Ich wünschte, es wäre vorbei und der Winter käme nicht.


Frisch aus dem erholsamen Ostsee - Urlaub zurückgekehrt, hatte uns der Rentneralltag wieder eingeholt. Unser Nachbar zur Linken, ein übe 90jähriger, quietschfideler, noch Rad - und Autofahrender, schlanker Mann, mokierte sich indirekt über unseren Lebenden Weidenzaun. Er hatte deshalb zwei Einheimische zu Rate gezogen, die in seinem ebenfalls sehr überschaubaren Garten eine Art der Ortsbegehung ( als Rechtskundiger fiel mir dazu Paragraf 144 Absatz 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung ein ) arrangiert. Zufällig hörte ich deren Dialog über und zu unserem ökologisch wertvollen Beitrag der Erhaltung von Flora und Fauna und informierte umgehend meine bessere Hälfte.

Soweit ich das bayrische Gebrabbel überhaupt verstehen konnte, war zuvor die Rede von 50 Zentimetern Abstand zur Grundstücksgrenze und irgendwelchen Arbeiten, um die das satte Grün zu kürzen. Wir recherchierten dazu getrennt im Netz und kamen gemeinsam zu dem Ergebnis, dass der Gartenbaufachbetrieb aus der Hallertau vollkommen korrekt gearbeitet hat, denn es handelt sich bei der lebenden Weide um einen Zaun und nicht um eine Bepflanzung an der Grundstücksgrenze. Ich hatte hier zunächst meine Zweifel angemeldet.

Meine bessere Hälfte räumte das Problem in einem längeren Gespräch mit dem Nachbarn ausgeräumt. Sie bekam dabei den Eindruck, dass es dem älteren Herrn eigentlich um etwas anderes ging. Er wollte irgendwie sich als Dazugehörender sehen und hatte den Eindruck, wir würden ihn nicht mehr beachten. Tante " Corona " hat in den vergangenen zwei Jahren nicht gerade dazu beigetragen, dass auf der nachbarschaftlichen Kommunikationsebene hie alles und gelaufen ist.

Wie dem auch sei, unser Nachbar war jetzt ausreichend zu dem Stand der Dinge in unserem Umfeld informiert. Er ist ja ein alter Sozi, so, wie auch einer war und es eigentlich noch bin. Er mag unsere drei Katzen und ist auch sonst sehr umgänglich. Wir beschlossen deshalb, ihn vor unserem geplanten Ostsee - Urlaub im Juni 2023 ihn dazu rechtzeitig zu informieren, denn der Lebende Weidenzaun wird auch im nächsten Jahr kräftig wachsen.

Vielleicht hatten seine Bedenken zu der Rechtmäßigkeit unserer ökologischen Grundstücksbegrenzung tiefere Ursachen?

Es ist ja längst Sommer geworden. Die Urlaubszeit hat begonnen. Die Reisewellen kommen und der Michel lässt seine von Sorgen geplagte Seele für zwei bis drei Wochen irgendwo da, wo es noch wärmer sein soll als vor der eigenen Haustür, baumeln. Endlich wieder diese Freiheit, die er meint haben zu müssen?

Doch in nicht allzu großer Ferne dräut eine gigantische Finanzkatastrophe, wie sei seit der " großen " Inflation von 1929 ( da waren wir alle noch Quark im Schaufenster ), dem Zweiten Weltkrieg oder auch die " Finanzkrise " von 2008 in den Schatten stellen soll. Die " Ölkrise " vor beinahe 50 Jahren könnte dagegen ein " Fliegenschiss " sein.

Das Hamburger Nachrichtenmagazin " DER SPIEGEL " widmete in seiner Ausgabe 27 / 2022 vom 02. 07. 2022 dieser Mutmaßung einen Titel.  Und während ich erst jetzt den Artikel mit der viel sagenden Überschrift " Unter dem Strich " las, kamen mir dabei doch erhebliche Zweifel, ob die beiden " SPIEGEL " - Redakteure hierzu die zutreffenden Beispiele angeführt haben. Die Familie und Personen, welche von den " SPIEGEL " - Mitarbeiter Maik Großekathöfer und Katja Thimm zum Zwecke ihrer These, dass nun wegen der - unstreitig - steigenden Preise im Bereich der statistisch erfassten Lebenshaltung, viele Bürger sich nicht mehr alles oder viel leisten können, scheinen mir keineswegs repräsentativ zu sehen.    

