Die Schlacht im vorweihnachtlichen Kaufland.
Da Heilig Abend nun mal am Montag ist, jedenfalls in diesem Jahr, bedarf es in vielen Haushalten und Familien einer erheblichen logistischen Meisterleistung, um das zur Versorgung erforderlich Quantum an Lebensmittel aus den unzähligen Konsumtempeln bis nach Hause zu transportieren. Oft mit ganzen Einkaufslisten bestückt, zieht der König Kunde zum Kauf. Weil auch nichts dem Zufall überlassen wird, muss die Weihnachtsversorgungsfahrt auch hier perfekt organisiert sein. Schließlich soll der Gastgeber auch eine angemessene Versorgung garantieren, wenn die Familienangehörigen bei ihm aufschlagen. Da artet denn der Lebensmitteleinkauf zu einer waren Schlacht aus, zu einem Kampf um die angebotenen Waren, zu einem Gefecht um die raren Einkaufwagen.
Da jagte um kurz vor sieben Uhr morgens ein Gaspedaljunkie wieder in der 30er Zone in Richtung zur Wiesbadener Straße. Immer die gleichen PKW - Raser zum gleichen Zeitpunkt mit gleicher, weil wesentlich überhöhter Geschwindigkeit. Die kalte Luft, die durch das nur ein Spalt breit geöffnete Zimmer hinein strömte, machte mich sofort hell wach. Mit einem Satz war ich in den Clogs, die vor dem Bett standen und verschwand zügig in das Badezimmer. Anschließend hieß es Katzen füttern, Kaffeemaschine anstellen, Kaffeetasse holen. Nur langsam gewöhnte ich mich daran, dass es auch noch um 7.30 Uhr dunkel bleibt. Der Winter ist eine wirklich unangenehme Jahreszeit, jetzt, wo alles kahl ist, die Morgen kalt und die Tage kurz bleiben.
Gegen halb neun begann ich den Frühstückstisch zu decken. Zwischenzeitlich war auch meine bessere Hälfte wach und zeigte mir stolz ihre neue Pudelmütze, aus Wolle, bei ebay ersteigert. Wir diskutierten noch über die Ermittlungen im Fall des Ex - Bundespräsidenten Wulff, Christian, weil das Hamburger Nachrichtenmagazin ihm wieder vier Seiten gewidmet hatte. Dieser Halunke und Schnorrer: Lässt sich einfach vom Geerkens einen " Jura " - Kaffeeautomaten schenken. Für über 1.500,-- €. Unsereins muss das Ding selbst finanzieren und ab stottern.
Noch ehe wir uns versahen, zeigte die Küchenuhr auf halb zehn. Jetzt wird es aber Zeit, den Weihnachtseinkauf zu erledigen.Also angezogen und dann los gefahren.
Zunächst wurden die Getränke von dem Einkaufszettel gestrichen. Ein Kasten Mineralwasser, medium, ein Kasten Bier, gemischt. Dann gings weiter zum " Kaufland ". Schon beim Abbiegen auf die " Kesselsdorfer Straße " wurde uns klar und deutlich aufgezeigt, dass wir an diesem Freitagmorgen, den 21. Dezember 2012 gegen 10.00 Uhr nicht die Einzigen sind, die die Idee des " rechtzeitigen " Einkaufens hatten. Ein PKW hinter dem anderen Wagen, so schoben sie sich auf dieser Straße in Richtung Stadtmitte, und es wurden immer mehr, je näher wir dem Paradies " Kaufland " kamen.
Schon beim Auffahren zum Parkdeck schwante mir Böses, denn ich bemerkte sofort, dass es hier wie zu Ferienzeiten auf dem Frankfurter Flughafen zuging. Blech an Blech, Schlorren nach Schlorren, blank geputzter Wagen hinter blank geputztem Wagen, so fuhren sie hoch und herunter.
Dann, ich bog auf die Parkflächeneinfahrt, dann traf mich der Schlag: Die sonst vielen freien Betonflächen waren zugeparkt. " Auch Du große Sch... !", stieß ich den Fluch aus. " Hier kriegen wir keinen Parkplatz mehr! ", folgte die ernüchternde Feststellung. Dennoch, o Wunder, o Frohe Weihnacht, es wurden auch Plätze wieder frei. Mühsam manövrierte ich den Kombi in die enge Lücke. Jetzt hieß es: Einkaufswagen ergattern!
