Anne mit der Kaffekanne.
Nach dem sonntäglichen "Tatort", den Dauerbrenner, den Dinosaurier und Quotenbringer der AD, folgte der " Polittalk " bei Anne Will. Das Thema war ebenso steinalt, wie der Methusalem " Tatort ", sogar noch älter.
Es ging um die Thematik rund um die Vertreibung von Millionen Menschen aus den ehemaligen Ostgebieten. Also aus Schlesien,Oberschlesien, Pommern, dem Sudentenland. Jene Gebiete also,die einst zum Deutschen Reich gehörten. Die Kriegsverbrechen während der Diktatur der Nationalsozialisten sind hinlänglich bekannt. Sie müssen aber dennoch immer wieder in das Gedächtnis der Folgegenerationen zurück gerufen werden. Deshalb, weil deren Geschichtsbewußtsein eher gen Null tendiert. Hier spielt sicherlich die so genannte Gnade der späten Geburt eine gewichtige Rolle.
Wieso soll sich ein nach 1945 geborener deutscher Mann, eine weit in die 50er, 60er,70er hinein geborene Frau oder ein in den 90ern geborenes Kind, für jene Verbrechen verantworten, die deren Urgroßeltern, Großeltern oder Eltern einst gegangen haben? Verantwortlich hierfür sind sie schon deshalb nicht, weil sie überhaupt keinen Einfluss auf die Geschehnisse von einst gehabt haben oder - um es als Frage zu formulieren - " Gibt es eine Kollektivschuld für die nächsten Generationen?"
Nein!
Dennoch können wir uns nicht ohne weiteres aus der Diskussion um jene Untaten heraus nehmen, die von und an Deutschen begangen worden sind. Historische Aufarbeitung bedeutet nämlich, dass auch die nächsten Generationen daran erinnert werden müssen, welches Unrecht einst im Namen der Deutschen und von ihnen an den übrigen Völkern dieser Welt ausgeübt wurde.
So weit, so gut oder schlecht!
Es gibt im Zusammenhang ein Kapitel des II. Weltkriegs, das da heißt: " Flucht und Vertreibung ". Hiermit tun sich viele ältere Menschen in der BRD sehr schwer. Entweder werden die Ereignisse aus den Jahren 1944 folgende systematisch verdrängt oder sie werden für ideologische Zwecke missbraucht. In den jungen Jahren der Bundesrepublik, die sich also aus den drei Westalliierten - Zonen zusammensetzte, gab es schon bald nach 1949 eine Unzahl von Anhängern, deren Bestreben es war, die verloren gegangenen Ostgebiete zurück zu erlangen. Auf welchem Wege das geschehen sollte war zunächst unklar. Durch politische Verhandlungen hätten diese Forderungen ohnehin nicht durchgesetzt werden können, denn es gab die beiden unversöhnlich gegenüber stehenden Machtblöcke, nämlich den Warschauer Pakt und die Nato, den Westen hier und den Osten dort, die UdSSR einerseits und die USA andrerseits - als so genannte Supermächte.
Wie jene Vorstellungen von einer Rückübertragung der Gebiete, des Eigentums an Land und Immobilien nun de jure vollzogen werden sollte, blieb ebenso nebulös, wie die ständigen Forderungen der Interessenverbände nach einer materiellen Entschädigung für deren Verlust.
Da beide Komponenten de facto über diverse Organisationen und Parteien zum Zweck und zum Programm erkoren wurden, blieben sie über viele Jahrzehnte in der politischen Öffentlichkeit präsent.
Ich kann mich daran erinnern, dass in den 60er Jahren Wahlplakate mit dem Slogan " Drei geteilt - niemals!" an den hölzernen Strommasten, der Litfaßsäule oder auf mobilen Ständern klebten. Hierbei waren die Grenzen des Deutschen Reichs von vor 1939 zu erkennen. Eine Provokation eigentlich. Dennoch wurden diese Propagandatafeln nicht entfernt, die Parteien, die diese Forderungen stellten nicht verboten und ihre Mitglieder nicht vom Verfassungsschutz observiert.
Dieses Privileg erhielten nur die PD, die DKP und sonstige "Linken ". Adenauer war ein machtbesessener Fürst, der natürlich die Vertriebenen hofierte, weil seine CDU die Stimmen dieser Revanchisten benötigte. Er wollte ja schließlich weiter gegen die sowjetische Bedrohung regieren. In der Hochzeit der anti-kommunistischen Ressitenments, in den 50ern und 60ern, mit dem im Gleichschritt marschierenden, wieder bewaffneten Bundeswehrbefürwortern und im Hochgefühl des deutschen Wirtschaftswunders, war es auch en vouge, sich für die Vertriebenen mächtig ins Zeug zu legen.