Da wird eine siebenköpfige Familie beschrieben, deren Einkommen 4.000 Euro netto pro Monat betragen soll. Die D.s leben mietfrei in einem knapp 4.500 Einwohner zählenden Ort in Rheinland - Pfalz. Die Einliegerwohnung umfasst 83 m². Für sieben Personen nicht gerade viel. Allerdings wäre das mietfreie Wohnen mit zirka etwa 750 Euro als Einkommen hinzu zu rechnen. Demnach kamen die D.s auf einen monatlich verfügbaren Geldbetrag von ungefähr 4.750 Euro.

Die Nebenkosten sind aktuell mit pauschal 700 Euro angegeben worden. Verbleiben demnach um die 4.000 Euro je Monat, um die Lebenshaltungskosten zu bestreiten. Bezogen auf einen Tag also in etwa 131 Euro. Das sind pro Kopf knapp 19 Euro. 

Von den Zahlen aus betrachtet, nicht gerade viel, was die D.s da zur Verfügung stehen haben. Weshalb sich die durchaus berechtigte Frage stellt: "  Wie schaffen die das? ". Durch eine wirtschaftliche Haushalts - und Lebensführung? Na, ja, der " SPIEGEL " - Artikel lässt hier Zweifel aufkommen. Der Vater Jens D. ist Raucher. Das kostet viel Geld, denn Zigaretten dürften mit 7 Euro je 2oer - Packung zu Buche schlagen ( 0,35 Euro / Stück ). Bei einem Konsum von 10 Zigaretten am Tag, würde Vater D. mal so eben 3,50 Euro pro Tag in die Luft steigen lassen ( je Jahr also 1.277,50 Euro ).

Auch das beschrieben Wäsche waschen scheint nicht gerade wirtschaftlich ausgeprägt zu sein. Dass eine Waschmaschine nun an jedem Tag laufen muss, spricht nicht gerade für eine effiziente Haushaltsführung. Selbst bei 7 Personen ( 5 Kinder ), die sicherlich Berge von Schmutzwäsche verursachen, dürften sich Sparmöglichkeiten ergeben. 

Das gilt auch für die besagten Handy - Verträge, die mit 170 Euro je Monat angeben worden sind. Es gibt Partner - und Gruppenverträge und zudem Billig - Anbieter ( Congstar etc. ). Hier lässt sich so mancher Euro sparen. Gleiches gilt für die Rubrik " Versicherungen ).

Dann stand mir endgültig die Zornesröte im Gesicht. Da behauptet doch die älteste Tochter Lena D., sie versuche " ausgewogen zu kochen ". Häh? Bei den auf dem Foto von der Familie D. zu erahnenden Körpergewichten ( Er: mindestens 100 Kilogramm, Sie: Mehr als 90 Kilogramm, 2 der 5 Kinder sind garantiert übergewichtig ) kann eine gesunde Ernährung wohl eher im Bereich der Fantasie einzuordnen sein. Kartoffeln und Nudeln machen zwar satt, erhöhen jedoch das Kampfgewicht der D.s.

Auch beim Sommerurlaub lässt sich sparen. Muss es unbedingt jedes Jahr Büsum an der schleswig - holsteinischen Nordseeküste sein? Und dann noch satte drei Wochen? Das dürfte teuer sein! 

Fazit: Das Beispiel der Familie D. hinkt, weil hier Dreck unter den Lehm gemischt wird. Wer mietfrei wohnt, muss sich diesen Umstand als " geldwerten Vorteil " anrechnen lassen, da

Wohnungsmieten ein erheblichen Anteil am Ausgabenbudget eines Haushalts ausmachen. Zudem wurden Umstände in der Lebensführung benannt, wie beispielsweise der teure Urlaub, das Rauchen und nicht ökonomischer Umgang mit Energie, die den Haushalt stark belasten. Hier dürfte beim Sparen noch viel Luft nach oben sein.

