Auf das Dach

Der Nachbar schräg gegenüber lebt seit dem Tod seiner Frau vor mehr als einem Jahr richtig auf. Nach einer erwarteten, aber eher kurzen Trauerphase, wollte er zunächst einige Räume verändern lassen und bestellte dazu einige Handwerker. Danach flog er im Frühjahr für einige Wochen in die USA, um wenige Wochen danach an der Nordsee auf der Insel Sylt sich nochmals zu erholen. Das alles dürfte nicht gerade billig gewesen sein.

Nun ließ er noch eine Solaranlage auf sein Vordach und das Hausdach installieren. Auch dieses Projekt kostet natürlich Geld. Die beauftragte Firma aus einer Nachbargemeinde stieg dem Nachbarn am gestrigen Freitag und am heutigen Samstag dazu auf sein Dach. Während ich in der Küche saß und dem lärmenden Treiben zusah, fragte ich mich, ob sich der Einbau einer solchen Anlage in seinem Alter überhaupt noch lohnt. Der Mann dürfte auch bereits die Mitte der 70er angekratzt haben. Eine Solaranlage amortisiert sich jedoch erst nach 9 bis 11 Jahren. Dann wäre er Mitte 80. Etwas zu spät, um noch von den segensreichen Wirken der Solaranlage auf dem Konto partizipieren zu können.

Nun, gut, die beauftragte Fachfirma setzte ihm zunächst vier Modula auf das Vordach des Eingangsbereichs, ehe dann ab gestrigen Samstag die finalen Arbeiten erfolgten. Dazu karrte die Inhaberin des Betriebs eine Hebebühne, einen so genannten Steiger, heran, den sie sich für zwei Tage mietete. Der große Helfer hievte den Mitarbeiter und sie selbst in eine Höhe von 15 Metern gen grauen Herbsthimmel, damit die am Freitag vormontierten Halterungen mit weiteren acht Solarmodulen bestückt werden konnten. Dabei arbeiteten die beiden Handwerker ohne jedwede Absicherungen. Kein Fangseil, kein Netz, reinweg gar nichts war während ihrer Tätigkeit zu sehen.

Wenn das die Berufsgenossenschaft sehen würde!

Sollte irgendwann bei der als gefahrengeneigt eingestuften Tätigkeit ein Unfall geschehen, gibt es von der gesetzlich eingerichteten Versicherungskasse nix. Im Gegenteil: Es wird ein Straf - und Bußgeldverfahren gegen die Firmeninhaberin eingeleitet, an dessen Ende eine Freiheits - oder Geldstrafe und ein saftiges Bußgeld drohen könnte.

Sei´s drum! Uns schert so etwas herzlich wenig. Wir würden die kleine Klitsche, die zudem noch billige Module ohne Hagelschutz auf das Dach installiert hat, deswegen niemals verzinken. Die Dame, die mit tätowierten Unterarmen, rauchen und Bier aus der Flasche trinkend, den coolen Max heraushängen ließ, muss auch leben. Sicherheitsgurte, Fangseile und Abfangnetze kosten jede Menge Kohle, die bei dem Auftrag den eigenen Gewinn schmälern. Wer kann das in ihrer Situation am Markt ums Überleben kämpfend schon?


Das Dasein als kleiner Selbständiger ist knüppelhart, nicht im Handwerksbereich, denn da steigen bereits das Finanzamt, die Berufsgenossenschaft, die Krankenversicherung, die Innung dem Betriebsinhaber ständig auf das Dach, wenn er ihnen Geld schuldet. 








CIRCUS 2000  -  I Can´t Believe  -  2011:








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