Was ist denn Entrostungsbeize? Oder: Wenn nichts mehr hilft, kommt´s auf den Müll.



 Der frühe Samstagsvormittag war vor vielen Jahren bei mir geprägt von reiner Vorfreude. Ab 15.00 Uhr gab es nämlich die Radioberichterstattung von den Spielen der Fußball - Bundesliga. Und deshalb gingen mir die auch damals als eher lästig empfunden Pflichtaufgaben, wie Einkaufen, Saubermachen oder Autowaschen immer ein wenig leichter von der Hand. Schließlich wartete ich nach dem Mittagessen auf die mir seit vielen Jahren bekannten Stimmen der Moderatoren der " Hansawelle " und später " Bremen 1 ", wie Wilhelm Johannson, Walter Jasper, Henry Voigt, wenn sie von den Spielen des SV Werder Bremen berichteten. In der Gewissheit, dass der SVW in unzähligen Heimspielen seine Gegner regelrecht vorführte, schaltete ich dann das Radiogerät ein.
Nun, seit einigen Jahren fallen mir die lästigen Hausarbeiten nicht mehr so leicht. Nicht deshalb, weil das Alter an der Konstitution nagt, die Routine mich eher abtörnt, sondern, weil der eingefleischte Werder - Fan Angst vor einer Pleite, einer richtigen Klatsche, einer echten Vorführung seines heiß geliebten Vereins haben muss.

So war es denn auch gestern Nachmittag, als ich als Billig - Abonnent des Bezahlsenders " sky " die Übertragung des BL - Spiels zwischen SV Werder und Borussia Dortmund sah. Besser. Mir antat. Nach einer halben Stunde waren die Messen gelesen. Der BVB führte mit 1:0 und führte den SVW danach regelrecht vor. Schwamm drüber!


So ging ich in dunkeler Vorahnung, dass es auch dieses Mal ´ne deftige Packung gibt,zuvor in den Garten, um die Wäschespinne aus dem Keller - Winterschlaf zu erlösen, diese auf die inzwischen wieder grüne Wiese zu bringen und dort in die Bodenhalterung zu bringen. Leichter gedacht, als getan. Der Rost hatte den Schrauben der Bodenhülse arg zugesetzt. Einige Versuche, diese mittels Schraubenschlüssel, Ringsschlüssel und Zange wieder flott zu machen, schlugen grandios fehl. Neben einer weiteren, vom Rost zerfressenen Gewindeschraube, die ich mit brachialer Gewalt einfach abbrach, verzogen sich auch noch die Metallblättchen in der Hülse. So würgte ich denn - wie später mein SVW gegen die Gelb - Schwarzen - an den drei Schrauben herum, die - so wie mein SVW - nur noch als Torso zu bezeichnen waren. Es bewegte sich - trotzt gewaltiger Anstrengungen - nichts. Das war beim SV Werder gestern Nachmittag auch der Fall. Keinen Millimeter des metrischen Gewindes konnte ich die Kopf lose Schraube heraus drehen.

Ich war bereits beim Aufgeben, als mir ein Geistesblitz kam. Der wäre gestern im Bremer Weserstadion auch von Nöten gewesen. Wie der in eta, dass alle Weltklassespieler, die die Grün - Weißen in den letzten 20 Jahren verkaufen mussten, weil die Kohle fehlte, sich um ebenzwei Dekaden verjüngen könnten, wieder das grün - weiße Dress trugen und den BVB mit 5:1 auseinander nähmen. Doch vorher musste ich die Bodenhalterung der bald wieder zu gebrauchenden Wäschespinne gangbar machen. Da war doch im Keller so ein Rostlösemittel in einer Spraydose, die ich für 1 Euro bei " Wreesmann " erworben hatte. Vielleicht könnte das des Rätsels Lösung sein. Rostlöser auftragen, warten und dann ordentlich drehen?

