Winnenden 11. März 2009 - Eine Kleinstadt wird zum Zwitter des Twitter-Mediengewitters!
Seit dem Amoklauf eines minderjährigen Ex-Realschülers in Winnenden sind nun mehr als 24 Stunden vergangen.Die Medienindustrie mitsamt ihrer geifernden Meldungsmeute hat sich immer noch nicht beruhigt. 15 Tote ( es sind - zwecks Richtigstellung - 9 Schüler/Innen,3 Lehrerinnen und 3 unbeteiligte Erwachsene ) sind nun einmal kein Pappenstiel. Da gilt es jeden potentiellen Informanten auszuquetschen, auch wenn sie/er eigentlich nichts substantielles zu dem Geschehen sagen kann.Es wurden - der Aktualität wegen - umgehend Programmänderungen bei vielen Fernsehsendern vorgenommen, die Nachrichtenkanäle hämmerten im Viertelstundentakt ihre Meldungen herunter, deren Informationswert dann bald gen Null tendierte.
So verbreiteten diese Organe der Vierten Gewalt in aller Eile jene Eilmeldung über jene Marginalien um dieses Horror-Verbrechen, bei dem sich der Täter dann - wohl - selbst hinrichtete.
Es wurde diskutiert, philosophiert und lamentiert - quasi rund um die Uhr. Der Rezipient indes hatte nicht unerhebliche Probleme, bei einer unüberseh - und hörbaren Vielfalt an Meinungen, Ansichten und Faktenwissen den Überblick zu bewahren. Die medial durchgestylte Konsumgesellschaft verlangt eben doch, dass sich ein Laie auch mit Nonsensmeldungen beschäftigen muss, will er / sie immer auf Augen - und Ohrhöhe der Zeit bleiben.
Wenn nun zwanghaft berichterstattende Freie Mitarbeiter der Medienmeute sich selbst befragen, einen Kollegen interviewen oder Randpersonen in den Focus der beschränkten Öffentlichkeit hinein zerren, wird die Informationsfreiheit ad absurdum geführt. Wenn eine völlig verängstigte Mutter zum x - ten Mal nach ihrer Befindlichkeit befragt, ihre Antwort darauf im Stundenrhythmus auf annähernd allen Kanälen als Wiederholung bestaunen darf, wird der Informationsgehalt jener Stellungnahme längst verblasst sein. Wenn Politiker ad hoc zu dem Verbrechen sich öffentlich äußern sollen, ist deren Einschätzung auch nur als eine solche zu bewerten, weil ihnen die erforderliche Fakten für eine dezidierte Aussage fehlen.
Meinungen, Einschätzungen und vage Bewertungen sind indes kein adäquater Ersatz für recherchierte Fakten. Hier wäre es konsequenter zu schweigen,denn eine Stellungnahme aus dem Nichts abzugeben. Die hohe Kunst des Improvisierens obliegt eher den wahren Künstlern im Unterhaltungsgenre, nicht jedoch dem vermeintlich seriös agierenden Journalisten. Investigativer Journalismus muss nicht gleich bedeutend mit Berichterstattung um jeden Preis sein.Wenn Informationen real weiter verbreitet werden,dann müssen sie einen Inhalt vermitteln. Das war weder am gestrigen Tag gegeben, noch am Tage nach dem Verbrechen; geschweige denn in naher Zukunft zu erwarten sein. Die Nachrichtenökonomie ist längst dem Konkurrenzdruck erlegen und orientiert sich schon lange nach Einschaltquoten sowie Werbeeinnahmen und Rendite.Hierbei bleibt die Seriosität auf der Strecke.
Die privatisierte Öffentlichkeit geht hierbei im Gleichschritt mit der veröffentlichten Privatsphäre. Sensationen sind marketingmäßig ein Langzeittyp. Je steigerungsfähiger die Berichterstattung über sie ist, desto intensiver werden sie ausgeweidet. Schliesslich soll jeder Außenstehende sich an dem Glück, Leid und Leben eines anderen Menschen ergötzen dürfen. Die öffentliche Privatheit ist von Jürgen Habermas, der demnächst 80 Jahre alt wird, in seiner Habilitationsschrift von 1962 bereits exakt definiert worden.
( Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft (Habil.), Neuwied 1962 (Neuaufl.: Frankfurt a.M. 1990), ISBN 3-518-28491-6.).