Das tat zu Beginn der 60er auch der einstige Berliner Oberbürgermeister Willy Brandt. Allerdings aus Partei-politischem Kalkül. Er versuchte - eher verzweifelt - gegen die Lügen und Polemik der Adenauer-Vasallen und der rechten Parteien, sich von dem Vorwurf, mit den Kommunisten in der Sowjetunion paktieren zu wollen,zu argumentieren und verlor dabei schon mal den Überblick. So biederte auch er sich den konservativen und rechtsradikalen Kräften aus dem Dunstkreis der VertriebenenVerbände an. Ein unverzeihlicher Fehler, den er später revidierte.
Die Jahre vergingen, die Blöcke verfestigten sich, die Forderungen anch der Gebietsrückgabe bleib indes nicht nur in den Köpfen der Millionen von Ex-Flüchtlingen und ehemaligen Vertriebenen. Jedes Jahr wurden Massenveranstaltungen organisiert, deren Zulauf und Zuspruch indes rapide abnahm. Die 68er kamen auf den Plan und mit ihnen eine zeitweilige Polarisierung der politischen Meinungen in der BRD. Eine jener Strömungen setzte auf Versöhnung mit den Polen, den Tschechen, den Slowaken. Die Ostverträge wurden von der Brandt/Scheel-Regierung ratifiziert. Ein Stachel im Arsch der Reaktion, der Altfaschisten und Konservativen, die es zuhauf gab.
Die Hetze gegen jene Verträge hielt bis in die 80er an. Sie ebbte jedoch mit jedem Jahr merklich ab. Die einstigen vertriebenen und geflohenen Deutschen aus den einstigen Ostgebieten, sie wurden immer weniger, weil sie zum Teil verstarben, zum Teil keinen Sinn mehr in einem aktiven Einstehen für revanchistische Politk sahen und zum Teil selbst längst zu den Etablierten in der BRD-Gesellschaft gehörten. Der Einfluss jener Gruppierungen nahm sukzessive ab. Ihre nach BRD-Gründung ins Leben gerufenen Parteien, wie DP oder die faschistische SRP, waren längst aufgelöst und fanden fortan in der CDU/CSU ihre politische Heimat.
Der Zeitgeist der 80er,90er und der Beginn des 3. Jahrtausend ließen die Forderungen der einstigen Heimatvertriebenen und ihrer Interessenverbände sowie der Funktionäre pragmatischer werden. Nun war längst nicht mehr die Rede von einer Rückforderung der vor vielen Jahrzehnten verlustig gegangenen Gebiete, sondern es ging jener von damals fast 12. Millionen auf nunmehr einige Hunderttausende geschrumpften Bevölkerungsgruppe nur noch um eine Entschädigung und - neben dieser materiellen Komponente -um die Anerkennung des Gesamtkomplexes Verteibung als völkerrechtswidrige Handlung. So schnell ändert sich jedoch das Bewußtsein jener Übriggebliebenen nicht. Statt revanchistischer Gelüste,die sich in dem öffentlichen Artikulieren von Gebietsrückerstattungsforderungen zeigen, wurde der Ex-Bundesinnenminister Otto Schily, der einstige Exponent der einstigen APO, der RAF-Anwalt und Grünen-Emporkömmling, während seiner Rede 2001 gnadenlos niedergebrüllt. "Heil Hitler!", so könnte es ein Kritiker dieser Altvorderen auf den Punkt bringen. Jedoch liegt die Sachlage so einfach nicht.
Der massive Identitätsverlust jener 12 Millionen-Bevölkerungsgruppe während der Existenz der beiden und dann wiedervereinigten Staaten hat dazu geführt, dass es heute mehr denn je schwer fällt, die Erinnerung an erlittenes Unrecht wach zu halten. So kapriziert sich denn die Hoffnung hierauf auf Personalien. was einst Hupka, Czaja, Wittman oder vor ihnen, die eher Gemässigten forderten, bleibt heute nur noch Makulatur.
