Kölner Katzenfutter


Als am vergangenen Samstag der letzte BL - Spieltag der Saison 2016 / 2017 beendet war: als damit feststand, dass der 1. FC Köln nach vielen Jahren sich wieder im europäischen Wettbewerb, nämlich der UEFA Euro League, versuchen wird, rasteten in der ausverkauften Arena, der Millionenstadt am Rhein, eine Vielzahl von Anhängern, völlig aus. Allerdings in friedlicher Weise. Sie schrien ihre Freunde, ihr Glück, ihre Emotionen ungehemmt heraus. Wer nicht gewusst hätte, dass der FC " nur " den 5. Platz von 18 Vereinen belegt hat, hätte bei den gezeigten Bildern, dem Irrglauben unterliegen können, dass der Klub die Deutsche Meisterschaft feiert.

War es  deshalb nur Freude oder auch Frust? Möglicherweise jenes Gefühl, es mit dem heiß geliebten Verein, es den übrigen Ärschen in dieser ungerechten Welt, so richtig gezeigt zu haben? Wie auch immer, in gewisser Weise kamen mir Assoziationen, die in Verbindung mit jener Zeit aus den späten 70er bis Mitte der 80er Jahre, als ich mit meinem R 4 von Bremen nach Köln fuhr, um dort in dem größten Plattengeschäft Europas, bei " Saturn " eine Vielzahl von Vinylscheiben zu kaufen. " Saturn " am Hansaring in Köln legte hierzu immer einen dicken Katalog bereit, den ich - gratis - nach dem Kauf erhielt und natürlich mitnahm.

Das Auto parkte ich zuvor irgendwo in der Kölner Altstadt - Nord; genauer gesagt: In der Bereich von der Weidengasse, der Ritterstraße, der Vogteistraße, der Eintrachtstraße, der Weidengasse oder der Ursulastraße - in einem ungüstigen Fall, sogar bis zum Gereonswall.

Die Altstadt - Nord sah einst völlig anders aus. Es waren viele kleine Häuser; zum Teil mit Fachwerk, ungeputzt mit verwitterten Türen und Fenstern, bröckeligen Fassaden, die seit Jahrzehnten nicht mehr gestrichen waren. An einigen Straßenecken gab es die berühmten Kölner Kneipen, in denen das " Gaffel " - Kölsch ausgeschenkt wurde. Andere zeigten kleine " Tante Emma " - Läden, die neben Alkohol, Zigaretten, Tabak,Brot, Brötchen, ein wenig Obst, jede Menge Konserven anboten. Zumeist auch Fertiggerichte, die einst in der Dose heiß gemacht, dennoch ekelig, weil überwiegend billig zubereitet, schmeckten.

In diesem Mikrokosmos also, stellte ich so ein Mal im halben Jahr meinen französischen " Gartenstuhl " mit 34 PS, knapp unter 1.000 cm³ Hubraum und in marine - blau, ab. Obwohl die Straßen eher herunter gekommen aussahen, wurde das französische Raumwunder dort nicht ein einziges Mal aufgebrochen ( ganz im Gegensatz zu dem Parkplatz am Mensa - Wohnhein der Universität Bremen ). Es waren einfache Menschen, die mir in all den Jahren in jenen Kölner Straßen begegneten. Zumeist ältere Personen, die mit Einkaufsbeuteln vom " Tante - Emma " - Laden an der nächsten Ecke kamen, die ihren kleinen Hund ( Spitz, Dackel, Senf - Hund ) ausführten oder, die die bereits geöffnete Eckkneipe aufsuchten.

Hinter vergilbten Gardinen eines renovierungsbedürftigen Altstadt - Hauses erkannte ich dann und wann einen rauchenden Mann im weißen Unterhemd über dessen Träger sich wiederum Hosenträger legten. Er schaute mir hinterher, als ich aus dem PKW mit dem " SHG " - Kennzeichen, einen grünen Parka und eine blaue Jeans tragend in Richtung des " Saturnrings " schlenderte. Vielleicht zahlte er oder auch andere Bewohner jener alten Häusern in diesen Straßen Kölns genauso viel Miete, wie ich später für die LPs zu berappen hatte, die ich aus dem riesigen Kaufhaus heraus schleppte? Vielleicht musste er weniger für ein Ein - Zimmer - Loch abdrücken, dass er seit vielen, vielen Jahren hier behauste?

Die Bilder kamen jedenfalls aus der Erinnerung zurück, als ich die jubelnden Massen im Kölner Stadion sah. Warum eigentlich? Es hätte eher jener Bericht über die strukturelle Armut in der NRW - Metropole am Rhein sein müssen, den ich einige Jahre danach im WDR - Fernsehen sah. Er behandelte just diesen Stadtteil in Köln. Er berichtete von alten, armen, verarmten Menschen, die mit einer mickrigen Rente auskommen mussten. Auch deshalb, weil sie sich wohl schämten, zum " Amt " zu gehen. Weil sie noch einen Rest von Stolz in sich trugen, der ihnen den Weg in die " Stütze ", die vermeintliche Stigmatisierung durch die Industrie - Leistungsgesellschaft, versagte?

