Darsteller und Fernsehsendungen nicht herum.

Es waren überwiegend US-Serien, die ordentlich synchronisiert den bundesdeutschen Bierdermichel zu erreichen versuchten. Die Inhalte dieser Folgen waren nahezu identisch: Das Gute kämpfte mit Colt, Revolver und einem noch längeren Schießprügel, gegen das Böse. Wenn es keine hauseigenen Verbrecher waren,dann kamen sie meistens aus der verhassten Sowjetunion oder - das allerdings wesentlich später - aus dem All.

Die US-Helden trugen damals feinen Zwirn, fuhren Ford, Cadillac oder Buick und kreuzten mit jenen Blech - und  Straßenmonstren quer durch die großen Städte der USA, die - natürlich - über ein gigantisches Asphaltsystem verfügten ( damals jedoch noch ohne die Millionen an Schlaglöchern ). Mit oder ohne Warnrundumleuchte und Sirene, aber dafür permanent die Geschwindigkeitsbegrenzungen missachtet rasten sie auf der Jagd nach Gangster-Karossen in enge Gassen, über breite Freeways und endlose Highways.

Zu den Helden von einst gehörte auch George Nader. Ein im Jahre 1921 geborener, gut aussehender und mit Langzeitlächeln bestückter Mittvierziger, der den Roman - und  Comicprotagonisten Jerry Cotton mimte. Und zwar so glaubhaft, dass er dafür von der Teenager-Postille " BRAVO " den silbernene und bronzenen " OTTO " erhielt.
Der gute Jerry Cotton verfolgte die Gesetzesbrecher mit eisernem Willen und ab und zu mit Intelligenz. Hierfür benötigte er einen Colt, einen Ford 20M in Sondermodellform und eben ein wenig Hirnschmalz.
George Nader fuhr bis zum Ende der 60er in den Cotton-Filmen, die im Vorabendprogramm des Ersten liefen,nicht nur wegen seiner persönlichen Grundeinstellung zum US-Begriff " Law & Order " mit seinem chicen Ford Taunus 20 M herum, nein, er wollte auch den - zumeist gefärbten - Blondinen, die ständig enge Kostüme, hohe Stöckelschuhe trugen und dazu eine exorbitante Oberweite von Triple-D zur Schau stellten, so richtig imponieren.
Das Dumme war nur: George Nader war schwul! Das passte natürlich nicht ins US-Saubermann-Kino oder ins US-Spießer-Fernsehen.

Erst viele Jahre nach seinem " Coming Out " berichteten auch die US-Medien von der ausgelebte Homosexualität des einstigen Detektiv-Sunnyboys aus dem westlichen US-Bundesstaat Kalifornien. Da war Nader längst kein Jerry Cotton mehr und der Cowboy " Ronny " Ronald Reagan am Steuer. Der schwule Nader erhielt - vermutlich deswegen  - keine Rollen und starb im Jahre 2002 in der Nähe von L.A. - zwar nicht verarmt, aber völlig in Vergessenheit geraten.


http://de.wikipedia.org/wiki/George_Nader


Eine weitere Spezies aus der US- Fernsehhelden -Trickkiste waren die " Unbestechlichen ". Ein Septett, dass mit wilden Prügel - und Schießorgien alle Art von Verbrechen aufdeckte, die dazu gehörigen Verbrecher jagte und sie für ihre Missetaten in einer Art Selbstjustiz sie  mittels vieler " Blauen Bohnen "bestrafte und sie postum als Serienverbrecher entlarvte.
Das Schema dieser Serie war ebenfalls denkbar einfach gestrickt:

" Der FBI-Agent Eliot Ness (Robert Stack) hat eine Spezialeinheit gegründet, um das im Chicago der 30er Jahre tobende Verbrechen rigoros zu bekämpfen. Hart, kompromiss- und humorlos geht er auf die Gangster los - oft im Wortsinn. Sein Team besteht aus den unbestechlichen Agenten Martin Flaherty (Jerry Paris), William Youngfellow (Abel Fernandez), Enrico Rossi (Nicholas Georgiade), Cam Allison (Anthony George), Lee Hobson (Paul Picerni) und Rossman (Steve London). Bevorzugte Ziele der Verbrecherjagd sind die großen Paten Al Capone (Neville Brand) und Frank Nitti (Bruce Gordon).

