Was ist eigentlich eine Kohlfahrt?
Als gebürtiger Niedersache, als Schaumburg-Lipper, jetzt Schaumburger, als Heeßer, habe ich im Verlaufe der Jahre doch so einige Sitten, Gebräuche und Gepflogenheiten kennen gelernt. Die Massenbesäufnisse, wie Schützen - und/oder Erntefest gehörten ebenso dazu, wie die obligatorischen Jahrmärkte, anders auch als Kirmes tituliert. Während ich den Frohsinnsorgien mit garantiert eingebauten Schlägereien und anschließenden Tageskater nichts abgewinnen konnte, bin ich viele Jahre später dennoch in die ländliche Tradition eingetaucht.
Wer sich einige Kilometer jenseits des Weserberglands, des Teuteburger Walds oder des Wiehengebirges in nord-östliche Richtung begibt, der wird alsbald über den Landkreis Nienburg, Diepholz oder Cloppenburg in die Gefilde des Oldenburger Landes eintauchen können. Hier sind die Wiesen grün, die Straßen oft sehr gerade und die Menschen erdverbunden, wortkarg und Freiheits liebend. Das Oldenburger Land ist aber auch für seine Traditionspflege berühmt berüchtigt. Hier spielen die ländlichen Werte noch eine tragende Rolle. So, wie es auch in Ostfriesland der Fall ist. Eines jener spezifisch norddeutschen Brauchtum ist das Grünkohlessen.
Der Grünkohl ist eine ganz besondere Pflanze. Er zählt zu den Kohlarten,
(Brassica oleracea convar. acephala var. sabellica L.) gehört zur Familie der Kreuzblütengewächse (Brassicaceae). Es ist ein typisches Wintergemüse und eine Zuchtform des Kohls (Brassica oleracea).
Die ursprüngliche Herkunft ist das heutige Griechenland.
Das Gemüse wird auch regional als Braunkohl tituliert. Hintergrund dieser Namensnennung könnte das sich typische Verfärben nach dem zweiten Aufwärmen sein, aber auch die bräunlichen Ränder nach dem ersten Frost, nach dem es auf jeden Fall abgeerntet werden soll.
Grünkohl diente dann als Winterspeise in den Zeiträumen von November bis März und wurde später mit Kartoffeln - Bratkartoffeln,Salzkartoffeln oder Pellkartoffeln - serviert. Der Kohl selbst wird geschnitten, gewürzt ( Salz,Zucker,Pfeffer, eine Prise Majoran ) sowie unter Beigabe von geschnittenen Zwiebeln aufgekocht. Hiernach werden Hirse oder - regional unterschiedlich - kernige Haferflocken hinzu gegeben. Nach weiteren Aufkochen wird Kasseler Koteletts, Bauchspeck, Bregenwurst, Pinkel oder Kohlwurst hinzu gegeben.
Nach dem weiteren Aufköcheln - es soll darauf geachtet werden, dass die Fleisch - und Wurtseinlagen ordentlich durch sind - wird das Gericht zusammen mit den Kartoffeln in verschiedenen Behältnissen ( Terrinnen,Schüsseln,Töpfen ) serviert. Zur Geschmacksverbesserung kann ein mittelscharfer bis scharfer Senf kredenzt werden.
Das deftige, würzige und kalorienhaltige Essen ist nicht leicht verdaulich, so dass ein Schnaps ( Korn, Aquavit, Jägermeister ) oft erforderlich wird, um ein Völlegefühl zu vermeiden. Es macht jedoch satt und kann - wegen der kalten Jahreszeit eben - mehrfach aufgewärmt werden.
Als in den nordeutschen Umfeld verbliebener habe ich den Grün - oder Braunkohl seit Kindesbeinen an kennen gelernt. Später hatte ich die Möglichkeit, die friesische, ostfriesische und bremische Zubereitung genießen zu dürfen.
Eine ganz besondere Variante des Grünkohlessens ist die Kohlfahrt oder Kohl & Pinkel - Fahrt, die regelmässig ab November des Jahres bis in den März von diversen Gruppen ( Firmen, Vereinen, Gemeinschaften ) veranstaltet werden. Ab November bewegen sich dann Massen von Menschen ab Freitagnachmittag bis Sonntagnachmittag auf den Wegen, Feldwegen oder schwach frequentierten Straßen zu den zuvor festgelegten Lokalitäten. Während dieser Völkerwanderung wird ordentlich Alkohol getrunken, es werden einige Spielchen, wie ürfeln mit einem überdimensionierten Spielgerät, Ratespiele oder Geschicklichkeitsübungen veranstaltet. Hierbei kommen die in einem kleinen Handwagen bzw Bollerwagen mit gezogenen Schnapsflaschen zum Einsatz.
Schon erheblich angeheitert und oft leicht durch gefroren, kehren diese Gruppen dann zum vereinbarten Zeitpunkt in eine Gaststätte ein. Hier wird weiter gegeseen und gezecht. Im Anschluss daran soll getanzt werden. Nun, das Ende eines solchen Abends ist meist offen. Häufig machn die Kohlfahrer wegen des übermässigen Alkoholgenusses jedoch vorher schon schlapp.
Im Verlaufe des Abends wird ein Kohlkönig mittels Los oder durch Abstimmung gekürt. Der hat die nächste Fahrt zu organisieren.
Ich habe ab den 90er regelmässig an diesen Kohlfahrten teilgenommen, Es ist kein billiges ergnügen. Neben einer Pauschale von 10,-- bis 20,-- DM ( heute Euro ) für die Getränke und die kleineren Snacks während des Spaziergangs sowie den manchmal ausgelobten kleineren Preisen, wird ein Betrag von 15,-- bis 18,-- DM ( Euro ) für das Kohlessen in dem Lokal fällig. Die anschließenden Getränke kommen noch hinzu.
So sind denn für eine Kohlfahrt 50 -- DM ( Euro )pro Person einst keine Seltenheit gewesen. Immerhin gab es dafür einige Stunden Belustigung und später einen Kater.
Im Sinne des norddeutschen Brauchtums lässt sich deshalb konstatieren: " Eine Kohlfahrt, die ist lustig! " - Wie wahr!
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