Sylt, sturmfest in Beton verbaut.


Das Sommerloch 2022 ist da. Weil die Republik - mit Ausnahme der benachbarten " Spätzlefresser " und von uns Bayern - im Urlaub ist, haben die hiesigen Medien zum größten Teil ihre gleichförmige Berichterstattung abschnittweise auf Schmalkost umgestellt. Das war im letzten Jahr so, im vorvergangen auch; es war schon vor Dekaden so. 

Natürlich hat sich das öde TV - Programm der ÖRs dem angepasst. Es werden Wiederholungen kredenzt. Wozu auch Frischware, wenn eh kaum jemand glotzt und die die sonst gucken, in Malle ihren Vollrausch am " Ballermann " auszuschlafen versuchen?

Für uns Daheimgeblieben ist jene Situation eher unbefriedigend, denn aus dem medialen Wust erhält beinahe Jeder ein Quantum Gesprächsstoff, dass er vielleicht seinem familiären und sozialen Umfeld weiterleitet. Dabei gibt es - wie auch in anderen Lebensbereichen - bei dem, was hier nachgeplappert wird, große Unterschiede.

Während das Latrinenblatt mit den vier Buchstaben seit Wochen die chaotischen Zustände an den deutschen Flughäfen, bekannt reißerisch, anprangert. ( " Ihr vermiest uns unseren Urlaub! " ), die lokalen, krawallig angehauchten Blätter eher von so uninteressanten Dingen, wie die Wohnungsnot hinweisen, hat das Hamburger Nachrichtenmagazin " DER SPIEGEL " erneut die Insel der einstigen Schönen und Reichen ins Visier genommen und seinen " Aufmacher " mit " SOS Sylt " unterlegt.

Sylt. Da fallen mir neben den sattsam bekannten Promi - Zweitwohnsitzen, die hierin unter die journalistische Lupe genommen werden, eher die Völkerwanderungen von Grauhaarigen ein. Das all wissende Internet gibt hierzu an, dass die Zahl der registrierten Übernachtungen von 522.000 im Jahr 1990 auf 961.000 in 2019 explodiert ist. 

Nur die durchschnittliche Verweildauer soll von 10,30  Übernachtungen auf 9,45 Übernachtungen gesunken sein. Schon allein diese Zahl birgt Umweltprobleme in sich. Wie zum Beispiel jenes, das erkennen lässt, dass mit jedem " Bettenwechsel " Tonnen an Wäsche, Hektoliter von Wasch - und Reinigungsmitteln und Brigaden von Servicepersonal, die dafür anfallenden notwendigen Arbeiten zu erledigen, zu verzeichnen sind.

Wo und wie soll dieses bewältigt werden?

Die eher kleine Insel mit seinen 99,14 Km² und den 18.118 Einwohnern ( Stand 2019 ), ist inzwischen komplett verramscht worden. Nicht nur an die in dem " SPIEGEL " - Artikel benannte Minderheit von namenlosen Multimillionären, die - angeblich - für einen lumpigen Quadratmeter Insel - Sandboden mal eben 11.512 Euro berappen können oder der aufgeblasene Artikel, wonach für ein Mini - Appartement von 15 m² vermeintlich 249.000 Euro bezahlt worden sein soll, löst bei mir heftiges Kopfschütteln aus, sondern jene Entwicklung, die in dem von dem " SPIEGEL " - Mitarbeiter Sebastian Hammelehle nicht erörtert wird: der Massentourismus.

Was wohl den Rahmen der " SPIEGEL " - Berichterstattung sprengen würde und zudem einen separaten Themenkomplex ergeben könnte. So machte der Artikel über die nordfriesische Insel auf mich eher den Eindruck, dass eine Randerscheinung des durch den Massentourismus mit verursachten Bestrebens des Einzelnen, sich aus der Masse heraus begeben zu wollen, womit einer wiederum mit einer anderen Masse Gleichartiger verschmelzt, zum Aufhänger für die in dem Beitrag skizzierte Verödung der ehemaligen Perle unter den westdeutschen Inseln wird. Wenn in einer dort entstandene Parallelwelt der Reichen optisch betrachtet nahezu identische reetgedeckte Häuser zu sehen sind, andererseits aber Betonklötze und Wohnanlagen das Bild der Insel bestimmen, kann der Unterschied zwischen Masse und Klasse wohl nicht einprägsamer in das eigene Auge stechen. 

Die Kommunal - und Landespolitik sieht diesem Treiben tatenlos zu. Warum sollte sie auch Maßnahmen gegen die Versklavung der Insel durch den Massentourismus und Ausverkauf an jene Geldsäcke, die sich dort ein Zweitdomizil errichten durften, unternehmen? Schließlich sprudeln dadurch die Steuereinnahmen in nie gekanntem Ausmaß. Allein die von der Kommune kassierten Grunderwerbssteuern belaufen sich auf jährlich 65 Millionen Euro. Ein namhaftes Sümmchen, das auch dazu beiträgt, die Kosten des Massentourismus bewältigen zu können. Weshalb das politische Interesse, die Folgen der längst eingetretenen Gentrifizierung abzufedern, eben nicht vorhanden ist.

Sylt bleibt somit Sylt, weil die Insel sich selbst genug ist. Schließlich ist dieses Eiland, das in den Sommermonaten von mehr als 150.000 Besucher überschwemmt wird, darauf angewiesen, dass sich dieses nicht wesentlich ändert. Wo Massen auf Masse treffen, entsteht Massentourismus und der erbringt alle Male für jeden Anbieter von Speisen und Getränken, Nippes, Schund und Dienstleistungen einen Gewinn.

Da sind die wenigen Millionäre nur eine Marginale; mögen sie auch Millionen in den Sandboden setzen, um ihre erworbenen Festungen sturm - und sichtfest zu gestalten.

Das mediale Sommerloch hat seinem Namen wieder alle Ehre gemacht; dem " SPIEGEL " - Aufmacher sei dank!   


PINK FLOYD  -  When You´re In  -  Obscurde By Clouds  -  1972:


       


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