Der griechische Wein, die harten Beats und der Bestatter.


Nachbarschaftsstreitigkeiten sind etwa so häufig wie Verkehrsunfälle. Diese kommen jedes Jahr einige Millionen Mal vor. Oft sind es Nichtigkeiten, über die gestritten wird. Die Zwistigkeiten beginnen mit "A" wie Abfalltonne, die dem Nachbarn stört, weil sie zu nah vor dem Grundstücksbereich seines Anwesens, auf dem Fußweg oder gar am Zaun in der Nähe des Schlafzimmers steht, umfassen Begriffe wie Meerschweinchen, deren Anzahl mehr als zwei übersteigt und deren Gequieke beim Liebsspiel  Nerv tötend sein kann und enden nicht nur mit dem berühmt berüchtigten Zaun, der vielleicht beschädigt wird, weil ein Knallerbsenstrauch zu dicht daran gepflanzt wurde ( Vgl. Raab, Stefan: " Maschendrahtzaun " ).

Eine besondere Kategorie aus dem Genre der größt anzunehmenden Ärgernisse ist die Musik. Jene allseits beliebte Art der hörbaren Unterhaltung und des Zeitvertreibs, die sowohl in aktiver Weise ( Klavierspielen, Geige spielen, Schlagzeug trommeln ) als auch in passiver Form ( Stereo-Anlagen betrieben, PCs oder ähnliche Gerätschaften anstellen ) eine tragende Rolle im zwischenmenschlichen Bereichen einnehmen.
Der Musikgeschmack ist dabei - dieses muss als bekannt vorausgesetzt werden - so verschieden, wie es die Menschen auch sind.

Ob nun Blas -, Volk -, Schlagermusik, Beat - Pop - Rockmusik oder gar Techno, Hip Hop Rap, sie alle können ein Kraft - Quell - Freude - Ambiente in unserem Leben aufbauen und zum allgemeinen Wohlfühlfaktor beitragen. Die Möglichkeiten der täglichen Dauerberieselung durch austauschbare Klänge sind ebenso vielfältig. Ob nun im Supermarkt, wo die Perma-Beschallung die menschlichen Reizleiter im Sinne der Kauflusterhöhung aktivieren soll ( selbstverständlich kommt dieses aus dem Garten Eden des Konsum, den USA ), bei dem Versuch, ein Telefonat mit einem Ansprechpartner in einem Betrieb zu führen oder während der Autofahrt, musikalische Untermalung ist immer dabei.

Ein Streitfaktor ist dabei jedoch, wie sollte es anders sein, die Phonzahl. Wer Beats in der Stärke eines in Betrieb genommenen Presslufthammers hört, wer Rap bis zur Trommelfellschädigung abnudelt oder wer Hardrock in der Lautstärke eines startenden Düsenjets dröhnen lässt, darf dieses sicherlich tun. Wir Juristen verweisen hierzu eiligst auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus den Grundgesetzartikeln 1 Absatz 1 und 2  Absatz 1. Dieses Recht steht jedem Musikfreund ständig zur Seite, sofern er mit seinen Hörgewohnheiten nicht die Rechte eines anderen Bürgers einschränkt. So wäre dann beispielsweise denkbar, dass eine "Heino"-Fan seine laufende Abspielorgie mit dem Hinweis hierauf rechtfertigt. Der "Heino"-Hasser hingegen könnte sich - formal juristisch - auf die Verletzung des guten Geschmacks berufen und seine körperliche Unversehrtheit in Gefahr sehen. Körperverletzung durch die  Schädigung des Gehörs ist in der Tat ein strafbewehrtes Vergehen.

Hier kommt es allerdings auf die Lautstärke der abgespielten "Heino"-Traktate an. Wirkt die " Schwarzbraune Haselnuss " in Zimmerlautstärke ( vgl bei:
http://de.wikipedia.org/wiki/Zimmerlautst%C3%A4rke ), auf den Fan ein, so muss der plärrende Volksmusiksheld von dem Nachbarn ertragen werden.

