Die Spätzle-Connection vom Prenzlauer Berg.



Dass der MDR nicht gerade die Ausgeburt des investigativen Journalismus darstellt, dürfte selbst eingefleischten Zuhörern und Zuschauern längst bekannt sein. Dennoch gelingen auch dieser ARD-Anstalt im Verlaufe des Jahres der ein oder andere gut recherchierte Beitrag. So auch am ersten Samstag im neuen Jahr 2010.
In den Frühsendungen von MDR Info wurde da über eine Entwicklung im einstigen Ostteil der Bundeshauptstadt berichtet, die einem kritisch eingestellten Rezipienten doch zu denken gibt. Es ging um jene soziale und sozio-kulturelle Wandlung im einstigen Altbaugebiet Prenzlauer Berg. Eine so genannte Gentrifizierung oder " Yuppisierung " von Stadtteilen, Stadtvierteln oder Straßenzügen hat es allerdings lange vor der Wiedervereinigung gegeben. Ob nun in Bremen das " Ostertor - und Steintor ", Insidern als " Viertel " bekannt, in Hamburg die Stadtteile Ottensen, St. Georg, St. Pauli oder das berühmt berüchtigte Schanzenviertel; in Leipzig die Südvorstadt und auch Plagwitz: die Methodik ist nahezu identisch. Es werden Abbruch reife Häuser kostspielig saniert, dann zu exorbitant hohen Mieten angeboten und danach von Besserverdienenden bewohnt.

Zunächst ist an einer solchen Entwicklung nichts verwerfliches zu erkennen. Warum soll ältere oder alte Bausubstanz nicht durch Renovierung und Sanierung erhalten werden? Wer allerdings - jenseits eines derart naiven Denk - und Begründungsansatzes - die sich daraus ergebene Entwicklung betrachtet, muss ein anderes Fazit ziehen. Hierdurch entsteht ein gewusst gewollter Verdrängungprozess in Gestalt einer einher gehenden Selektion von zahlungskräftigen und finanziell nicht so gut gestellten Menschen. Aus der einst historisch gewachsenen Einwohnerstruktur dieser Sanierungsgebiete wird alsbald eine Ghettoisierung in Gestalt der Zugehörigkeit einer bestimmten Bevölkerungsgruppe. Jene finanziell nicht so gut aufgestellten Bewohner werden qua Mietpreis aus einem Haus, einer Straße und einem Stadtteil verdrängt, da diese sich hohe Mieten nicht leisten können. Es entsteht dann ein Zuzugseffekt durch wohlhabende Mieter bzw Eigentümer. Für die Investoren, Vermieter und Verkäufer stellt diese Entwicklung ein überaus profitables Geschäft dar. Satte Renditen sind die Folge, die wiederum in neue Projekte investiert werden könnten.

So macht Ökonomie richtig Spaß!

Nur zu oft verknüpft sich hiermit jedoch eine einseitige und damit auch ungesunde Entwicklung. Das zwischenmenschliche Zusammenleben verödet, weil die neuen Bewohner nur unter Ihresgleichen bleiben. Der längst ungeliebte Große Bruder jenseits des Großen Teiches hat hierfür ungezählte Beispiele parat. " Keeping up with the Jones' ", so nannte sich einst, nämlich in den 50er und 60er Jahren der aufkommende Trend in den USA, mit dem ganze Stadtteile unter Zuhilfenahme von privaten Sicherheitsdienstleister ihre Domizile abschotten ließen, weil sie die - durchaus begründete - Angst hatten, dass sie Opfer von Eigentumskriminalität werden könnten. In jenem selbst gewählten Ghetto zeigte sich dann eine aberwitzige Sozialstruktur, die in ihrer Ausprägung lächerliche Spinnereien aufwies. So wurde der Rasen des Vorgartens nur mit bestimmten, dann aber auch einheitlichen Bepflanzungen versehen. Das matte Grün musste auf eine standardisierte Höhe gekürzt werden, denn es waren hierfür die gleichen Fachfirmen tätig oder aber der Nachbar hatte es vorgemacht. Es standen mindestens zwei PKW auf dem Grundstück oder in der Garage. Die Zimmereinrichtungen hatten nahe zu identisches Aussehen. Die Frauen und Männern trafen nur Freunde aus unmittelbarer Nachbarschaft usw. usf.

Der Durchschnittsyankee hatte immer schon ein Faible für Schrullen.

Nun, mittlerweile hat sich das alte Amerika dank moderner Fortbewegungs - und Kommunikationsmittel etwas gewandelt. Der Dollar ist nicht mehr die weltweite Leitwährung, die Geschmack lose Tütenlampe, der Nierentisch und die klotzige Musiktruhe, die piefige Einbauwand, die Blümchentapete oder das eingekerbte Sofakissen feiern zwar - trotz vieler vergeblicher Wiederbelebungsversuch - keine Renaissance, auch der klobige, 8-zylindrige Cadillac und sonstige Benzin fressende Monster - einst als Straßenkreuzer tituliert - kommen so langsam außer Mode, weil der Öl - und Benzinpreis längst die Schmerzgrenze der middle class überschritten hat, denn deren Durchschnittsverbräuche von 4 bis 5 Gallonen auf 100 Kilometern kann auch eine gut situierter white colour worker nicht mehr wuppen.