Die Auswüchse jener Theorie haben sich durch den Einsatz der sogenannten Neuen Medien indes potenziert. Privatheit ist allenfalls noch denjenigen Mitglieder der Gesellschaft vergönnt, die sich unspektakulär verhalten, die ein graue Maus - Dasein leben. Wer versucht, durch auffälliges Verhalten die Öffentlichkeit für sich zu gewinnen, der wird via Medienpräsenz von ihr vereinnahmt - bis zum Tod.
Was Twitter bedeutet, welchen Stellenwert jene Internetplattform in der Jugendkultur einnimmt, konnte nur eine Minorität, bestehend aus Nutzern und Jugendlichen erklären.
Wenn Öffentlichkeit wiederum auf eine Minorität reduziert wird, ist sie dann auch noch jene, die der Habermas'schen Definition entspricht?
Wohl kaum, denn Twitter ist eine Nische im öffentlichen Raum
Twitter ist ein soziales Netzwerk und ein Mikro-Blogging-Dienst. Angemeldete Benutzer können Textnachrichten mit maximal 140 Zeichen senden und die Nachrichten anderer Benutzer empfangen. Die Nachrichten werden „Updates“ oder „Tweets“ (engl. to tweet, deutsch zwitschern) genannt. Das soziale Netzwerk beruht darauf, dass man anderen Benutzern folgt (engl. „following“), das heißt die Updates anderer Benutzer abonniert. Benutzer, die den eigenen Updates folgen, nennt man „Follower“. Auf der Twitter-Startseite kann man Updates eingeben und die Updates der Personen, denen man folgt, nach der Zeit sortiert sehen. Der Absender kann entscheiden, ob er die Updates allen zur Verfügung stellen oder den Zugang auf eine Freundesgruppe beschränken will.
Hat also die Medienöffentlichkeit einen Anspruch auf unbeschränkten Informationsfluss bei einem derartigen Fall, wie jenen von Winnenden? Nein! Es geht keinen Außenstehenden etwas an, was, wann der Täter zuvor in diversen Internet-Foren über seine Privatsphäre mitteilt.
Die Medien haben gestern zum einen exzessiv über das soziale Umfeld jenes Jugendlichen berichtet, zum anderen wirkliche Informationen verkürzt wieder gegeben.
Winnenden wird schon demnächst kein Medienthema mehr sein. Dann bleiben die Betroffenen jener Wahsinnstat allein; mit samt ihren Ängsten, vielleicht bleibenden körperlichen Schäden und dem veränderten sozialen Umfeld. Ohne eine plausible Erklärung dafür, was " twittern " mit " School Shooting " und legalem Waffenbesitz eines Sportschützen gemeinsam haben.
So verbreiteten diese Organe der Vierten Gewalt in aller Eile jene Eilmeldung über jene Marginalien um dieses Horror-Verbrechen, bei dem sich der Täter dann - wohl - selbst hinrichtete.
Es wurde diskutiert, philosophiert und lamentiert - quasi rund um die Uhr. Der Rezipient indes hatte nicht unerhebliche Probleme, bei einer unüberseh - und hörbaren Vielfalt an Meinungen, Ansichten und Faktenwissen den Überblick zu bewahren. Die medial durchgestylte Konsumgesellschaft verlangt eben doch, dass sich ein Laie auch mit Nonsensmeldungen beschäftigen muss, will er / sie immer auf Augen - und Ohrhöhe der Zeit bleiben.
Wenn nun zwanghaft berichterstattende Freie Mitarbeiter der Medienmeute sich selbst befragen, einen Kollegen interviewen oder Randpersonen in den Focus der beschränkten Öffentlichkeit hinein zerren, wird die Informationsfreiheit ad absurdum geführt. Wenn eine völlig verängstigte Mutter zum x - ten Mal nach ihrer Befindlichkeit befragt, ihre Antwort darauf im Stundenrhythmus auf annähernd allen Kanälen als Wiederholung bestaunen darf, wird der Informationsgehalt jener Stellungnahme längst verblasst sein. Wenn Politiker ad hoc zu dem Verbrechen sich öffentlich äußern sollen, ist deren Einschätzung auch nur als eine solche zu bewerten, weil ihnen die erforderliche Fakten für eine dezidierte Aussage fehlen.