Etwas anders sieht es da bei dem herangezogenen Beispiel der Mutter mit Tochter aus Siegen aus. Frau W. gab an, über eine monatliches Nettoeinkommen von 2.300 Euro zu verfügen. Hiervon will sie die angegebenen fixen Kosten ( Miete, Versicherungen, Internet - und Netflix ) begleichen, womit ihr am Ende zirka 1.000 Euro im Monat übrig blieben. Nun, ja, die Reitstunden und der Musikunterricht ( Beträge hierfür wurden von Frau W. nicht benannt ), an denen ihre Tochter teilnimmt, könnte ein Außenstehender, der selbst ein Kind oder Kinder hat, noch nachvollziehen. Teurer ist das Reiten allerdings dennoch ( Einzelstunden ab 25 Euro bis zu 50 Euro je 60 Minuten; Sammelkarten zu 10 Stunden sind mit 120 Euro zu bekommen ). Sie sollte hier den Rotstift ansetzen und  / oder über kostengünstigere Lösungen nachdenken ( Reitbeteiligung etc. ).

Doch statt diese erheblichen Kosten aufzuschlüsseln und über deren Notwendigkeit zu diskutieren, werden die gestiegenen Lebensmittelpreise herangezogen. 1 Stück Eisbergsalat soll dort 1,59 Euro statt 0,39 Euro kosten. Na, dieses Gemüse dürfte nach wie vor so genannte Saisonware sein. Dann verzichte ich eben einige Male auf den Salat und esse statt seiner Feldsalat, sofern dieser billiger ist. Gleiches dürfte für das um " nur " 0,30 Euro teurere " Lieblingsbrot " zutreffen. Und wenn ich für 44,36 Euro einen Lebensmitteleinkauf in einem Discounter bestreiten soll, dürfte meine Wagen mehr als halb voll sein. Vielleicht wäre ein Wechsel von " EDEKA " und " REWE " zu " ALDI ", " NETTO " oder " PENNY " eine echte Alternative?

Der dritte Fall, ein Weinvertriebsinhaber aus Hamburg dürfte als Beispiel für die gestiegenen Lebenshaltungskosten in Deutschland völlig untauglich sein. Ein Unternehmer ist zwar zu einer Hälfte seines Privat - und Berufslebens auch ein Privathaushalt, er kann aber völlig anders agieren als ein abhängig Beschäftigter mit Fixeinkommen. So bestätigt der Hamburger B. denn auch, dass wegen der Inflationsentwicklungen sich eigentlich recht wenig in seinem Umfeld verändert habe. Na, bitte, der ist jedenfalls mal ehrlich.

Im Gegensatz zu der Münchnerin Frau N. Jo, mei, ist denn schon Weihnachten?

Dieses Geschwurbel um existenzielle Sorgen bei ihr geht auf keine Kuhhaut. Sie hat einen durchaus wechselvollen Lebenslauf angegeben. Ja, auf den kann so mancher andere Bürger auch verweisen. Dass sie " nur " über 917,82 Euro pro Monat verfügen will, dürfte angesichts der nicht angegeben Einkünfte ihres zweiten Mannes, der ebenfalls berufstätig war und garantiert eine Rente bezieht, ein Treppenwitz sein.

Sicherlich treffen die dort angegebenen Preisentwicklungen bei punktuell ausgewählten Lebensmittel zu, doch alle anderen Kosten ( Miete, Strom, Kommunikation ) sind eher durchschnittlich oder gar darunter. 

Das letzte Beispiel hat auch nicht unbedingt eine ausreichende Aussagekraft. Um die Frau K. aus Lychen in der Uckermark dürften sich die " SPIEGEL " - Leser keine ernsthaften Sorgen machen. Wer sich in den Zeiten der allgemeinen Teuerung noch ein eigenes Pferd leisten kann, dürfte denn eher zu den Glücklichen zählen, die beim Einkauf nicht auf jeden Eurocent sehen müssen. Zumal Frau K. eher in eine leicht rosige Zukunft blicken kann, denn als Vermieterin eines Ferienhauses wird sie wegen der Preisentwicklung im Reisesektor mit steigenden Buchungszahlen rechnen können.      

 

 

     

      

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