Was verblieben ist,was nicht dem durch Globalisierung angeschobenen Wandel unterliegt, ist der US - amerikanische Wahn nach materieller Selbsterfüllung. Immer noch definiert der einstige Cowboy sein eigenes Leben über den sozialen Besitzstand. Wer nicht zu seinem dazu passend gemachten Umfeld gehört, der ist nicht so viel wert. " Money talks " - wie wahr!

Die historische Entwicklung des Schwaben, seines einstigen Lebensraumes und seiner kulturellen Wurzeln wollte es, dass er dem Amerikaner bis ins letzte Glied ewige Dankbarkeit zollt, weil dieser ihm nach dem Untergang des Tausenjährigen Reiches ab 1945 über den Marshall-Plan den notwendigen Anschub gab, damit sich jenes " Ländle " zwischen Schwarzwald, Bodensee und Heuchleber ( so die mögliche geographische Definition ) die dann entwickelte Eigendynamik verpassen konnte, um daran zu partizipieren, dass dank der kapitalistischen Wirtschaftsordnung nach 1949, das zweit-reichste Bundesland in der BRD entstehen konnte.

Das war jedoch nicht immer so. Die Geschichte der Schwaben lässt erkennen, dass dieses Volk einst arm war. Filme, Bücher und sonstige Beiträge erzählen von Hungersnöten, von Eltern, die ihre Kinder in die Schweiz verkaufen mussten, weil sie sie nicht ernähren konnten, von Auswanderern aus dem einstigen Schwabenland, die es auch nach Rumänien in die dortigen Karpaten gezogen hat. Auch im ehemaligen Jugoslawien sowie in Österreich, in den Donaugebieten siedelten Schwaben an. Ein Fahrensvolk also? Keineswegs, denn der gemeine Schwabe ist zwar heute noch reiselustig, aber vorrangig bodenständig. Und dieses, obwohl er der Eisenbahnfahrt mit gehobenen Ansprüchen durchaus nicht abgeneigt ist. Auch die Reise mittels Automobil - es muss hierfür nicht eines mit dem Stern sein - gehört zum Repertoire des Schwaben. Auch sonst hat er es durch die Bausparkassen im eigenen " Ländle ", die historisch bedingte Sparsamkeit ( " Schaffe, schaffe Häusle' baue'; Hund verkaufe, selber belle'!" ) und einem nicht unerheblichen Quantum an Pfiffigkeit und Fleiß, im vor geplanten Leben zu Wohlstand gebracht.

Tja, mittels jener Gemengelage, durch mischt mit dem Hang zum Amerikanismus, versuchte der Schwabe sich nach der vom Volk eingeleiteten Wende nebst Wiedervereinigung auch in den Neuen Bundesländern. Ob nun als Aufkäufer der lästigen Konkurrenz zum Breulśchen Schacherpreis für 1,-- Deutsche Mark ( die wollten ja auch die Ex-DDR'ler ), als Investor bei der Abrissorgie ganzer Straßenzüge in den Städten oder als Vermieter ehemaliger VEB-Areale der gemeine Schwabe mischte immer mit. Hier zum Vermieter mutiert, dort zum Manager erkoren, da als gewitzter Banker mit Raffzahn-Boni-Mentalität. Who the money is, is the " Schwoab ".

So ist es nicht weiter verwunderlich, dass die einst besseren Viertel des damaligen Ost-Berlin von jener Spezies des pseudo-ökologisch denkenden und handelnden Schwetzingers, Bietingheim-Bissingers oder Freiburgers schon deshalb interessant werden, weil hier ein ghettoisiertes Leben unter Seinesgleichen noch zu akzeptablen Kosten möglich ist. Fern von der ansonsten öden baden - württembergischen Provinz mit seinem piefig-miefigen Grundmustern, lässt sich dann zwanglos ein vermeintlich alternatives Eigenleben führen, da die Nachbarn ja eher Gleichgesinnte, denn lästernde und dekadent denkende CDU-FDP-Fans sind. Einschränkend hierzu gilt aber auch, dass sich der yuppisierte Schwabe nicht grundsätzlich vom Bayer, Badener oder Hessen unterscheidet. Wer eine bestimmte Herkunft, Ausbildung oder Lebensphilosophie mit sich herum trägt - wobei diese Faktoren mit einander korrelieren -, der ist ständig bemüht sich von der grauen Masse abzusetzen.

