Nena und ihre 99 Luftballons oder Gabriele Susanne Kerner sagt: " Liebe ist! "



Wenn die Familienfeste gefeiert werden, bedeutet dieses immer gute Laune beim bösen Spiel. Wenn Familienbesuche anstehen, heißt dieses, dass mindestens 2 Tage zur Vorbereitung einzukalkulieren sind. Wenn die Familie mit drei minderjährigen Kindern ihr Kommen signalisiert, bedeutet es mindestens vier Tage der Vor - und Nachbereitung zu berücksichtigen.

Immerhin haben unsere drei Enkel eines gemeinsam, sie besitzen die doppelte Staatsangehörigkeit und jenes Privileg schlägt dann durch, wenn es um die koordinierte Bewegung, jenseits des üblichen Tagespensums von Mahlzeiten einnehmen, den Familienhund aller herzlichst bearbeiten und zudem ein Mindestmaß an Bespassung einzufordern, geht. Gemeint ist die Bewegung nach Musik. Da haben die Iren, dem deutschen Michel doch einiges voraus. Die Musik liegt ihnen im Blut. Sie ist den meisten Bewohnern der Grünen Insel de facto mit der Muttermilch eingegeben worden.

Aber auch die genetischen Voraussetzungen eines irisch - stämmigen Nachkömmlings sind nahezu prädestiniert für ein musikalisches Grundverständnis.

Da saßen unsere drei Enkelkinder am Küchentisch und aßen Erdbeeren, Fruchtjoghurt sowie Kellogg´s " Frosties ". Als treu sorgenden Opa war es mir vergönnt, das dreiblättrige Kleeblatt mit irischen Wurzel auf das aller Feinste zu bewirten. Dieses hieß, jene Joghurt - Sorten, die geschmacklich nicht den Magen des jeweiligen Enkel trafen, alsbald selbst einzuschaufeln. Zum Glück waren es nur zwei angebrochene Plaste - Becher, die auf dem Tisch zurück blieben.

Und bei dem Small Talk um Schule, Vorschule und individuellem Freundeskreis, hantierte der jüngste Enkel mit einem Luftballon herum, der ihn ständig aus der Hand glitt und unter die Decke stieg. Nach einige, vergeblichen Versuchen, das grün - farbige Spielzeug wieder aus der luftigen Höhe zurück zu holen, sollte ich die Giraffe mimen und meine Hand in die Höhe recken, um den Ballon herunter zu pflücken. Na, nichts leichter, als das.

Während wir die Küche belagerten, erklang plötzlich aus dem Mund des Jüngsten, jenes Lied von den 99 Luftballons, das mir vor einigen Jahrzehnten eher gewaltig auf den Geist ging. Um es noch deutlicher zu sagen: Ich verabscheute die NDW, dazu die schwachsinnigen Texte der vielen Bands und Interpreten und auch die Sängerin Nena mit ihren Luftballons.

Die damaligen Musiker sahen häufig so aus, als habe der Friseur einen Topf Sauerkraut über ihren Schädel ausgeleert. Hinzu kamen grell - bunte Hosen, Jacken und irgendwelche Zusatzbekleidung, die dem Zeitgeist von damals repräsentierten. Poppiges Zeug, dass ich als eingefleischter Hard - und Rock - Fan niemals angezogen hätte. Die sahen für mich dennoch alle gleich aus. Und, wie gesagt, die deutschsprachige Musik klang entsetzlich. Herumgekatsche auf den Instrumenten, wie Gitarre, Synthesizer oder monotones Gewummere des Basses und Schlagzeugtempi im Marschmusik - Stil. Deutsch, eben. Grässlich, deshalb!

Die Jahre vergingen. Die NDW ebbte ab, wie bei dem Gezeitenwechsel. Die Stücke wurden überall eingemottet. Die 1990er Jahre begannen. Mit ihnen der Pop - Müll um so Geistesgrößen, wie Madonne , Michael Jackson oder Gruppe, wie Culture Beat, Ace Of Base oder Rednex. Die Gigantomanie hielt bei den etablierten Bands, wie Pink Floyd, Rolling Stones oder Fleetwood Mac Einzug. Es mussten Stadien mit 50 - 60 000 Zuschauer bespielt werden. Als Strichmännchen hüpften Westernhagen, Grölemeyer oder Joe Cocker auf den Bühnen des wiedervereinigten Deutschlands herum und sahnten nochmals kräftig ab. Live - Konzerte waren nicht nur in, sondern zudem auch sündhaft teuer.

Die NDW - Hits indes spielte keiner mehr. Und so erwarb ich sukzessive einige Sampler oder auch CDs von den damaligen Interpreten dieser Musikrichtung, die ich zuvor lediglich als üble Laune des Show - Biz abqualifiziert hatte. Nach und nach wanderten sie allesamt in mein Archiv, die Frl. Menkes, Ideals oder DÖFs. Natürlich war Nena auch dabei. Und zwar mehrfach.
Da meine Tochter inzwischen ihren musikalischen Background, abseits von Sarah Connor, Blümchen und den Backstreet Boys erweitert hatte, kramte sie eben just jene NDW - Monster aus dem Archiv hervor und ließ es während meiner Büro - Abwesenheit ordentlich krachen.

Viele Jahre später nun, entlockte mir der jüngste Enkel die Tante Nena aus meinem eigenen Archiv, weil er gerade das Liedchen mit den 99 Luftballons - wenn auch nur Bruchstücke dessen - herunter sang. Ich versuchte - ebenfalls nicht textsicher - mit einzustimmen. Schön grausig, aber da konnte selbstverständlich Abhilfe geschaffen werden. So kramte ich den Nena - Sampler aus dem Archiv und legte ihn in den CD - Spieler. Mit richtig Schmackes sang Frau Kerner anschließend von ihren 99 Luftballons. Ganz zur Freude der drei Enkel, denn die legten ´ne heiße Sohle auf das Parkett. Dabei sprangen sie wild auf dem Holztisch, der Coach und dem Fußboden herum.

" Bitte, noch mal!" " Machst Du auch den Teller an? " ( Gemeint war der Technics - Plattenspieler ). Aber, klar doch. Auch auf Vinyl kann ich mit Frau Nena dienen. Ein leicht knackender, knisternder Ton gehörte jedoch bei ihrer Darbietung von den 99. Luftballons dazu. Wer werden eben alle nicht jünger. Und die Platten zählen leider dazu.

Erneut kam das halbblütige, irische Genom in Wallung. Es wurde gehüpft, gesprungen und gesungen. Immer schön mit Tante Nena. Die ist selbst Mutter von fünf Kindern und kürzlich 56 Lenze alt geworden. Die in den Hitparaden von einst, also den 1980ern, aufgestiegenen 99 Luftballons dröhnten durch den Raum und die Zeit und waren somit auch bei der, eine Etage tiefer sitzenden Mutter, deutlich hörbar,angekommen. Denn neben den NDW - Klängen  wurde wieder wild im irish style abgetanzt.

Mensch, 33 Jahre ist das her. Anscheinend bleibt der NDW - Dauerlutscher auch nach einer so langen Zeitspanne zeitlos. Oder sollte sich mein Geschmack geändert haben? Wohl eher nicht. Aber, was macht ein Eisgrauer nicht so alles für die künftige Renteneinzahler - Generation?  Dafür bekommen wir oft das zurück, was es auf Vinyl oder CD und sogar noch auf einer 90er Kassette nur als Liedchen gibt: " Liebe ist..."!


Kommentare

Octapolis hat gesagt…
Vinyl ist Liebe. ;o)

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