Wer allerdings seine musikalischen Huldigungen über dieses zulässige Maß hinaus betreibt, bekommt möglicherweise Ärger. Nicht, weil er die Grenzen des guten Geschmacks permanent verletzt hat, diese wären eo ipsodurch Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt ( die Meinungsfreiheit umfasst auch das Recht jeden Dreck, der aus den Musikstudios kommt, konsumieren zu dürfen ), so lange er nicht verbotene Tonträger ( wie z.B. die Neofaschisten-Ergüsse von Krachmachern, wie" Landser "pp. ) abnudelt, sondern wegen der Phonstärke.
Hier haben viele Gerichte sehr viele Urteile verkündet, deren Sachverhalte so vielschichtig sind, wie die Musikgeschmäcker auch.

Gibt es auf dieser Ebene nachbarschaftliche Zwiste, so muss unisono zunächst der Ombudsmann, der Schlichter oder Mediator angerufen werden. Hierbei fungiert eine Person, der es primär nicht um den Musikgeschmack als solchen geht, sondern vielmehr um die Lösung des Problems, in welcher Form dieser mit der erforderlichen Einhaltung von Gesetzen kompatibel wird. Da sitzen denn so manche Streithähne, die sich zuvor mindestens schon verbal angegangen sind und machen gute Miene zum Trauerspiel. Wird über den Schlichter keine Einigung erzielt, weil die Beteiligten nicht einsichtig sind, so darf der vom Lärm Gebeutelte ein Zivilgericht anrufen.
Diese - meist kostspielige - Angelegenheit kann sich - sofern ein Sachverständiger bestellt werden muss - über einen sehr langen Zeitraum hinziehen und ist von der möglichen Entscheidung aus betrachtet, mehr als ungewiss zu bezeichnen.
Häufig fehlen die erforderlichen Beweismittel, um dem Lärmverursacher festzunageln. Der in seinen Ruhezeiten gestörte Nachbar muss nämlich haarklein das Datum, die Uhrzeit, die Dauer und die Art der Lärmbeeinträchtigung belegen.

So mancher Musiklärmgestresste scheiterte bereits an dieser gerichtlich fest gelegten Hürde. Die Klage wird dann regelmäßig als unbegründet, weil unsubtantiiert vorgetragen, abgeschmettert. Eine abgebügelte Klage erhöht aber den Frust auf Seiten des Lärmgeschädigten enorm. Kalte Wut steigt auf, es werden andere Saiten aufgezogen und häufig endet ein derartiger Streit mit dem Austausch von Verbalinjurien. Sieger ist dann, wer das umfangreichere Repertoire an Begriffen aus den Untiefen der Fäkalsprache vorweisen kann.

Ist die Nachbarschaft erst gestört, lebt´s sich weiter, ungeniert!

Dann nämlich, wenn statt einer Zivilklage, nun die Strafanzeigen wegen Beleidigung, Hausfriedensbruch, Verleumdung oder sogar Körperverletzung wechselseitig gestellt werden. Die strafrechtliche Ebene ist jedoch ähnlich unerquicklich wie jene des Zivilrechts. Schlag auf Schlag werden die Strafanzeigen zwar eingereicht, es kommt manchmal auch zu polizeilichen Ermittlungen, die Verfahren werden dann aber - nach dem Prinzip des funktionierenden Uhrenpendels  - eingestellt. Die weitere Niederlage erhöht den Wutfaktor bei dem Gefrusteten ins Unermessliche, zumal der Lärmterrorist seine Musikanlage weiterhin bis zur Schmerzgrenze aufdreht.

Wie es aber anders geht, zeigen zwei Fälle, die wegen der daraus resultierenden Folgen nicht nur von den Medien begierig aufgegriffen wurden, sondern die durchaus unter die Rubrik unfassbar geführt werden sollten.

