Haftentschädigung für Frau Inge Naumann?

Wer nach dem 7. Mai 1945, spätestens am 7. Oktober 1949 oder aller spätestens am 13. August 1961 auf den " falschen " Seiten der Elbe, der Saale oder  östlich der knapp 1.400 Kilometer langen, innerdeutschen Grenze lebte, geboren wurde oder hier später verstarb, musste - sofern er / sie mit den DDR - Gesetzen in Konflikt kam und deshalb zu einer Haftstrafe verurteilt wurde - mit einem Doppelknast vorlieb nehmen. 

Zu den Knästen der mit dem 3. Oktober 1990  unter gegangenen DDR zählte das berüchtigte Frauengefängnis Hoheneck bei Stollberg in Sachsen ( https://de.wikipedia.org/wiki/Hoheneck_(Gef%C3%A4ngnis).

Hier waren in Spitzenzeiten 1.600 Gefangene inhaftiert, obwohl der Knast nur für maximal 600 Personen ausgelegt war. In diesem Gefängnis, dass vormals auch Zuchthaus genannt wurde, saßen reguläre Strafgefangene mit der Gruppe der so genannten " Politischen Häftlinge ( vulgo: " Politische " ) zusammen. Für sämtliche inhaftierten Frauen galt die Arbeitspflicht. Besser ausgedrückt, der Arbeitszwang.

Zu den einstigen Insassen zählte auch Frau Inge Naumann, die zu Beginn der 1980er Jahre in Leipzig wohnte und - nach eigenen Angaben - dort einer Tätigkeit in einem Zahntechniklabor nach ging. Sie hatte in vielfacher Weise einen Ausreiseantrag gestellt ( 28 Mal innerhalb von 2, 5 Jahren ). Nachdem diese Anträge allesamt abgelehnt wurden, begab sich die Petentin zusammen mit ihrem Ehemann auf das Gelände der Botschaft der BRD ( meiner Erinnerung nach war es Prag / Tschechoslowakei ), um ihrem Anliegen Nachdruck zu verleihen. Das hätte sie lieber bleiben lassen sollen. 

Die DDR - Strafjustiz eröffnete ein Verfahren gegen beide Übersiedlungswillige und verurteile Frau Naumann zu einer Haftstrafe von 3 Jahren und 2 Monaten. Welchen Tatbestand sie damals erfüllt haben soll, bliebt allerdings im Unklaren. Frau Naumann wird in dem berüchtigten Knast Hoheneck zur Strafverbüßung verbracht; ihr Mann wandert in den nicht minder bekannten Knast Bautzen II, in dem einst die " Politischen " eingelocht wurden.

Was für Frau Naumann dann geschildert wird, übertrifft die schlimmsten Befürchtungen des längst Bekannten. Dass in der einstigen DDR Häftlinge nicht mit Glacier - Handschuhen angefasst worden sind, dürfte selbst dem letzten Naivling in der BRD bekannt gewesen sein. Und, ehrlich gesagt, zwischen der Endlos - Propaganda der AK, dem " Schwarzen Kanal " oder sonstigen Lobhudel - Sendungen des DDR - Staatsfernsehens und jenen Vollpfosten - MSBlern, DKPisten oder weiteren DDR - Handlangern im Westen, die mit ihren dogmatischen Argumenten den Realzustand im zweiten deutschen Staat wolkig - locker - leicht redeten, und den tatsächlichen Zuständen hinter der Grenze, lagen Lichtjahre.

Dass nun ausgerechnet niemand aus der BRD - Führung von Menschen verachtender Zwangsarbeit in den Knästen gewusst haben will, wird im Nachgang zu dem aufgearbeiteten Unrecht in jenem Staat, nur allzu deutlich. Während Großmannsüchtige, wie der vormalige Ministerpräsident Bayerns, Franz Josef Strauß, zuhause gegen Linksintellektuelle, Kritiker jedweder Art und Anhängern einer anderen Wirtschafts - und Gesellschaftsform mit Hasstiraden zu Felde zogen, verhandelten seine getreuen Vasallen hinter verschlossen Türen mit Erich Honecker und anderen Halunken der SED. 

Das Verlogene an diesem Verhalten liegt indes nicht darin, dass diese Banausen miteinander Geschäfte ab schlossen, sondern, dass sie die Bevölkerung in beiden Staaten für dumm verkaufen wollten.

