Des Michels liebster Gartenschmuck.

Der trübe Novemberanfang lässt einem eher Freiluftfan und Natur verbundenen Mitfünfziger leider keine Wahl: " Wenn Petrus grollt, nimm Rachengold! " und verziehe dich lieber in die warme Stube. Der Werbeslogan der 60er und 70er aus dem einst noch schwarz-weißen Kanal der ARD, dürfte heute noch seine Gültigkeit haben. Der 11. Monat des Jahres verläuft in der Regel - trotz oder gerade wegen der Klimaerwärmung - in kühlen, nassen Wetterschüben, verbunden mit Wind. Ab und zu gibt es auch die obligatorischen Nebelwarnungen, an die sich kaum ein Autorennfahrer auf den BABs hält und munter in irgendein Stauende hinein brettert.

Was schon nach Gründung des Konstrukts BRD von der aufkommenden, durch die Amis vorgegebenen, Reklame so alles an Schwachsinn medial verbreitet wurde, ließ so manchen Hobby-Poeten freie Bahn. Deshalb kalauerten wir zu Werbeslogan schon mal:

" Im Herbst und Winter ist ' s halt,
auf Feld und Wies'n nass und kalt.
Geht Dir vor Frost und Nässe Einer flöten,
nimm " Klosterfrau " für die Klöten! "

Nun, die Zeiten der flachen Werbesprüche sind zwar noch nicht vorbei. Trotzdem war die damalige Zeit des so genannten Wiederaufbaus schon recht eigenartig. Nicht nur, dass viele Alt-Faschisten wieder in Amt und Würden waren, die Industrie und der Handel, ja sogar die größten Teile der Wirtschaft, in der Hand derjenigen waren, die dem Trommler und Massenmörder aus Braunau am Inn einst als Steigbügelhalter dienten, nein, auch die westdeutsche Freizeitkultur veränderte sich kaum. Es wurde immer noch jenem typisch allemanischen Bräuchen gefrönt, die unter dem Oberbegriff " Gemütlichkeit " zu subsumieren sind.

Neben dem zunehmenden Hang zu exzessiven Fress - und Saufgelagen, der aufkommenden Reisewut verbunden mit Prahler - und Protzerei, spielte die Vereinsmeierei wieder eine tragende Rolle in der spießig - miefigen BRD-Gesellschaft. Als Auswuchs jenes normierten Verhaltens der sich freiwillig Unterjochenden, galt der Schreber - oder Kleingartenverein. Die zunehmenden Ansprüche an die eigene Lebensqualität fanden auch hier ihren Niederschlag. Wurde in den 50er und 60er Jahren noch - der puren Not gehorchend - in den meisten Parzellen Obst -, Gemüse - und Kräuterbeete angelegt, wurden im Herbst hieraus von Äpfeln bis Zuckerrüben so ziemlich alle verwertbaren Sorten geerntet und dann mittels Einwecktechniken für den bevor stehenden Winter und das Frühjahr konserviert, so begann ab den 70er ganz allmählich ein Umdenken.

Der Kleingarten und/oder der Garten mutierte zu einem Ausstellungterrain für Nippes, Kitsch und Käse in allen nur erdenklichen Variationen. Was die Geschmacksverwirrungen qua Nierentisch, Tütenlampe und Cocktailsessel vorgaben, konnte vom bundesdeutschen Spießer flugs auf sein inzwischen erworbenes Eigentum an Grund - und Boden und / oder dem gepachteten Stück im Kleingartenmileu umgesetzt werden. Es wurden alsbald Schmuckzäune gezogen, die Laube zu einem bewohnbaren Domizil verändert und die Zuwegung mittels Pflasterung befestigt. Der Bauboom kannte auch hier keine Grenzen.

Während sich die Wohnräume, insbesondere das Heiligtum der under-upper - bis upper-middleclass Protagonisten, das Wohnzimmer, sukzessive von der ersten Kitschwelle in Form von vergoldeten Teetischen aus Leichtmetall mit darauf aufgestellten Kitsch-Kunstfiguren, wie einem Laterne haltenden Plastikzwerg, einem Souvenier vom Rhein als Schneegestöber - Schüttel - Landschaft mit Haus in Hartplastikschale und flüssigem Inhalt oder oder einem Blattgold-Imitat - Set, bestehend aus Zigarren/ Zigarettenetui, Feuerzeug und Aschenbecher, ganz seicht verabschiedete, um neuen uniformen Wohnverunstaltungsgegenständen Platz zu machen, rüsteten die Schrebergärtner immer weiter auf.