Da las ich doch heute Morgen unter der Rubrik " Eine Meldung und ihre Geschichte " einen "SPIEGEL"- Artikel mit der Überschrift " Schlafschütze ".
" Zsum, zsum, zsum ", nicht milde, wie jenes " Zoom, Zoom " für die " MAZDA " - Werbung, dröhte es in der Wohnung des Italieners Giovanni S. regelmäßig nachts, wenn dieser schlafen wollte. Aus der Nachbarwohnung wummerten die fetten Bässe der dort gespielten Musik heraus. Eine Mixture aus Dancehall-Reggae, HipHop, elektronischer Musik und latein - amerikanischen Rhythmen. Beinahe jeden Tag und oft nachts bis in die frühen Morgenstunden. Der aus Kalabrien stammende Rentner S. ertrug den Lärm zunächst stoisch. Er ging dann nächtens Spazieren und schlief tagsüber, wenn der junge, arbeitslose und von HARTZ IV lebende Landsmann auch schlief. Giancarlo C., der Marihuana konsumierte, trank, vorbestraft war und keine Lust auf ein geregeltes Leben hatte, lud sich oft Besuch ein. Dann wurde Party gemacht. Zum Leidwesen des Rentners S. Dessen Wohnung befand sich visavis zu der des Lärmverursacher C., nämlich auch im Souterrain. S. war alt und krank. Er wollte seine Ruhe. C. war jung und faul. Er wollte leben.

An jenem Abend, in jener Nacht, lärmte es aus C.´s Wohnung wieder über Stunden. S. platzte der Kragen. Er riss seine Wohnungstür auf und schrie in den Flur: " Ich bin krank ich bin alt, ich möchte schlafen!"
S. soll daraufhin gerufen haben: " Wenn du die Polizei rufst, beendest du dein Leben!"
Der Rentner hatte über einen längeren Zeitraum im Keller einen Revolver der Marke " Smith & Wesson " versteckt. Die Waffe bekam er von einem verstorbenen Freund geschenkt. Weil jedoch im Keller Kinder spielten, holte er den Revolver in seine Wohnung. Hier lud er die Waffe, denn er bekam vor C. Angst. Der hatte nämlich zuvor mit der Faust Löcher in die Wand geschlagen, weil er sich mit seiner Schwester stritt.
C. war ein schwieriger junger Mann, dass wusste auch der Rentner S.

Die Situation eskalierte in jener Nacht. Als C. mit einem Freund an der Haustür von S. stand, dieser sich bedroht fühlte, hob er die Waffe und schoss. Nachdem von oben ein weiterer Freund in das Treppenhaus kam, schoss S. noch einmal. Dann rief er zunächst die Feuerwehr an. Die Leitstelle fühlte sich veräppelt und stellte erst beim erneuten Anruf zur Polizei durch. S. sprach im sehr schlechten Deutsch von drei angeschossenen Männern. Als die Polizei eintraf , zogen die Beamten ihre Waffen, forderten S. auf sich auf den Boden zu legen und führten ihn in Handschellen ab.
Am Ende blieben 2 Schwerverletzte und C., der noch am Tatort verblutete, zurück.

" Warum?", fragte entsetzt die junge Polizistin, als die Handschellen klickten.
" Warum? ", möchte auch die Richterin der Schwurgerichtskammer wissen.
" Warum? ", so lautete auch die Frage seines Pflichtverteidigers.

Und das " Warum? " hätten auch gerne die vielen Verwandten von C. beantwortet gehabt, die in der Verhandlung als Öffentlichkeit sitzen. " Pora miseria ", hetzt die Mutter gegen S.
Wer das "dumme Schwein " am Ende sein wird, stand zu Beginn des Strafverfahrens gegen S. wegen Mordes, versuchten Totschlags und unerlaubten Waffenbesitzes fest: Giovanni S., weil er seine Nachtruhe mit dem Revolver erzwang statt über ein Gericht!