Ob es nun auch dem Gebiet der Essgewohnheiten, der Kultur oder der Kindererziehung ist, in jedem Fall bestehen nicht unerhebliche Unterschiede bei den Inhalten, der Ausgestaltung und Umsetzung jener Bereiche. Während der eine Teil der Gesellschafter sich mit existenziellen Problemen, wie HARTZ IV, Ausbildungsplatzsuche oder Jobs im Niedriglohnbereich herum schlägt, halten es jene Yuppie-Gruppen eher mit der Klärung von Nahrungsmittelzusätzen außerhalb des biologischen Anbaus, dem Besuch eines Grundkurses in Business-Chinesisch und der Arbeitsplatzausgestaltung unter Berücksichtigung des individuellen Biorhythmus.

Die gehobenen Ansprüche lassen denn auch rasch die Neidhammel aktiv werden. So lässt sich zu diesem Thema beim Googlen eine beachtliche Zahl von Treffern erzielen. In jenem, seit mindestens 1, 5 Jahren durch sämtliche Medien geisternden Randthema ist von " Schwaben-Bashing am Prenzlauer Berg " die Rede; da wird von " linken Neidern " besprochen und über den latenten Ossi-Wessi-Konflikt schwadroniert. So beklagen sich einige Protagonisten aus dem Wohnumfeld Prenzlauer Berg in ihren Blogs über jene unsägliche Entwicklung, mit der die ursprüngliche Bewohnerstruktur irreparabel zerstört wird. Andere Kritiker rufen zum aktiven Widerstand gegen die " Zugereisten " auf, in dem - neben dem öffentlichen Plakattieren von Schmähungen, der verbalen Drohpalette ( Faust - Stinkefinger - Kreis zwischen Daumen und Ringfinger produzieren ) oder Beleidgungen aĺa '" Porno-Hippie-Schwabe " - auch schon häufiger Fensterscheiben zu Bruch gehen, Farbbeutel gegen Wände fliegen oder so gar PKW in Brand gesetzt werden.

Das Repertoire des passiven und aktiven Widerstandes gegen die oben benannte Entwicklung ist jedoch noch steigerungsfähig. Deshalb fühlen sich die Invasoren aus Schwaben nicht nur bedroht, sondern auch in ihren Grundfesten der eigenen Lebensphilosophie erschüttert. Missverständnisse könnten dennoch durch Gespräche mit einander beseitigt, Vorurteile abgeschwächt und ein friedlicheres Zusammenleben geplant werden, wäre da nicht jene schwäbische Eigenart, sich zum Opferlamm hoch stilisieren zu lassen, sofern der eigene Lebenstil nicht wirklich vermittelt werden kann.

Statt der Versuche, über Gespräche mit den Kritikern sich einander zu nähern, werden Zäune gezogen, Überwachungsinstrumentarien installiert und Sicherheitsfirmen beauftragt. Flankierende Unterstützung erhält die " Spätzle Connection " von ihnen mehr als nur wohl gesonnen Redakteuren der einstigen Regionalpresse. Ob nun die Süddeutsche Zeitung von jener Entwicklung am Prenzlauer Berg einseitig schwarz-gelb gefärbt berichtet oder die Stuttgarter Nachrichten von " Schwabenhatz " sprechen, deren undifferenzierte Berichterstattung flugs von der Provinzpostille Heidenheimer Zeitung adaptiert wird. Hier bahnt sich die alt bekannte Mär vom gewalttätigen "Linksautonomen " den Weg zum fernen Leser in Berlin und führt dazu, dass dessen Abkapselungsaktivitäten noch verstärkt werden. er intolerante " Linksautonome ", der Linksrassist ", der " linke Schwabenhasser ", dieses sind die Schlagworte, mit denen genau das Gegenteil von dem erreicht wird, was eigentlich erforderlich erscheint: Wege nach einem friedlichen Miteinander zu suchen.

So holzen beide Gruppen auch weiterhin aufeinander los, schüren damit nur die bereits vorhanden Vorurteil und geben der anderen Seite immer neue Gründe, sich so zu verhalten, wie es in einer derartigen Konfliktsituation eben nicht richtig sein dürfte. Mit jeder neuen Auseinandersetzung mutiert das Geplänkel weiter zu einer Provinzposse in der Weltstadt Berlin.


Porno-Hippie-Schwabe


Er ist die Weiterentwicklung des Latte-Macchiato-Trinkers und des urbanen Penners, allerdings mit mehr Geld. Der Porno-Hippie-Schwabe kann durchaus ein Medienmensch sein, muss aber nicht. Möglicherweise verdient er sein Geld auch in der Werbung. Sein Ziel ist es, in einem Townhouse zu wohnen, das ist der schwäbische Ansatz. Porno wohl deshalb, weil er im Sommer gerne große Sonnenbrillen trägt, denn der Porno-Hippie-Schwabe ist am Ende auch ein Fashion-Victim.

Und zum Thema " Rassismus " :

http://de.wikipedia.org/wiki/Rassismus

Na, denn, weiterhin fröhliches Scheinschießen!

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