Meinungen, Einschätzungen und vage Bewertungen sind indes kein adäquater Ersatz für recherchierte Fakten. Hier wäre es konsequenter zu schweigen,denn eine Stellungnahme aus dem Nichts abzugeben. Die hohe Kunst des Improvisierens obliegt eher den wahren Künstlern im Unterhaltungsgenre, nicht jedoch dem vermeintlich seriös agierenden Journalisten. Investigativer Journalismus muss nicht gleich bedeutend mit Berichterstattung um jeden Preis sein.Wenn Informationen real weiter verbreitet werden,dann müssen sie einen Inhalt vermitteln. Das war weder am gestrigen Tag gegeben, noch am Tage nach dem Verbrechen; geschweige denn in naher Zukunft zu erwarten sein. Die Nachrichtenökonomie ist längst dem Konkurrenzdruck erlegen und orientiert sich schon lange nach Einschaltquoten sowie Werbeeinnahmen und Rendite.Hierbei bleibt die Seriosität auf der Strecke.
Die privatisierte Öffentlichkeit geht hierbei im Gleichschritt mit der veröffentlichten Privatsphäre. Sensationen sind marketingmäßig ein Langzeittyp. Je steigerungsfähiger die Berichterstattung über sie ist, desto intensiver werden sie ausgeweidet. Schliesslich soll jeder Außenstehende sich an dem Glück, Leid und Leben eines anderen Menschen ergötzen dürfen. Die öffentliche Privatheit ist von Jürgen Habermas, der demnächst 80 Jahre alt wird, in seiner Habilitationsschrift von 1962 bereits exakt definiert worden.
( Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft (Habil.), Neuwied 1962 (Neuaufl.: Frankfurt a.M. 1990), ISBN 3-518-28491-6.).
Die Auswüchse jener Theorie haben sich durch den Einsatz der sogenannten Neuen Medien indes potenziert. Privatheit ist allenfalls noch denjenigen Mitglieder der Gesellschaft vergönnt, die sich unspektakulär verhalten, die ein graue Maus - Dasein leben. Wer versucht, durch auffälliges Verhalten die Öffentlichkeit für sich zu gewinnen, der wird via Medienpräsenz von ihr vereinnahmt - bis zum Tod.
Was Twitter bedeutet, welchen Stellenwert jene Internetplattform in der Jugendkultur einnimmt, konnte nur eine Minorität, bestehend aus Nutzern und Jugendlichen erklären.
Wenn Öffentlichkeit wiederum auf eine Minorität reduziert wird, ist sie dann auch noch jene, die der Habermas'schen Definition entspricht?
Wohl kaum, denn Twitter ist eine Nische im öffentlichen Raum
Twitter ist ein soziales Netzwerk und ein Mikro-Blogging-Dienst. Angemeldete Benutzer können Textnachrichten mit maximal 140 Zeichen senden und die Nachrichten anderer Benutzer empfangen. Die Nachrichten werden „Updates“ oder „Tweets“ (engl. to tweet, deutsch zwitschern) genannt. Das soziale Netzwerk beruht darauf, dass man anderen Benutzern folgt (engl. „following“), das heißt die Updates anderer Benutzer abonniert. Benutzer, die den eigenen Updates folgen, nennt man „Follower“. Auf der Twitter-Startseite kann man Updates eingeben und die Updates der Personen, denen man folgt, nach der Zeit sortiert sehen. Der Absender kann entscheiden, ob er die Updates allen zur Verfügung stellen oder den Zugang auf eine Freundesgruppe beschränken will.
Hat also die Medienöffentlichkeit einen Anspruch auf unbeschränkten Informationsfluss bei einem derartigen Fall, wie jenen von Winnenden? Nein! Es geht keinen Außenstehenden etwas an, was, wann der Täter zuvor in diversen Internet-Foren über seine Privatsphäre mitteilt.
Die Medien haben gestern zum einen exzessiv über das soziale Umfeld jenes Jugendlichen berichtet, zum anderen wirkliche Informationen verkürzt wieder gegeben.
Winnenden wird schon demnächst kein Medienthema mehr sein. Dann bleiben die Betroffenen jener Wahsinnstat allein; mit samt ihren Ängsten, vielleicht bleibenden körperlichen Schäden und dem veränderten sozialen Umfeld. Ohne eine plausible Erklärung dafür, was " twittern " mit " School Shooting " und legalem Waffenbesitz eines Sportschützen gemeinsam haben.
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