Unter Nackten


Der Sommer 2022 verwöhnt uns Mitteleuropäer bislang mit knackigen Temperaturen. Heute ist Mittwoch, der 20. Juli. Und an dem heutigen Mittwoch, den 20. Juli 2022 soll das Thermometer erneut an die 40 ° C - Marke kratzen. Für nicht Wenige bedeuten solche Hitzegrade eine  tägliche Tortur. Sie quälen sich im wahrsten Sinne des Wortes von einem Ort zum anderen und zurück. Zur Arbeit gehen, fahren, radeln dürfen bei uns im Freistaat Bayern immer noch die meisten Bürger. Auch wenn das so genannte Home Office seit der " Corona " - Seuche einen rapiden Aufschwung genommen hat. Doch in etwas mehr als einer Woche sind auch hier Sommerferien.

Dann wird es nicht nur an den Flughäfen in Bayern voller. Auch an den vielen Seen, Flüssen und den noch wenigen, in Betrieb gehaltenen Badeanstalten werden sich angesichts solcher sommerliche Wetterlagen Tausende Menschen tummeln. Sie versuchen den Hitzegraden zu entfliehen und suchen dort Abkühlung. Sie fliehen aus den zu warmen Wohnungen und Häusern, weil dort Temperaturen um mehr als 25 ° C die Regel sein dürften. Wer hat schon, wie es in den Vereinigten Staaten von Nordamerika der Fall ist, eine Klimaanlage einbauen lassen. Wenige. Nicht einmal in den Neubauten, die uns seit zwei Jahren vor die Nase gesetzt worden sind, finden sich solche Aggregate. Sie sind zu teuer! Selbst für jene Mieter, die satte 3.250 Euro Kaltmieter für die Doppelhaushälften monatlich überweisen müssen.

Weil es auch in unserem Domizil jetzt um die 25 ° C warm wird - dieses trotzt herunter gelassener Jalousien - treibt es uns seit einigen Tagen an den Hollener See. Hier ist noch reichlich Wasser vorhanden. Das Wasser des einstigen Baggerlochs kühlt ab. Abkühlung ist jetzt wichtig, denn der menschliche Körper reagiert angesichts dieser Hitzegrade überaus empfindlich. Vor allem dann, wenn er schon alt, ein wenig ramponiert oder sonst wie nicht richtig intakt ist. Aber auch jüngere Menschen werden von dieser Sommerhitze gequält. Insbesondere dann, wenn sie übergewichtig sind. 

Da lagen wir nun schon den siebten Tag am Baggersee. Wir fahren mit dem Fahrrad dorthin, weil wir einige Utensilien mit schleppen, die für einen längeren Aufenthalt am Ufer erforderlich sind. Dazu zählen neben den Handtüchern auch zwei Alu - Strandstühle, zwei Luftmatratzen, seit vorgestern ein Sonnenschirm und zwei Rucksäcke, in denen wir Verpflegung und Lesestoff einpacken.  

So gut gerüstet, radeln wir dann in eine Richtung, nämlich die, zu der es zum inoffiziellen FKK - Bereich geht. Der See ist ja groß genug, um auch dieser - immer noch - besonderen Form des Badens und Sonnenbräunens ausreichend Platz zu geben. Der Bereich ist nicht sofort einsehbar. Ein Besucher hat von einem der entlang des Sees angelegten Wegen erst auf einem unbefestigten Pfad herunter zu gehen, ehe er diesen kleinen Abschnitt betreten kann.

Bereits im letzten Jahr hatten wir beim Laufen einige Nacktbader gesehen. Doch irgendwie ist die Absicht, den See dorthin aufzusuchen, von uns nie umgesetzt worden. Jetzt biete sich dazu ausreichend Gelegenheit, denn der Sommer ist bislang auch ein solcher. Das dachten sich auch einige andere Badegäste aus der Gemeinde und dem angrenzenden Landkreis München. Bereits am frühen Nachmittag wurde es nicht nur an dem überschaubaren Uferbereich recht belebt. Bald fanden sich mehrere Dutzend Badefreunde und Sonnenanbeter hier ein. Schon bald war es vorbei mit der beinahe himmlischen Ruhe im katholisch geprägten Umfeld. Statt Vogelgezwitscher und vorbei ziehenden Enten, Blesshühner sowie Haubentauchern, bekamen wir laute Unterhaltung , Musikbeschallung und ein regelmäßiges Klatschen der fülligen Körper auf die Wasseroberfläche auf die Ohren gehauen.

Nun, ja, auch am Hollener See ist der Bürger nicht alleine. Zumal das Gewässer als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen, zum kostenfreien Freizeitangebot der Gemeinde gehört. Dieses nimmt dann eben jeder nach Abkühlung Suchender gerne an, zumal die Freibadzeiten, so wie ich sie noch in meiner Kindheit und Jugend kennen gelernt habe, längst passe´ ist. Es gibt nämlich einen Trend und der heißt: Immer mehr öffentliche Bäder werden geschlossen. Aktuell kommt auch noch die Entwicklung auf dem Energiesektor hinzu, der mit Sicherheit diese Entwicklung verstärkt. Was einst für viele Kinder und Jugendliche zur Selbstverständlichkeit wurde, ist heutzutage eher zu einer Ausnahme geworden: Der Besuch eines Freibades.

