Das tragische Ende einer Karriere: R.I.P. Robert E.
Der 10. 11. 2009 endete mit einem so genannten " Aufmacher ". Gegen 18. 40 Uhr vermeldete N TV, dass sich der Fußballnationaltorhüter von Hannover 96, Robert Enke, das Leben genommen hat. Mein zunächst ungläubiges Staunen, ob dieser Meldung, verflog alsbald in dem Gedanken, dass diese Nachricht mit Sicherheit zu wilden Spekulationen führen wird. Er sollte sich in den Folgestunden bewahrheiten. Die Medien hämmerten fast ununterbrochen jene Meldung auf die Rezipienten ein. Die viel zitierte Headline wurde variiert, der Inhalt blieb indes gleich. Der Torwart hatte sich vor einen Zug geworfen, der mit großer Geschwindigkeit von Bremen in Richtung der niedersächsischen Landeshauptstadt unterwegs war. In der Nähe des Bahnhofs " Neustadt am Rübenberge " wurde der in suizidaler Absicht die Gleise getretene Mann von der Lokomotive erfasst und sofort getötet.
Was für ein Tod! Was für ein eher spektakulärer Abgang aus dieser Welt! Was für ein zunächst nicht nachvollziehbarer Freitod eines noch jungen Mannes!
Der Torwart war erst 32 Jahre alt - viel zu jung, um schon zu sterben!
Die jetzt los getretene Medienlawine wird nicht nur über seine zurück gebliebene Ehefrau zu rollen, sie wird auch die gesamte Familie treffen und den Arbeitgeber, den Fußballverein " kleinen HSV ", den Hannoverscher Sportverein von 1896 e.V. über rollen. Die Pressekonferenz ab 13.00 Uhr, einen Tag nach dem Tod des Lizenzspieler, sie muss ein immenses Medienecho erbringen.
Nun wird gewühlt, im Schlamm der Lebensbiographie des gebürtigen Jenaer. Da werden kleine Begebenheiten schnell zu einer riesigen Sache hoch stilisiert werden, da werden Nebensächlichkeiten zu einer Seiten füllenden Geschichte aufgemacht, da werden spekulative Randnotizen zu und über das Leben des 96er Keeper marktschreierisch aufgeblasen. Die Presse ist nicht zimperlich, wenn es um solche Ereignisse geht.
Wir Juristen haben für eine rechtliche Unterscheidung zwischen dem, was eine Person sich von den Medien unisono gefallen lassen muss, und dem, was als Privatsphäre medial ein Tabu sein sollte, unterschiedliche Begrifflichkeiten. Es geht hier vorallem um jenen Grundsatz der freien, der unzensierten Berichterstattung, wie er sich Artikel 5 GG ergibt. Als weiteres muss sich die Bildberichterstattung an dem so genannten Recht am eigenen Bild aus § 23 I Ziff. 1 KUG messen lassen. Eigentlich! Die heutigen Massenmedien haben jene Normen jedoch längst ausgehöhlt; viele, in die breite Öffentlichkeit gegebene Nachrichten, Artikel und Berichte sind derartig verhunzt, dass es längst zu einem Lotteriespiel geworden ist, wenn sich ein Betroffener hier gegen zur Wehr setzt und/oder auch noch mit juristischem Erfolg.
Eine wachsende Gruppe von angeblichen Prominenten möchte erst gar keine juristische Auseinandersetzung, da Schmier- und Schmuddelstorys der Imagepflege dienen. Billige Werbung, um im Rennen zu bleiben, um sich sich weiter in das Rampenlicht zu drängen, um die monetären Gepflogenheiten jener Kaste von Selbstdarstellern und Überheblichen auch weiterhin anzugehören.
Das Genre des Profifußballs ist jedoch ein anderes, ein davon abweichendes Terrain. Viele der in den ungezählten Vereinen als hoch dotierte Angestellte fungierenden Leistungssportler scheuen eher die Öffentlichkeit. Ergo: Die pausenlos berichterstattenden Massenmedien haben es gelernt, das vielfach abgelegte vereinsinteren Schweigegelübde durch permanent wieder kehrende Fragen, die sich fast ausnahmslos um den Sport drehen, durch geschickte Techchniken mit voyeuristischen Leben erfüllen zu wollen. Wen interessiert es aber, ob ein Fußballprofi nun einen angeborenen Platt -, Senk - und Spreizfuß hat?
Jenen Vereinen, die sehr viel Geld einnehmen, um dafür - oft mit noch mehr Geld - sich teuere Spieler zeitlich begrenzt zu zulegen, die - ebenso oft - für noch mehr Geld - an andere Vereine verkauft werden, geht es nicht nur um Publicity. Es steht vor allem der Erfolgsdruck, der Siegeszwang oder die selbst auferlegten Ziele dahinter, die den Verein dazu zwingen mit den Massenmedien zu kooperieren. Auch, weil es hier sehr viel Geld zu verdienen gibt. Eine wechselseitige Abhängigkeit führt schließlich zu einem gnadenlosen Konkurrenzkampf. Der Kampf um Titel, Erfolge und Ehrungen wirkt sich aber auch auf das Privatleben der Vereinsangestellten aus.
Versager werden nicht geduldet, Verlierer müssen sich ständig rechtfertigen und Absteigern wird das Geld sofort gekürzt.
In diesem Umfeld befand sich auch der 96-Torhüter Robert Enke. Der täglich Leistungsdruck hat bei ihm zu einer Wesensveränderung geführt, die die Öffentlichkeit zwar nicht mit bekommen hat, die jedoch die Ursache für den jetzt gewählten Freitod war. Die Volkskrankheit steckt in vielen Millionen Menschen. Sie tritt nicht sichtbar auf, sie entlädt sich nicht in Amokläufen und anderen Handlungen, sie entwickelt sich schleichend. Sie ist ein Gift, das der Körper nicht ausscheiden kann. Sie lässt sich indes sehr lange Zeit, bis sie - ohne professionelle Hilfe bei ihrer Bekämpfung - zur Eruption kommt.
So, wie gestern bei Robert E., dessen Leben - so wie bei weniger als 10.000 weiteren in der BRD wohnenden Menschen es in diesem Jahr bereits der Fall war - dann schlagartig von ihm selbst beendet wurde.Die Zahl der versuchten Selbsttötungen liegt 10 bis 20 Mal höher.
Die illuminierte Trauerindustrie zeigt zwar keine Antworten nach dem obligatorischen " Warum ? ", sie hinter fragt auch nicht, ob der einstige Torwart nicht doch nur Teil eines gigantischen Räderwerks ist, das nur funktioniert, wenn sämtliche Teile Höchstleistungen bringen. Das Unfassbare an dem Tod des Robert E. ist doch fassbar, nämlich dann, wenn ein kritischer Beobachter sich aus dem Wust der auf ihn herab prasselnden Informationen, jenes Teilstück heraus nimmt, mit dem fest gestellt wird, dass der 96-Torwart sich seines gesundheitlichen Zustandes sehr wohl bewusst war, weil sich schon vor Jahren in psychiatrische Behandlung begeben hatte; die hieraus vor gegebenen Konsequenzen eines höchst wahrscheinlichen Karriereendes vor Augen hatte und deshalb eine weitergehende Behandlung abgelehnt hat.
Der Ex-Nationalspieler Sebastian Deisler hätte da eigentlich ein warnendes Vorbild sein müssen - allerdings zog der im wahrsten Sinne des Wortes zuvor die Notbremse und stieg aus.
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