Jene Reportage aus den späten 80er Jahren zeigte, dass es - wie in anderen Städten auch - nicht nur eitel Sonnenschein in Köln gibt. Und ganz besonders in diesem Bericht des Westdeutschen Rundfunk ( WDR ), der zu jener Zeit noch von den schwarzen CDUlern und anderen Reaktionären im bevölkerungsreichsten Bundesland, nicht, wie drei Dekaden danach als " Lügenpresse " verunglimpft wird, sondern einst mit " Rotfunk " beschimpft wurde, blieb mir ein Gespräch des Journalisten mit einem Betreiber eines dieser vormals typischen Kleinläden in Erinnerung. Er berichtete, dass in seinem Geschäft hauptsächlich Konserven mit Katzenfutter gekauft werden. Auch von solchen Kunden, die - nach seinen Erkenntnissen - überhaupt keine Katze halten würden. Erstaunt fragte der WDR - Mitarbeiter nach. Der Geschäftsinhaber erklärte ihm dann, dass die Kunden das Dosenfutter selbst essen würden, weil es zum einen billig, zum anderen auch wohl schmeckend sei. Dann erzählte er, dass er vor einiger Zeit Gulasch aus der Konservendose im Angebot gehabt habe. Dieses sei zwar günstig, jedoch mehr als 50 Pfennig teurer als das Katzenfutter gewesen. Die Stammkunden hätten bei ihm deshalb nur Katzenfutter gekauft.

Danach besuchte das WDR - Team einen jener " Armen " aus Köln - Altstadt / Nord in dessen Unterkunft. Ein winziges Zimmer mit spärlichem Mobiliar und ohne sanitäre Einrichtungen war zu sehen. Das Klo befand sich auf dem Flur und wurde gemeinschaftlich genutzt. In jenem Raum war nur ein Waschbecken mit kaltem und warmen Wasser, dass über einen Durchlauferhitzer, der unterhalb des Waschbeckens montiert war, gewonnen wurde, vorhanden. Ein kleiner elektrischer Plattenherd diente als Kochstelle. Hierauf erwärmte der Mieter gerade eine Dose Katzenfutter. Dem eher fassungslos blickenden Journalisten gegenüber behauptete der ältere Herr, dass das Katzenfutter besser als so manches Stück Fleisch schmecken würde; und im Vergleich zu den Konserven - Fraß alle Male gesünder sei.

Recht hatte er, der Kölner, denn die Zubereitung der Nahrung für die geliebten Vierbeiner wird unter sehr strengen Hygiene - Bedingungen vorgenommen. Was von so manchem Lebensmittel, das für Menschen hergestellt wird, nicht zu behaupten ist. So aß der Kölner dann sein erwärmtes Katzenfutter und ließ sich das Mahl schmecken. Er klagte nicht über seine eigene soziale Situation. Von Hilfe zum Lebensunterhalt wollte er nichts wissen. Er habe zwar lange gearbeitet, ehe er dann erkrankte und berufsunfähig wurde, doch seine daraufhin gezahlte Rente reiche nicht aus.

Armut in diesem, unserem so wohlhabenden Land, hat viele Facetten. Kürzlich berichtete das ZDF in seiner Serie " 37° " über den verarmten Stadtteil Bremerhaven - Lehe, dann über überschuldete Haushalte in Deutschland. Es soll insgesamt um die 2 Millionen davon geben. Wer in die Suchmaschine " Google ", die Begriffe Köln und Armut eingibt, erhält eine Vielzahl von Treffer. Aus der jüngsten Vergangenheit wird verstärkt über den Stadtteil Köln - Chorweiler berichtet. Hier sollen -ähnlich wie in Bremerhaven - Lehe - mehr als 1/3 der Bewohner Bezieher von Sozialtransfers sein. Eine beschämende Feststellung für dieses hoch - industrialisierte Land. Doch - im Vergleich von vor mehr als 3 Jahrzehnten - muss heutzutage kein Armer Katzenfutter essen. Das soziale Netz mit fast doppeltem Boden lässt einen Abgehängten nicht auf den Steinfußboden knallen.

Aber: Armut schmerzt immer noch und muss ein Thema bleiben, solange illegale Steuervermeidungsmodelle, wie just auf der Insel Malta aufgedeckt, den vielen Wohlhabenden und Reichen die Möglichkeit bieten, sich ihrer sozialen Verpflichtung durch feige Flucht in das Ausland, ständig zu entziehen.

Gut´s Nächtle mit dem Kölsche Rocker schlechthin: Wolfgang Niedecken und seine Band " BAP ", 1986 im " Rockpalast ":  " Bahnhofskino ":
















https://de.wikipedia.org/wiki/Köln

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