So mussten Frau Naumann und viele Tausend andere Inhaftierte, in Drecklöcher, die sich Gefängnis nannten, im Drei - Schicht - System malochen bis die Schwarte kracht. Hierüber berichtet ein Beitrag des Ersten unter dem Titel " Ausgebeutet für den Klassenfeind. Wie DDR - Zwangsarbeiter für Westfirmen leiden mussten ", der bereits am 12.10.2015 erstmalige gesendet und über das Sparten - Programm von " Eins festival " am 5. und 6. April wiederholt wurde.

Die beiden Autoren haben anhand von drei Betroffenen, darunter auch Frau Inge Naumann, das perfide System der Knast - Zwangsarbeit aufgedeckt und dabei recherchiert, dass nahezu 6.000 BRD - Firmen hiervon partizipierten. Zu den Geschäftemachern der westdeutschen Industrie und des Handels zählten beispielsweise Hoechst, Bayer und BASF, VW, Otto Versand, Karstadt, Quelle, Hertie, Neckermann und Aldi Süd sowie Aldi Nord, aber auch - horch, horch !  - der schwedische Konzern " IKEA ".

Mit einem Gesamtvolumina von jährlich nahezu 600 Millionen DM wurden DDR - Waren in den westlichen teil Deutschlands gekarrt und hier auf Grabbeltischen verramscht. In der DDR selbst gab es deshalb kaum regulär zu kaufenden Waren für die eigene Bevölkerung oder nur in den privilegierten Verkaufsstellen.. Der marode Staat benötigte dringend Devisen und verkloppte deshalb den letzten, rostigen Nagel an den Klassenfeind. Entweder gegen " harte " Deutsche Mark oder im Rahmen von Kompensationsgeschäften.  So, wie die in dem Bericht benannten Damen - Feinstrumpfhosen mit dem Phantasienamen " Sayonara ", die von den Albrecht - Filialen millionenfach zu sehr günstigen Preisen angeboten und verkauft wurden.
Diese Strumpfhosen musste Frau Naumann in jenen 3 Jahren Knastarbeit mit fertigen. Zu Bedingungen, die - unstrittig - gegen völkerrechtlichen Grundsätze verstießen. 

Frau Naumann nennt dieses heute Ausbeutung, Sklavenarbeit, weil die Betriebe in der DDR, die in den Haftanstalten zum Teil produzieren ließen, zwar die vereinbarten Ostmark - Beträge hierfür überwiesen, doch die Haftanstalten davon den Löwenanteil einsackten und die Häftlinge - wohl nicht oder auch gar nicht - für jene Tätigkeit entgolten worden sind.

Mehr als ein Vierteljahrhundert nach der Implosion des zweiten, des anderen, des so genannten sozialistischen deutschen Staates, versucht Frau Naumann die Öffentlichkeit für jene, eine weitere, inhumane Seite der DDR zu sensibilisieren. Neben der oben genannten ARD - Sendung, berichteten auch einige Printmedien über dieses dunkle Kapitel aus der DDR - Geschichte.   Und - wie sollte es auch anders sein - in einer sehr unterschiedlichen Weise.

Der Bericht in der Frankfurter Allgemeine Zeitung " erwähnt mit keinem Wort, dass die westdeutsche Industrie und der Handel an den Sklavenarbeitern in den DDR - Knästen glänzend verdienten. Warum auch? Schließlich waren die Ganoven ja in der DDR - Regierung und nicht in den Konzernleitungen oder Vorstandsetagen von BASF, Hoechst und Bayer fest zu machen.

In dem wesentlich kritischeren Bericht der " Westdeutsche Allgemeine Zeitung " werden klar und deutlich die BRD - Profiteure beispielhaft genannt, so, wie " Aldi ", " Karstadt " und der " Otto Versand ". Dafür lesen sich die Kommentare der Rezipienten, wie ein vorurteilsbeladener Aufsatz eines Haufen von Ignoranten, die mit ihren Meinungen irgendwo in den Zeiten des Kalten Krieges hängen geblieben sind.  
  

http://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendung/ausgebeutet-fuer-den-klassenfeind-ddr-zwangsarbeit100.html


http://www.derwesten.de/politik/ddr-haeftlinge-naehten-unter-zwang-struempfe-fuer-aldi-id8871876.html



http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/fernsehen/dreharbeiten-im-ddr-frauengefaengnis-hoheneck-es-koennte-inge-naumanns-geschichte-sein-11070376.html


