Die ungeliebten Nachbarn oder: Wo hört Fremdenfeindlichkeit auf?
Das Leben auf dem Lande hat oft Vorzüge. Es gibt hier saubere, frische Luft, keinen stetigen Verkehrslärm, eine geringe Kriminalität und manchmal ist der Gemeinschaftssinn etwas ausgeprägter, als in der Stadt. n den frühen 70er Jahre gab es einen Trend zum Leben auf dem Lande. " Goin'up the country ", " Goin'to country " oder " Country life ", so hießen die entsprechenden Rock - und Popsongs zu dieser einstigen Bewegungen, innerhalb derer eine Reihe junger Menschen versuchten, ihren eigenen Lebensstil zu kreieren, sich selbst zu finden und dem Konsum geordneten Vorgaben durch das Elternhaus, die Hauptgesellschaft und dem Staat, alsbald den Rücken zu kehren. Die sogenannte alternative Bewegung hielt bis in die 80er Jahre an. Neben den politischen Strömungen in Form der Anti-AKW-Bewegung, der Friedensbewegung und der ökologisch ausgerichteten Landkommunen, zeigte sich auch eine gewisse Bereitschaft, gegenüber Andersdenkenden, gegenüber Andersartigen, ja, gegenüber dem Anderen eine bestimmte Toleranz zu üben.
Diese Grundsätze standen jedoch nicht im Einklang mit den Lebensinhalten der sonstigen Landbevölkerung, deren Sichtweise auf den Rest der Welt nicht unbedingt kosmopolitische Grundsätze beinhalteten. Ob nun hoch im Norden oder tief in der bajuwarischen Provinz, ob im Osten oder Westen, die sehr oft mit Vorurteilen behafteten Einstellungen der " Landeier " führten dazu, dass der Fremde, der Gast, der Hinzugezogene, keinen leichten Stand hatte. Mit Ablehnungen sollte allerdings jeder Nichteinheimische rechnen, wenn er den eigenen Drang, ein schmuckes Eigenheim in der Pampa erwerben zu wollen,in die Tat umsetzt. Wer sich auch noch so sehr bemüht, das Gesicht des Fremden zu verdecken, er wird an jenen Bemühungen schon allein deshalb scheitern, weil er die eigenen Strukturen in dem neuen Umfeld eben nicht kennt. Er ist hier nicht geboren, er kennt die familiären Zusammenhänge nicht und auch die hierarchischen Gegebenheiten. Er ist fremd, obwohl er weiterhin in seinem eigenen Land lebt.
Mit zunehmender Mobilität haben sich zwar die Gegensätze zwischen Stadt und Land, Nord und Süd, Alten zu Neuen Bundesländern immer weiter verwischt, dennoch gibt es spezielle Eigenarten, die eben nur in bestimmten Regionen vorzufinden sind. Was jedoch - nicht nur den Teutonen - allen sogenannten Einheimischen erhebliche Schwierigkeiten bereitet, sind die abweichenden Lebensweisen der dann zugezogenen Fremden. Ob es um die Wohnung, das Haus oder den Garten, die Kindererziehung, die Essgewohnheiten oder die vor der Tür stehenden Fahrzeuge geht, sie können allesamt - und das nicht nur ein Mal - ein Stein des Anstosses sein.
Jüngstes Beispiel für nachbarschaftliche Streitigkeiten und sich aufschaukelnde Verhaltensweisen zeigt das Nest Klingenhain im Nordsächsisches. Hier hieß es kürzlich in einer dpa - Meldung:
" Die neunköpfige Sinti-Familie will nach dem Brand nicht mehr nach Klingenhain zurückzukehren. Sie hatte seit 2003 in dem Ort gelebt und hält sich nach Angaben der Polizei jetzt bei Verwandten in Frankfurt am Main auf. Der Familienvater sagte dem Sender, er wolle es seinen Kindern nicht mehr zumuten, als «Neger» oder «Ausländerschwein» beschimpft zu werden. Auch habe es immer wieder Einbrüche in das Haus gegeben. Mit einem Stein sei zudem ein Fenster im Kinderzimmer eingeworfen worden. An dem Stein habe ein Zettel mit der Aufschrift «Haut ab ihr Kanaken!» geklebt. Sachsens Ausländerbeauftragter Martin Gillo sagte: «Die schwere Brandstiftung ist ein bedrohliches und bedauerliches Verbrechen.» Die Gespräche vor Ort hätten bestätigt, dass es bislang keine Fakten gebe, die ein rassistisches Motiv der Tat belegten oder entkräfteten. Die Ermittlungen der Polizei gingen in alle Richtungen, da es für die Tatzeit keine Zeugen gebe. Gillo hatte sich am Dienstag bei einem Besuch über die Situation in Klingenhain informiert. Katja Brass von der Opferberatung Leipzig sagte, die Familie sei aufgrund ihrer Herkunft in Klingenhain diskriminiert worden. Brass hatte die Öffentlichkeit in dieser Woche über den Brand informiert. "
Nun sollte sich jeder Außenstehende dafür hüten, aus jenen Meldungen voreilige Schlüsse zu ziehen, aber: Starrsinn, Intoleranz und verletzte Eitelkeiten waren schon immer ein guter Nährboden für Vereinfachungspropagandisten, verblendete Lebensfrustrierte und ideologische Heilsbringer. Wer im eigenen Garten keine Ordnung hat, sollte sich über des Nachbars Domizil nicht echauffieren. Wenn derartige Fälle
allerdings zur Regel werden sollten, hat unsere Zivilgesellschaft mehr als nur ein ernsthaftes Problem.
Kommentare
...oder frei nach Bernd Stromberg:
Wenn Mutter, Schwester und Lieblingskuh ein und die selbe Person sind...
;-) Haha!