Ich begab mich - wild entschlossen, das Schraubenproblem jetzt final zu lösen - in den Keller. Aus dem mehr recht als schlecht, nee, umgekehrt, aufgeräumten Regal, suchte ich die rot - weiße ( eine abartige Trikotfarbe! ) Spraydose und fand sie aber nicht. Kein Rostlöser, keine Spraydose, keine Halterung für die Wäschespinne. " Sch...!, " entkam es mir. Das wird heute nichts mehr. Und, als wenn ich´s bereits zwei Stunden vorher geahnt hätte, es wurde im vollen Weserstadion an diesem Nachmittag des 8. Februar 2014 auf nichts mehr. =:1, Robert Lewandowski ( ein klasse Tor ), 0:2  Henrikh Mkhitaryan. Na, ja, war ein bisschen Glück dabei. Halbzeit!

Ich hatte die Halbzeit bei der Suche nach dem Rostlöser längst überschritten, als mir eine bäuchige Glasflasche in die Hände kam. Das schon arg angestaubte Glasgefäss, hatte seine besten Jahre längst hinter sich. Der helle Inhalt sah wie kondensiertes Wasser aus. War es aber nicht! So drehte ich die Glasflasche um und las: " Entrostungsbeize Ferrodit ". So stand es in grüner Schrift auf inzwischen angegilbten, zuvor weißem Hintergund. Der Aufkleber hatte das Flair eines grün - weißen Oldtimers aus den später 1960er Jahren. Als der SVW auch gegen den Abstieg kämpfte. Schon sichtbar ramponiert! Ich nahm die Flasche aus dem Regal und ging zurück in den Garten. Dort öffnete ich den Plaste-Schraubverschluss und träufelte ein wenig von der Flüssigkeit auf einen mit genommenen Lappen. Sofort rieb ich die drei Schrauben der Bodenhülse mit dem Zeugs ein. O´Wunder, innerhalb von ein, zwei Minuten verwandelten sich die rostigen Schraubenköpfe in leicht glänzende Metallköpfe.Der sechskantige Schraubenkopf war schon als solcher zu erkennen. Ich wiederholte die Prozedur einige Male und versuchte nun die Halteschrauben zu drehen. Trotz immenser Kraftanstrengungen: Es bewegte sich nichts.

Nachdem ich sowohl die Schraubenschlüssel ausprobierte hatte und auch die Kombizange in Anspruch nahm, bemerkte ich, dass die Sechskant- Köpfe inzwischen rund waren. So, wie das Leder an jenem Tag im Bremer Weserstadion auch. Die Schrauben ließen sich nun gar nicht mehr drehen. Das war´s für heute. Genau, das war´s auch nach dem 0:3 durch manuell Friedrich, der ja auch beim SVW mal unter Vertrag war. Ein, ja ein einziges Pflichtspiel hat er dort bestritten, dann warfen ihn zwei hinter einander folgende Kreuzbandrisse aus dem Kader. Jetzt trifft er doch ausgerechnet gegen seinen Ex - Arbeitgeber.

Nun wollte ich den schwarzen Deckel zu der Glasflasche wieder zuschrauben. Bei diesem Versuch ließ ich ihn auf den Rasen fallen. Gerade dorthin, wo ein an das Tageslicht hervor kommende Regenwurm lag. Beim Versuch den Deckel wieder aufzunehmen, berührte ich mit dem Lappen das Getier. Der arme Wurm, die geschundene Kreatur, er krümmte sich jetzt, wie ein Aal ohne Wasser, wie der SVW ohne solide Abwehr, kreatives Mittelfeld und torhungrigen Stürmer. Der Wurm wandt sich, er schlängelte sich durch die Grasnarbe, er kringelte sich auf der nassen Rasenkrume. So, wie gestern mein SV Werder!

Dann war er plötzlich verschwunden. Zurück gekehrt in die Unterwelt. In die Finsternis, in den Boden. In den spielten auch die Borussen aus Dortmund, die Werderaner. 42.000 Zuschauer sahen es. Davon mindestens 4.000 aus Dortmund. Ich nahm den Deckel, die Schraubkappe aus Hartplastik und drehte den Verschluss auf die Flasche. Inzwischen brannten meine Finger wie Feuer. Ein Teufelszeug, dieses " Ferrodit ". Das muss doch aus der unter gegangenen DDR stammen?       

