Der Vorfrühlingsspaziergang an der Weißeritz




Jetzt ist er endlich da, der kalendarische Frühlingsanfang. wie bestellt, steigen die Temperaturen in zweistellige Bereiche. Am 01. 03. 2009 durften wir bereits 16,2 Grad am Thermometer ablesen. Na, da lässt sich den gerne ein kleiner Spaziergang in Richtung der Geschäfte, die links und und rechts an der Weißeritz liegen,machen.
Kaum habe ich die Brücke an der Bünaustraße erreicht, höre ich schon, wie das Wasser im Flußbett rauscht. Es ist jenes Schmelzwasser, dass aus den Hängen und von den Flächen rund um den Verlauf der Weißeritz abfließt. Bevor die große Schwester Elbe, der kleinen Weißeritz es aufnimmt und Richtung Norden transportiert.

Über dieses - eher unbedeutende - Flüsschen steht denn auch geschrieben:

Die Weißeritz, westslawisch: bystrica – Wildwasser, ist ein 12 km langer Zufluss der Elbe in Sachsen; wenn man die „Wilde Weißeritz“, ihren längsten Quellfluss, dazurechnet, ist sie 61 km lang.Die Weißeritz entsteht bei Freital-Hainsberg aus den beiden Quellflüssen Rote Weißeritz und Wilde Weißeritz. Sie fließt weiter durch das Döhlener Becken im Ortsgebiet von Freital und tritt dann in den Plauenschen Grund ein. Am Ende dieses Engtals fließt die Weißeritz durch den Dresdner Ortsamtsbezirk Cotta und mündet im dortigen Elbtalkessel von links in die Elbe.

Nun wäre jenes Flüsschen nicht unbedingt erwähnenswert, hätte es nicht auch eine historische Stellung in der Geschichte des Freistaates Sachsen.
Blenden wir also zurück in das Jahr 2002, in einer Tickermeldung heisst es:

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11.08.02 unwetterwarnung für sachsen, sachsen-anhalt und thüringen
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in den frühen morgenstunden des 12.08. setzen in sachsen ergiebige niederschläge ein
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im laufe des tages: schneller anstieg des weißeritzpegels
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katastrophenalarm wird für dresden und den weißeritzkreis ausgelöst
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gegen 21.30, polizei beginnt mit der evakuierung von freital
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evakuierung des freitaler krankenhauses
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die weißeritz verläßt in freital ihr flußbett und fließt mit hoher geschwindigkeit über die dresdner straße richtung landeshauptstadt
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12.08.02 gegen 22.30, die weißeritz tritt in dresden an der nossener brücke über die ufer und fließt nun auch über die löbtauer str. richtung friedrichstadt
weiterhin fließt das wasser über die freiberger str. und richtung hauptbahnhof
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die weißeritz führt das hundertfache ihrer normalen wassermenge


Eine gigantische Wassermenge füllt das eher kleine Bett dieses Flüsschens und führt dazu, dass es binnen kurzer Zeit zu einem reissenden Strom mutiert, der alles, was sich ihm in den Weg stellt, fortgespült, zerstört, zertrümmert.

Aber, woher stammten all diese Wassermassen?
Eine Analyse der Geschehnisse von einst könnte in etwa so erfolgen:

Anfang August 2002 lösten Regenfälle in den Alpen (siehe Donauhochwasser 2002) sowie im Erzgebirge und Riesengebirge schwere Überschwemmungen und verheerende Schlammlawinen in Deutschland, Österreich, Polen, Tschechien und Italien aus. Die Ursache der langen und starken Niederschläge war eine seltene Vb-Wetterlage, das sommerliche Tiefdruckgebiet "Ilse". Dabei weichen die Luftmassen von ihrer üblichen West-Ost-Richtung in Richtung Mittelmeer nach Süden ab. Hier erwärmen sich diese Luftmassen und nehmen viel Feuchtigkeit auf. Nach der Überquerung der Alpen in Richtung Norden stoßen sie auf die dortige Kaltluft, kühlen sich stark ab, und es kommt zu extremen Niederschlägen in relativ kurzer Zeit.

Eine ebensolche Wetterlage war auch die Ursache für das Oderhochwasser 1997.

Ein einmaliges Ereignis, so wie die Schneekatastrophe aus dem Winter 1978/1979 oder das oben genannte Oderhochwasser 1997?

Wetter - und Kliamkapriolen hat es gegeben und wird es immer wieder geben.

Ich gehe linksseitig der Weißeritz an dem inzwischen befestigten Uferweg entlang in Richtung der stark befahrenen Würzburger Straße. Mir kommt dieser permanente Verkehrslärmpegel entgegen. Eine Mixtur aus aufheuleneden Motoren und dem typischen Abrollgeräusch der Reifen. Hier scheint das Leben zu toben, wenn auch nur im Vorüberfahren.