Neben den Darstellern gab es einen Off-Erzähler, der in die Geschichten einführte. Die Grundidee der Serie basierte auf wahren Begebenheiten: Die Figur des Eliot Ness ist historisch, er hatte 1931 Al Capone verhaftet. Die einzelnen Episoden wurden jedoch stark ausgeschmückt, frei erdichtet oder zusammengepuzzelt: Während es zwar sowohl Ness als auch viele der gezeigten Ganoven tatsächlich gab, waren sie sich im wirklichen Leben nie begegnet. In Wahrheit löste Ness seine Truppe auf, nachdem Capone geschnappt war, die Fernsehserie fing an dieser Stelle gerade erst an. Sie geriet wegen der Verschiebung von Fakten, aber vor allem wegen ihrer Brutalität heftig in die Kritik. Überall lagen durchlöcherte, blutverschmierte Leichen herum, und die Spezialeinheit fand ihre Schusswaffen einfach praktischer als Handschellen. Ihr gezielter Einsatz verhinderte zudem lästige Verhöre. "

Was da bereits in den frühen 60er Jahren an Brutalität in den Frühabendprogrammen angeboten wurde, war - immerhin hatte das Adenauer-Katholiken-Klüngel-Kartell das Erste wegen angeblich einseitiger Parteinahme zugunsten der Opposition schon längst auf dem Kieker und als Bestrafung hierfür das Zweite Deutsche Fernsehen einführen lassen - wurde auch den Kirchenmitglieder im ständigen Programmrat dieser öffentlich rechtlichen Fernsehanstalt durch gewunken.
Nun, " Die Unbestechlichen " blieben es auch. Trotz vieler Versuche, der in den USA der 30er Jahre wie Hausschwamm agierenden italienischen Mafia-Bosse, die Herren mit Maschinenpistole, Magnum-Knarre und Schrotgewehr zu bestechen.

Da die öden Baller-Szenen irgendwann auch dem letzten Waffennarr in dem BRD-Pantoffelkino zu langweilig wurden, sank die Einschaltquote der Serien von Woche zu Woche.
Vielleicht waren es die Phantasien der US-Filmemacher, die um Lichtjahre an der in den 30er Jahren existierenden Realität vorbei liefen,die schließlich zur Einstellung der Serie führten.

http://www.fernsehserien.de/index.php?serie=7106&seite=12
Den Super-Agenten Eliot Ness hat es ja nun schon einmal gegeben.

http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Unbestechlichen_%28Prohibition%29



Ein dritter Superheld war einst Patrick McGoohan, der den Geheimagenten " John Drake " mimen durfte. McGoohan war US-Amerikaner und spielte dennoch in der ersten Staffel einen für den britischen Geheimdienst MI5 tätigen Agenten, der dem Bösen nicht nur auf der Insel auf der Spur war. Das Schlechte, dass die anglo-amerikanische Welt aus den Angeln heben wollte, kam natürlich aus der UdSSR und ihren willfährigen  Satellitenstaaten.


http://de.wikipedia.org/wiki/Geheimauftrag_f%C3%BCr_John_Drake

John Drake war nicht der Superagent seiner Majestät, wie er von dem glänzenden Schauspieler Sean Connery in den frühen 60er Jahren in die freien Kinos der freien Welt Westeuropas und der USA eingespielt wurde, er war auch kein 007-Verschnitt, er verkörperte eher den rationalen, den buchhalterischen Anti-Kommunisten. Im geleckten Outfit, mit guten Manieren und einem ständigen Gehalt aus der Staatskasse, kurvte er in den Ländern der europäischen Hemispähre mit einem sportlich akzentuierten Personenkraftwagen herum. Was ihn von den sonstigen Helden gegen die untauglichen Versuche des Warschauer Pakts, sich zunächst Europa, dann England und schließlich die USA einzuverleiben, unterschied, war so sympathisch, wie auch unheroisch: Er hatte kein Schießeisen!

http://de.wikipedia.org/wiki/Geheimauftrag_f%C3%BCr_John_Drake

McGoohan, 1928 in den USA geboren erhielt aber mehr Bekanntheit über die englischen Filmmedien. So spielte er nach dem John Drake - Intermezzo auch die Hauptrolle in Nr. 6 - einer de facto Fortsetzung der " Geheimauftrag für John Drake - Staffeln - , eine der Hauptrollen in dem Kinofilm Eisstation Zebra und in " Bravehart ". Weiterhin war er sowohl als Regisseur und auch als Produzent zahlreicher Filme verantwortlich.
McGooham starb im Januar 2009, kurz vor seinem 81. Geburtstag in den USA.