Und, tatsächlich. Die chemische Keule, die sich " Entrostungsbeize " nannte, wurde damals im VEB Hartölwerk Magdeburg hergestellt. Weil das Internet heutzutage beinahe alles weiß, habe ich dazu folgendes gefunden:


" >Hallo,
>kennt einer ein ferroditähnliches Produkt, das es heute noch zu kaufen gibt?
>Ferrodit war ein Tauchbadkonzentrat aus der DDR, 1 Liter auf 9 Liter Wasser, dort wurden dann die rostigen Teile eingelegt, und nach einer Weile waren sie entrostet und gleichzeitig phophatiert. Man musste es glaub ich abspülen und ein zweites Mal mit verdünnter Lösung eintrocknen lassen.
>Jedenfalls gibt es das nicht mehr, (war m.E. von Karipol und die sind pleite)
>bzw. find ich nirgendwo, und Navybrands Phoskleen ist auch nicht dasselbe.
>Das Tauchbadkonzentrat von ICI/Hammerit entrostet nur und schützt nicht.
>Was mir auch helfen würde wäre ein Rezept für eine phosphatierlösung.
>wieviel Phosphorsäure , Wasser , Zinksalz o.ä. und andere Stoffe usw. "

- Zitatende -

Und bei " wikia " steht zu lesen:

" Ferrodit ist eine Marke für einen Rostumwandler, der zunächst in der DDR hergestellt wurde.[1]
Die Marke wurde in der DDR durch Ihre Monopolstellung zum Gattungsnamen für Rostumwandler. Zu DDR-Zeiten wurde das Produkt vom VEB Bonawerk Magdeburg hergestellt.[2] Erstmals vorgestellt wurde das flüssige Rostentfernungsmittel im Jahr 1960 auf der Leipziger Frühjahrsmesse.[3]"

- Zitatende -

Über den Hersteller VEB Bonawerk Magdeburg konnte ich dieses finden:

"

  • Neues Rostentfernungsmittel

    Magdeburg (ND). Ein neues flüssiges Rostentfernungsmittel wird das Bonawerk in Magdeburg auf der diesjährigen Leipziger Frühjahrsmesse anbieten. „Ferrodit", SO heißt das chemische Mittel, hat sich bei Versuchen in Magdeburger Betrieben bereits gut bewährt. Das Werk zeigt in Leipzig noch andere Hilfsstoffe für die Metalloberflachenveredlung sowie mehrere LÖt- und Schweißmittel ... "

    - Zitatende - aus Neues Deutschland ( ND ), Ausgabe vom 26.02.1960,
    http://www.nd-archiv.de/ausgabe/1960-02-26

    Aus der Liste von DDR - Produkte ist unter dem Buchstaben " F ", zu entnehmen, dass " Ferrodit " ein Entrostungsmittel gewesen ist:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Markennamen_und_Produkten_in_der_DDR

    Tja, also " Ferrodit " hat in diesem Fall nichts genutzt, denn der Rostfraß war bereits zu weit fortgeschritten. Nun ist eine neue Haltebuchse oder Haltetülle fällig und bereits von meiner besseren Hälfte bei ebay bestellt. Alles ist vergänglich. So spielt das reale Leben eben. Immerhin, die Reste der chemischen Keule in der Glasflasche sind noch brauchbar, weshalb ich diese auch vorsichtig zurück gebracht habe. Für alle Fälle und, wenn es mal wieder irgendwo klemmt.

    Leider konnte ich die Chemiekeule auf die angerosteten Werderaner am gestrigen Nachmittag nicht anbringen. So kam es, wie es kommen musste:

    0:4   Henrikh Mkhitaryan
    0:5  Robert Lewandowski
    und - was für ein Wunder, meine Grün - Weißen treffen auch:

    1: 5  Levent Aycicek.

    Da war wohl der  Rostlöser am Werk?
     

Kommentare

Octapolis hat gesagt…
wie auch immer dein appetit sein sollte, ich geb dir nen gut gemeinten rat: trink das zeug nicht unverdünnt, haha...
Lobster53 hat gesagt…
Vielen Dank für Deinen gut gemeinten Ratschlag, aber der malträtierte Regenwurm hat mir klar und deutlich den Hinweis gegeben: " Don´t Drink and Drive - Don´t Work and Drink!"

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