In Höhe einer Ruine, die einst wohl ein Garagenhof war,erblicke ich einen Fahrradfahrer, der wenige Meter, nachdem ich ihn passiert habe, vom sattel absteigt. Er stellt das schon recht betagte Gefährt an den rostigen und windschifen Maschendrahtzaun, dreht sich in Richtung des Zaunes und knöpft seine Hose auf - er entleert sich ungeniert an der verfallenen Frontmauer jenes - aus DDR-Zeiten stammenden - Gebäudes. Erleichtert steigt er wieder aufs Rad und fährt davon.

Die Episode noch im Kopf schreite ich gemächlich in Richtung der Brücke, die -ebenfalls neu erbaut - die Würzburger Straße über die Weißeritz führt. Das Flüsschen führt doch relativ viel Wasser, das - schmutzig braun - in einer zügigen Geschwindigkeit in Richtung Elbe fließt. Die Schneeschmelze hat seit einigen Tagen eingesetzt. Ein Vorfrühlingsbote,der sich am Ufer, auf den grünen Befestigungsflächen jedes Jahr einstellt, ist das Schneeglöckchen. Es steht in kleinen Grüppchen inmitten des nassen, noch eher zarten Grün und hat jeweils den Kelch geöffnet. Ein untrüglich Zeichen dafür, dass alsbald auch andere Frühblüher folgen werden.

Ich gelange an die Würzburger Straße und biege rechts in Richtung Eisenbahnbrücke ab.Links, auf der gegenüber liegenden Straßenseite befinden sich noch einige Freiflächen, auf denen Schrott und ehemalige Eisenbahnschienen liegen. Relikte aus längst vergangenen Zeiten, als es noch zwei deutsche Staaten gab, die sich feindlich gegenüber standen, obwohl sie doch eigentlich eine Geschichte haben. Nachdem ich an einem eingezäunten Gelände auf dem sich eine Holzhütte befindet, in der saisonal Sämerein, Gartenpflanzen und Sträucher verkauft werden, vorbei gehe, gelange ich nun an die Eisenbahnunterführung.
Hierüber verläuft die Strecke von Dresden nach Freital über Tharandt. Eine Regionalverkehrsstrecke. Ohne große Bedeutung, weil die Mehrzahl eh mit dem PKW fährt und deshalb die halbstündig verkehrenden Züge nur während der Schulzeiten gut besetzt sind.

Die plakatierten Steinwände informieren über vergangene Veranstaltungen. " Peter Maffay " erkenne ich noch, der Rest ist mir unbekannt. Die dunkle Unterführung hat dafür viele Jahre auf dem Buckel. Der Zahn der Zeit nagt an dem Eisengeländer, das eine rostige Farbe erkennen lässt. Ich gehe weiter an der Kleintierpraxis, die an der Ecke Zwickauer -/Würzburger Straße liegt. Sie wird von einer längst in die Jahre gekommenen Fassade umhüllt. Einst - wohl zu Nachwendejahren - saniert und dann als Gewerberäume vermietet, praktiziert dort eine Tierärztin. Sie solle inen schlechten Ruf haben, weshalb ihre Sprechstunden ständig schwach frequentiert sind.

Tierarzt, das ist längst kein Traumberuf mehr. Die äußeren Umstände sind heute nicht dazu geeignet,mit dieser Tätigkeit sich einene gehobenen Lebensstandard verdienen zu können. Ich kenne die Probleme, mit denen auch diese Berufsgruppe aus dem Kreis der Freiberufler, der Selbständigen zu kämpfen hat. Zahlungsreistente Tierhalter, die teure Behandlungen verlangen und dann nicht bezahlen oder bezahlen können, hohe Praxiskosten, so wie es bei vielen anderen Selbständigen auch der Fall ist. Ein langes Studium steht der Ausübung dieses Berufs voran - lohnt sich das?

Die Praxis lasse ich hinter mir und gehe die letzten Meter - immer bergauf - in Richtung der Lidl-Filiale. Gegenüber befindet sich ein Büro-Geschäftskomplex, in dem einige Räume leer stehen. Leerstand ist ohnehin ein sicheres Anzeichen dafür, das die Wirtschaft nicht floriert. prosperität jedoch ist die Grundbedingung für eine kapitalistische Wirtchafts - und Gesellschaftsordnung. Ich überquere den Lidl-Kundenparkplatz und ziehe einen der normierten Einkaufswagen aus der Reihe. Nach einer Vierstelstunde ist der Einkauf erledigt.
Mittlerweile sagt die Uhr 15.00 Uhr. Jetzt rauscht der Berufsverkehr vorbei. Ein unerträglicher Lärmschwall begleitet mich auf dem Rückweg zur Weißerritzbrücke, dorthin, wo - abseits von Verkehrslärm und Gestank - die Natur sich auf den Frühling vorbereitet. So, wie sie es jedes Jahr macht.

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