Die Parzelle erhielt einen Zierteich nebst Mini-Springbrunnen, Wasser spuckenden Metallfrosch oder PVC-Storch, die Bepflanzungen wurden immer exotischer und die bewohnbare Laube war längst ein High-Tech-Kondomium. Es flackerten nicht nur in der Vorweihnachtszeit Lämpchen, Blinker und Birnen, es drehten sich nicht nur zum Herbst, bunte Rädchen und es prangten schon im Frühling unterschiedliche Plastikblumen auf den Fensterbrettern innerhalb und außerhalb des Ersatzheimes.

Eine besondere Art der geistig umnachteten Zurschaustellung des biederen Geschmacks stellt der Gartenzwerg dar. Jenes mystische Geschöpf, dass als Mutation zwischen Troll und Heinzelmännchen einzuordnen ist. Jene gesamtdeutsche Abart des visuell umgesetzten Wunsches, der in jedem Schrebergärtner latent vorhanden ist, die laut Satzung vorzunehmende kleingärtnerische Nutzung möge in Rat und Tat von einem anderen Wesen erledigt werden, das ihm dabei die ständig zur Seite stehende Ehefrau, deren Körpervolumen mit der Anzahl der Ehejahre sich vergrößert, endlich abspenstig machen. Der Gartenzwerg ist der Prototyp des verkitschten Daseins jener damals mehrheitlich konservativ bis reaktionär denkenden, oft auch handelnen Durchschnittsmichel. Er verkörpert jene Bodenständigkeit, die einst den Teutonen zwar in nahezu sämtliche Länder dieser Erde verschlug, die ihn aber spätestens nach 3 Wochen zurück zu Herd und Heim brachte.

So ranken sich aber nicht nur Mythen um jenes Fabelwesen, sondern ganze Industriezweige verdienten damals klotzig an der sofortigen Umsetzung der bierseligen Spießigkeit in Laube und Hütte. Es wurden wahre Brigaden, Armeen oder Kompanien gefertigt, verkauft und aufgestellt. Es gab ausgestellte Riesen und zwergenhaften Zwerge, es wurden rote Gartenzwerge mit schwarzer Zipfelmütze, blaue Zwerge mit grüner Mütze oder sogar Gamsbart tragende Unikums verkloppt. Je exotischer der Zwerg, desto biederer der Geschmack des ihn Aufstellenden. Zu den wesentlichen Errungenschaften der BRD-Leidenskultur gehört mit Sicherheit das Deutsche Gartenzwergmuseum im thüringischen Gräfenroda.

Hier kann der Fan klein-bürgerlichen Kultursinns sich so richtig nach Herzenslust satt sehen.

Die 80er, die Wiedervereinigungsjahre und die Nachmilleniumsdekade, die mit einem rapiden Interessenverlust der nachfolgenden Genrationen an jenem Biedermannsgenre einhergehen, macht aber auch vor der Haustür des Winter festen und subtropischen Temperaturen erprobten Relikt aus Holz, Steingut oder Plastik nicht halt. Das durch die globalisierende Kurzzeitkultur mit samt ihren Massenkommunikationsmitteln geprägte Umfeld, lässt den Gartenzwerg ganz sanft in die Dauerrente gehen. Er verabschiedet sich jedoch nicht mit einem großen Konzert, nicht mit einer Abschiedsparty oder einem Festbankett vom Grill, nein, er geht auf Wiedersehen sagen, in dem er den Ausdruck deutscher Tugenden, die einst mit Fleiss, Verlässlichkeit und Unterwürfigkeit zu charakterisieren waren, mittels des Deutschen Grußes dokumentiert.

Also: Heil Dir Deutschland, wache gut über Deine verrenteten Gartenzwerge und denke dabei an die Aufbaujahre, als ein Schlager-Schnulzenplärrrer namens Bill Ramsey undeutsch deutsch sang:


Dreißig Meter im Quadrat
Blumenkohl und Kopfsalat!
Wer so einen Garten hat
fühlt sich wohl in der Stadt!
Eine Braut ist auch schon da
und die Braut ist nett!
Ich wäre schon komplett
wenn ich das eine hätt'!

Adelheid
Adelheid
schenk' mir einen Gartenzwerg!
Adelheid
Adelheid
einen kleinen Gartenzwerg!
Adelheid
Adelheid
bitte tu ein gutes Werk

und schenk' mir für mein Rosenbeet einen kleinen Gartenzwerg
und schenk' mir für mein Rosenbeet einen kleinen Gartenzwerg!

Dreißig Meter im Quadrat
ja da sind wir ganz privat.
Wo die roten Rosen stehn
könnte ihn wohl jeder sehn

unsern kleinen Gartenzwerg! Wär' er doch schon hier!
Dies kleine Souvenir
das wünsch' ich mir von dir!

Adelheid ...

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