Weil ich seit meiner Kindheit nicht der große Freibadgänger bin, habe ich auch nie die ein Schwimmabzeichen abgelegt. Nicht einmal das damals beliebte " Seepferdchen " habe ich absolviert. Vom Elternhaus her, erfuhr ich hier keine Unterstützung. Unsere verstorbene Mutter, die ansonsten ein eisernes Regiment führte, konnte nicht Schwimmen, denn sie hatte vor dem Wasser Angst, seit sie irgendwann in ihrer Kindheit in der nahe gelegenen Aue beinahe ertrunken wäre. Unser Vater, der ein guter Schwimmer war, hatte keine Zeit. Er ging Schwarzarbeit. So schlug ich mich denn ohne Schwimmabzeichen durch die Schulzeit.

Irgendwann brachte ich es mir selbst bei, ohne aber als guter Schwimmer glänzen zu können. Auch andere, anerzogene Moralvorstellungen und Verhaltensweisen musste ich im Laufe der vielen Lebensjahre irgendwann und irgendwie über Bord werfen. So auch meine Einstellung zum eigenen Körper. Ich war ja über einen sehr langen Lebenszeitraum eher der Typ des " Spargeltarzans ". Meine Körpergröße, verbunden mit einem permanenten Untergewicht, trugen nicht gerade dazu bei, dass ich diesen ständig oder bei entsprechenden Gelegenheiten öffentlich zur Schau stellte. Ganz im Gegenteil. Selbst im Hochsommer trug ich lange Hosen und zeigte mich selbst bei 30 ° C langärmelig.

Das hat sich nun längst geändert. Bedingt durch das Laufen hat sich langsam eine Arm - und Beinmuskulatur gebildet die den Typ " Spargeltarzan " vergessen lässt. Und auch der vor einiger Zeit angefressen Bauch ist merklich zurück gegangen. Was allerdings auch mit der Ernährungsweise und - Umstellung zu tun hat. Da wir dieses konsequent umsetzen, haben wir es geschafft, unsere Fitness zu verbessern und das eigene Körpergewicht zu reduzieren.

Da lagen wir nun jeden Tag ab 10.00 Uhr am Hollener See und ließen die Sonne vorsichtig auf unseren Körper einwirken, genossen ein erfrischendes Bad und ließen ansonsten die Seele baumeln. Nun, ja, dann und wann beobachteten wir die weiteren Besucher jenes inoffiziellen FKK - Bereichs. Diese lassen sich grob in drei Gruppen einteilen. Da waren die so genannten Nudisten, die - so wie wir auch - sich textillos zeigten. Da waren eine Reihe von Badende, die - sofern weiblich - auf das Bikini - Oberteil verzichteten. Und dann waren da nicht wenige, die Badehose und Bikini trugen. Es waren zumeist jüngere Besucher, die sich scheuten, zu viel eigene Haut zu zeigen. Dafür waren dort großflächige Tattoos zu erkennen. Diese Verunstaltung des eigenen Körpers stößt bei uns auf keine Gegenliebe. Schließlich werden diese noch jungen Leiber irgendwann auch älter, die Haut schrumpelt vor sich hin und die straffen Tattoos auch.

Wie dem auch sei, wie vieles im Leben, ist dieses Geschmackssache. Geschmackvoll waren aber auch die gezeigten Bademoden nicht. Zumal die Damen und Herren diese in prallen Proportionen zur Schau stellten. Nein, es sah wahrlich nicht ästhetisch aus, was so mancher Seebesucher den übrigen Anwesenden dabei anbot. Ebenso wenig fand die ab Nachmittag über den See dröhnende Rap - und Hip Hop - Musik unseren Gefallen. Dazu begleitend, unterhielt sich eine Teenager - Horde auf dem Wasser in einer nahezu unerträglichen Lautstärke über Dinge, die sich längst aus dem eigenen Leben verabschiedet haben.

Spätestens ab 14.00 Uhr war es somit vorbei mit dem ruhigen, entspannenden Baggersee - Aufenthalt. Der Zivilisationslärm hatte sich jetzt breit gemacht und die Plätze am FKK - Bereich wurden nach und nach belegt. 

Als ich dann am Nachmittag vom Katzenfüttern und Nachholen von Flaschen aus unserem Mineralwasserbestand zurück kam, hatten sich zwei junge Damen in der Nähe unseres Platzes breit gemacht. Beim näheren Fixieren der Neuangekommen erkannte ich sofort jene abtörnenden Tattoos an ihren Körper. Zudem hatte die Dunkelhaarige zu viele Gewicht. Auch die weiteren Neugäste waren - obwohl oder gerade weil wesentlich jünger - übergewichtig. Zudem zeigte die Mehrzahl von ihnen wenig Bereitschaft, die Hüllen fallen zu lassen. So fühlten wir uns jetzt eher als Außenseiter, denn als FKKer unter seinesgleichen.

Gegen 17.30 Uhr zog von den Alpen her kommend, eine dunkele Wand auf. Sollte es tatsächlich Gewitter geben? Wir packten unsere Utensilien zusammen und verließen den See. Es wurde uns zu ungemütlich. 

Wer an die Bibel und die darin enthaltene Schöpfungsgeschichte glauben möchte, dem könnte bekannt sein, dass die ersten Menschen Adam und Eva gewesen sein sollen. Die sollen unbekleidet im Garten Eden gelebt haben, ehe sie - angeblich - von dort verjagt wurden. Danach war es für die nach ihn geborenen Menschen auf dieser Erde nicht mehr so, wie es Adam und Eva erleben durften.

Aus einem angeblichen Paradies, einem Garten Eden, sind wir an jenem Mittwoch im Juli nicht verjagt worden, aber ungemütlich wurde es am Seeufer irgendwie doch. Tätowierte, Rap - und Hip Hop - Krach, lärmende Pubertiere und auf das Wasser klatschende Dickbäucher. Der Klügee gibt nach und geht.


CHICAGO ( TRANSIT AUTHORITY )  -  South California Purple  -  Live At Carnegie Hall  -  1971:




               

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