http://de.wikipedia.org/wiki/Patrick_McGoohan

Die drei Fernsehserien waren einst Sinnbild für die permanente Sinnkrise der Öffentlich Rechtlichen in Westdeutschland. Das BRD-Fernsehen musste sich  - schon allein aufgrund der nur beschränkten Kompetenzen seiner Gremien - einen pro-amerikanischen Anstrich verpassen. Da machte es natürlich viel her, wenn die US-Serien einfach synchronisiiert und Zeit versetzt dem Gebühren zahlenden Zuschauer serviert werden konnten, zumal dieses wesentlich kostengünstiger waren, als Eigenproduktionen. Die gab es allerdings auchsolche, die  durchaus erfolgreich liefen, wie zum Beispiel " Das Kriminalmuseum ", " Der Bastian " oder " Familie Schölermann "," Die Unverbesserlich /Familie Hesselbach " oder  " Ein Herz und eine Seele " und  " Der Kommissar "," Stahlnetz ", " Tatort ", Kommissar Freytag ", Gestatten, mein Name ist Cox!", Hafenpolizei ", " Funkstreife Isar 12 " oder " Fernfahrer ".

Aus der Unzahl von Serien der 60er Jahren überwiegen aber die US-Produktionen.

http://www.tvder60er.de/tvserien.html

Und während ich die Liste langsam herunter scrolle, kommen mir einige Gedanken an jene " heile Welt " - Zeit in der Provinz. Als neben der Aue, den Feldern, Wiesen und dem Schulhof,dem Hof im elterlichen Grundstück und den Nachbarshöfen, nur noch die " Flimmerkiste " eine gewisse, wenn auch begrenzte Abwechselung erbrachten.
Bei dem Lesen der vielen Titel, stellen sich aber auch die Personen aus dem Gedächtnis wieder ein; längst dorthin abgelegt, vielfach auch vergessen oder bei Zeiten ignoriert:

" Abenteuer unter Wasser " mit dem Taucher Mike Nelson.

" Am Fuß der Blauen Berge " mit den beiden Cowboys Slim Sherman und
   Jesse Harper.


" Bronco " der einsame Südstaatenkämpfer.

" Bonanza " die Cartwrights, Ben, " Pa'", Adam , Hoss " Little Joe " und der
  chinesische Koch Hob Sing.

" Texas Ranger " eine strenge Gruppe von Cowboys in Uniform.

" Union Pacific " aus den Gründerzeiten des transkontinentalen  US -
   Eisenbahnbaus.  

" Auf der Flucht " mit Dr. Richard Kimble als unschuldig Verfolgter.

" Lassie " der intelligente Collie-Rüde.

" Fury "  der nicht minder schlaue Rapphengst.

" Flipper " der eingesperrte Super-Delphin.

" Bezaubernede Jeannie " ein hervor gerufener weiblicher Flaschengeist
   gegen die Militärhierarchie und ihren Master.

" Daktarie " eine afrikanische Tierstation mit einem hilfreichen US-Tierdoktor.





" Der Mann ohne Colt " ein Western ohne bewaffneten Held.

" FBI " die stahlharten Gangster-Jäger gebrauchen den Colt hier ständig.

Usw., usf. hunderte von Serien mit tausenden an Folgen und zehntausenden an Schauspielern oder Schauspielerinnen, die damals noch in der deutlichen Minorität waren. Ebenso viele Namen in immer den gleichen Handlungssträngen. Das war US-Indoktrination vom Feinsten. Als Kind, als Schüler, als Jugendlicher habe ich es jedoch nie so empfunden. Für mich existierten diese vermeintlichen Helden alle Male. Ihr täglicher, ihr einsam geführter, ihr unentgeltlicher Kampf gegen das Böse ( natürlich aus dem Osten, die Indianer und geheime Mächte ) war ein Vorbild in jener Zeit, als die Bilder schwarz-weiß gesendet wurden und ein Mann noch ein Mann darstellte.

Fernsehkultur in den 60ern, das war normiertes Leben in einer normierten Gesellschaft der Nach-WiWu-Jahre mit Nierentisch, Tütenlampe und Teeservice in goldfarbenen Plastik-Outfit. Das war Steinzeitpädagogik und Unterdrückung der Aussätzigen sowie deren Bestrafung im cineastischen Umfeld. Das war bieder, blöd und bräsig -BRD eben!

Kommentare

Octapolis hat gesagt…
Was heißt schon BRDmäßig blöd? Du ahnst nicht, was für Zeug auf dieser Seite des Zaunes lief, hehe... Obwohl Curro Jiménez schon cool war.

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