Ein ähnlicher, wenn auch nicht ganz so spektakulärer Fall, ereignete sich vor einigen Jahren im beschaulichen Bückeburg. Der einstigen Fürstenresidenzstadt. Der Kleinstadt mit den alten Fachwerkhäusern, die mittels EU-Subventionen und staatlichen Zuschüssen schön aufgemotzt wurden, deren Fußgängerzone das Flair der untergehenden Titanic besitzt, weil dort die Geschäfte reihenweise dicht machen. Jener Provinzstadt also, wo zu Zeiten meiner Ausbildung, die vielen Fachgeschäfte für genügend Jobs und Lehrstellen sorgten.
Hier, wo damals die Pornohefte nur unter dem Ladentresen eines Tabakwarengeschäfts verschoben werden konnten, wo es Präservative nur beim Frisör oder in der Apotheke zu kaufen gab und wo die Wohnung nur mit Trauschein und Unterschrift der Eltern vergeben wurden, ereignete sich fast 40 Jahre später ein unfassbares Verbrechen. In einem Wohnhaus wäre ein Mann beinahe verblutetet, weil er sich wegen zu lauter Musik in seiner Nachtruhe gestört fühlte. Die Lokalpresse berichtet über diesen Fall so:

" Entzündet hatte sich der blutige Streit an lauter Musik („Griechischer Wein“), die in jener Nacht zum 16. Dezember 2009 nonstop durchs Haus dröhnte. Aus Ärger darüber, um den Schlaf gebracht zu werden, steckte der 50-Jährige ein Messer ein und ging über den Flur zur Nachbarwohnung. Die Tür stand offen. Im Vorflur kam es gleich zum Streit. Einen Hausbewohner (24) stach der Bückeburger in den Hals, einen zweiten (58) in den Bauch. Der ältere Mann hätte verbluten können. Nur knapp hatte die sieben Zentimeter lange Klinge ein lebenswichtiges Organ verfehlt. "

- Zitatende - aus:
http://www.sn-online.de/Schaumburg/Bueckeburg/Bueckeburg-Stadt/Eventuell-Freispruch-fuer-den-Messerstecher

Was sich als eine Lappalie entpuppte, der Streit zwischen den Bewohnern eines Mietshauses, also zwischen Nachbarn, hätte durchaus den Tod eines Beteiligten nachsichziehen können.

http://www.mt-online.de/lokales/regionales/3527729_Griechischer_Wein_-_und_dann_fliesst_Blut.html
Wo der Anlass für einen blutigen, fast tödlichen ausgehenden Zwist zwischen Nachbarn eine "Repeat"-Orgie des Udo Jürgens Klassikers " Griechischer Wein " war, wurde andern Ortens ein Musikpotpourie nicht aus knallharten Titeln mit kreischenden Gitarren, hämmernden Schlagzeug und wummernden Bässen, nein, es war fremdländische Musik aus dem Balkan, die einen Rentner störte. In Kombination mit weiterem Lärm, der während der Feier in einem Wohnhaus in Nymphenburg - das liegt in Bayern - verursacht wurde, schoss ein Nachbar mit einem Repetiergewehr 30 Mal durch die Wohnungstüren und verletzte 4 Mitbewohner. Ein weiterer Mann wurde versehentlich von einem Polizisten angeschossen, der diesen für den Täter hielt, weil der Mann zuvor dem Rentner den Schießprügel entreißen konnte.
Auch hier hätte der Streit, wie bei dem Italiener in Remscheid tödlich enden können.
Nur durch glückliche Umstände endete der Amoklauf des wütenden Nachbarn für die Angeschossenen nicht tödlich.

Streitkultur will eben auch gelernt sein. Wer ohnehin das Maß dabei verliert, hat später für den Rest seines eigenen Lebens auch sonst Alles verloren.

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