Der Bund der Vertriebenen (BdV) schreibt dennoch seine eigene Geschichte:
Der BdV war in seiner Anfangszeit parteipolitisch neutral; als Präsidenten wurden zunächst Georg Baron Manteuffel-Szoege (CSU, VdL) und Linus Kather (GB/BHE) als gleichberechtigte Vorsitzende (1957–1959) gewählt. Auf den CDU-Abgeordneten Hans Krüger (1959–1963) folgten der sudetendeutsche Sozialdemokrat Wenzel Jaksch (1964–1966) und der SPD-Abgeordnete Reinhold Rehs (1967–1970). Ende der 1960er-Jahre kam es zum Bruch mit der SPD wegen der von ihr angestrebten flexibleren Ostpolitik, die vom BdV „Verzichtspolitik“ genannt wurde. Rehs und der langjährige Vizepräsident Herbert Hupka wechselten zur CDU. Der KSZE-Prozess, bei dem Abrüstungsgarantien des Westens und Zusagen hinsichtlich der Menschenrechte im Osten verhandelt wurden, wurden vom BdV und seinen politischen Verbündeten als Preisgabe nationaler Interessen bezeichnet. Als Helmut Kohl nach dem Ende der sozialliberalen Koalition 1982 Bundeskanzler wurde, setzte er diese Ostpolitik zur Enttäuschung von Herbert Czaja fort, der von 1970 bis 1994 Präsident des BdV war. Bis zuletzt setzte der BdV dem Zwei-plus-Vier-Vertrag, der die endgültige Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze bedeutete, Widerstand entgegen.
Wenn nun aktuelle die Personalie Steinbach zu einem Lackmus-Test für die polnisch-deutschen Beziehungen werden sollte, dann nur, weil die reaktionären Kräfte in beiden Ländern wieder auf dem Vormarsch sind und aus einer Randnotiz im historischen Ablauf der polnisch-deutschen Versöhnung, ein medialer Popanz aufgebaut wird, der möglichst schnell aus der Öffentlichkeit entfernt werden sollte.
Von 1994 bis 1998 war das CSU-Mitglied Fritz Wittmann Präsident des BdV. Die Osterweiterung der EU im Jahre 2004 berührte wieder die Interessen des BDV. Seit 1998 ist die CDU-Politikerin Erika Steinbach Präsidentin. Sie bemühte sich erfolglos, die Osterweiterung mit der Bedingung zu verknüpfen, dass die Beneš-Dekrete aufgehoben werden müssten. Im Deutschen Bundestag votierte sie gegen den Beitritt Polens und der Tschechischen Republik.
2005 trat der Bund aus dem pro-europäischen Netzwerk Europäische Bewegung Deutschland aus.
Steinbach ist keine Revanchistin,nein, das wohl nicht, sie ist auch keine Nationalsozialistin, das schon lange nicht; Erika Steinbach ist eine Lobbyistin, die sich für die Interessen einer aussterbenden Minorität einsetzt.
http://de.wikipedia.org/wiki/Erika_Steinbach
Die Heimatvertriebenen haben nämlich längst durch ihre Kinder, Enkelkinder und Urenkel die Vollintergration in dem wiedervereinigten Deutschland vollzogen.
Was also will Erika teinbach heute noch, außer an die Vertreibung vor 70 Jahren durch eine staatlich subventionierte Einrichtung erinnern zu wollen?
Wohl deshalb kniff sie am 01. 03. 2009 ab 21.45 Uhr - gleich nach dem " Tatort " - und stellte sich nicht der Diskussion, zu der Anne Will eher Leidenskollegen mit Bosbach ( CDU ), Baring ( Geschichtsrelativierer ) und Wolf von Lojewski ( ZDF-Märchenonkel ) eingeladen hatte. Einzig die streitbare GRÜNE Renate Künast und der Kabarettist Steffen Möller hätten ihr mehr oder weniger unangenehme Fragen stellen und Vorhaltungen machen können. Warum also verzichtet Steinbach darauf, sich öffentlich-rechtlich zu präsentieren, als Präsidentin des BdV, als eingeplanten Kuratoriumsmitglied der Stifung gegen Vertreibung?
Vielleicht deshalb, weil ihre Äußerungen dem CDU-Apologeten Bosbach, dem Dünnbrettbohrer und Polemiker in den Zeiten des Vorwahlkampfes eher peinlich gewesen wären und CDU-Steinbach eben sehr oft nicht mit Bosbach-CDU konform geht. Wer die CDU kennt, der weiß, dass sie ein Sammelbecken für rechtsgerichtetes Gedankengut ist. Für rechte Trommler und hellbraune Populisten. Ob nun Lübke, Globke, Kiesinger, Dregger, Heinemann oder Strauß, sie allesamt waren Garant dafür, dass nationalistisches Gewäsch immer wieder publik wird.
So durften denn Bosbach/Baring als kongeniales dynamisches Duo ihre Sichtweise der historischen Abläufe in verklärender Form unter die TV-Glotzer bringen. Anne schenkte dazu noch ein paar Tassen medialem Muckemucks aus ihre Kaffeekanne ein. Na denn, wohl bekam's!
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