Dass Knast nicht immer Zuckerschlecken ist, wissen auch westdeutsche Inhaftierte schon damals zu berichten. Doch, die DDR - Löcher sahen noch inhumaner aus und funktionierten wohl auch so. Deshalb wurde über den Frauen - Knast Hoheneck 2011 ein Fernsehfilm gedreht, der im Dezember 2012 erstmals gesendet, den Alltag in dem maroden Gebäude wieder geben soll.  Auch hier sieht so manch Einer - Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch der DDR - die Situation von damals etwas anders. Mag sein, dass es auch dort solche und solche Inhaftierte gab. Und - das ist meiner eigene Überzeugung - die Staatssicherheit hatte selbst in diesen Löchern ihre schmierigen Griffel hinein gesteckt, um den Tattergreisen im Zentralkomitee - insbesondere " Old Erich " Mielke - Bericht zu erstatten. 



https://hoheneck.wordpress.com/category/tv/


http://www.mfs-insider.de/Erkl/Hoheneck1.htm




Wie dem auch sei? Die Frage, die sich mit dem ARD - Bericht stellen könnte, ist jene, nach der vorgesehenen gesetzlichen Entschädigung auf Grundlage des am 29. Oktober 1992 in Kraft getretenen Rehabilitierungsgesetzes ( StrRehaG ). Wenn Frau Naumann einen solchen Antrag gestellt haben sollte, kann sie nach derzeitigem Stand eine Entschädigungsrente von maximal 300 EUR erwarten.

Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass sie wegen einer der in dem so genannten Regelkatalog aufgeführten Straftaten nach dem Strafgesetzbuch DDR verurteilt worden ist. Der Katalog erklärt nämlich abschließend jene Straftatbestände des Strafgesetzbuches DDR als nicht mit den Rechtsstaatsprinzipien übereinstimmend, die expressis verbis als " Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung " kodifiziert wurden und seit dem 1. Juli 1968 bis zu dem Außerkrafttreten des Strafgesetzbuches ihre Anwendung fanden.


https://de.wikipedia.org/wiki/Strafgesetzbuch_(DDR)


https://de.wikipedia.org/wiki/Strafrechtliches_Rehabilitierungsgesetz



So kommt allerdings jener Aspekt in der ARD - Berichterstattung nicht vor. Entweder deshalb nicht, weil Frau Naumann einen solchen Antrag nicht gestellt hat, dieser nicht nicht bearbeitet worden oder sogar rechtskräftig abgelehnt worden ist. Die Möglichkeit einen Entschädigungsantrag zu stellen besteht noch bis zum 31. 12. 2019; danach ist eh zappenduster.

Nun, ja, nicht jeder Mensch muss sich in der oft zu komplizierten Rechtsmaterie auskennen. Dafür gibt es Fachleute, wie Rechtsanwälte oder Justitiare in den Beratungsstellen. Leider wird aber von Journalisten häufig zu oberflächlich recherchiert und auf dieser Grundlage berichtet. Eine andere Möglichkeit von Wiedergutmachung für das - zweifelsohne - erlittene Unrecht im Strafvollzug des DDR - Knastes Hoheneck, gibt es jedoch nicht.

Was moralisch im höchsten Maße verwerflich ist oder war, muss de jure nicht immer justitiabel sein. Und, Entschädigungen, wie sie die US - Gerichte aussprechen, sind in unserem Justizkreis nie und nimmer möglich. Zudem müsste sich Frau Naumann an die Profiteure jener Sklavenarbeit halten, dass ist nicht der unter gegangene DDR - Staat und es sind nicht seine einstigen Vertreter, wie die " Schließerin ", die sie zu Unrecht beschuldigt, ein Teil des Unterdrückungsapparates gewesen zu sein, sondern die westdeutschen Unternehmen, die in der DDR billige Waren eingekauften haben, um den westdeutschen Wohlstand zu mehren; vor allem den eigenen Profit zu maximieren.

Eine Opfer - oder Haftentschädigung für Frau Naumann könnte demnach erfolgen, aber.....!

Kommentare

Octapolis hat gesagt…
Mal abgesehen davon, dass diese Schicksale tragisch waren/sind, beruht doch am Ende der weltweite Handel auf diversen Formen der Sklaverei. Vom Mobiltelefon über die Banane bis hin zum Fünferpack T-Shirts, oder letztenendes auch den Auswüchsen des deutschen Arbeitsmarktes - Wohlstand braucht Ausbeutung, nicht schön, aber so ist die Menschheit!

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