Mit ein wenig Glück und Geschick erbeuteten wir eines der rollenden Transportmittel. Ab in den Aufzug und hinuter in das Getümmel, das Gewühle, das Gewimmel. Die Luft war zum Schneiden. Stickig, verbraucht und durch die pustende Klimaanlage nur umgewälzt. Menschen, wohin das Auge blickt. Junge, Alte, Mittelalte, Dicke, Dünne, Kräftige, Schwarzhaarige und weiblich, Grauhaarige und männlich, mit gefärbten Haaren und hässlich, so schoben sie ihre Wagen durch die überfüllten Gänge. Vorbei an bis zum bersten gefüllte Regale, Tiefkühltruhen und Ständer. Entlang der Konserven, der Fleischartikel und den Milchprodukten.
Der eigene Einkaufskorb füllte sich zusehens. Obst, Gemüse, Kartoffeln, Brot, Mehl, Zucker, Rinderhack, Rindfleisch, Rinderknochen, Suppenhuhn, Putenschnitzel, Mettwurst, Emmentaler Käse. " Was für´n Käse, während dieser Zeit hier einzukaufen! ", fluchte ich innerlich.
Weiter ging´s ! Butter, Milch, Eier, Apfelsaft, Katzenfutter. Stopp! Noch was vergessen! Zurück auf Los? Kein Durchkommen, die Menschenmassen versperren die Querverbindung zu anderen Gang. Also, über einen Umweg, zurück in Richtung Eingangsbereich. Meine Durchplanerin und Initiatorin, die Chefin vom Einkaufsdienst kam mit zwei Hände voller Artikel zurück, derweilen hatte ich mich der 50 m langen Schlange angeschlossen, die sich dann weiter zweiteilend vor den besetzten Kassen gebildet hatte.
Anstellen, um zu Bezahlen! Nee, dass war nicht immer so! In den DDR - Jahren bildeten sich auch lange Menschenschlangen vor den Geschäften. Irgendetwas ergattern? Das ist schon länger her. Heute muss frau/man auch wieder anstehen - allerdings nur um Geld loszuwerden. Die Kassenschlange bewegte sich. Meter für Meter kamen wir vor dem heiß ersehnten Bereich vorwärts. Dann stand unser brechend volle Einkaufswagen vor dem Kassenlaufband. Bald war es geschafft! Zwischendurch gab es immer wieder einen Small Talk mit anderen Leidenden. Ich posaunte die kühne Forderung heraus " Weihnachten gehöre abgeschafft! " Ein jüngerer Mann grinste und nickte mir heftigst zu. Alles nur graue Theorie!
Dann wurde malocht, denn die kiloschweren Artikel mussten allesamt auf´s Band. Ruckelnd bewegte sich dieses Zentimeter für Zentimeter nach vorne. Nur unser Einkaufswahnsinn lag auf der schwarzen Fläche!
Die jüngere Kassiererin war trotz des enormen Betriebs noch immer gut gelaunt. Wahrscheinlich eine TZ, eine KapofaZ - Mitarbeiterin oder eine Aushilfe vor den Feiertagen. Das typische Scannergeräusch wollte nicht enden. Junge, junge, das wird ein Kassenbon ( vulgo im Jargon der hiesigen Kassierer: Zettel )! Dann, endlich die letzte Kiste, die letzte Tüte, die letzte Dose war eingescannt, kam die dicke Rechnung. Wieviel? Nee, dieses Weihnachtsfest nervt. Dieses Gefresse, dieses Gelaufe, dieses Gehetzte - es geht mir auf den Zwirn. Da fielen mir jene Zeiten wieder ein, als ich noch jung oder zumindest jünger und Student war. Hmmmh, da war es doch ähnlich. Riesige Menschenmassen wälzten sich durch die Innenstadt, die Bremer City, verstopften die Aldi - Filialen, später die Lidl - Märkte, die Netto - Niederlassungen. Sie verursachten einen Mega - Stau bei Ratio, bei Real, REWE, Marktkauf, Wertkauf oder wie sie sonst noch alle heißen und hießen.
Schwitzend und gestresst begaben wir uns zum Aufzug. Zurück zum Parkdeck, an die frische Luft und nichts wie weg. Die mit gebrachten Taschen und Einkaufskisten waren im Nu voll. Was für´n Berg! Dann musste der ganze Mist auch noch ausgepackt, eingeräumt und verbraucht werden. Neben dem Einkauf, dem Besuchsvorbereitungen, war denn auch noch das Essen, als weitere Stufe der Weihnachtswahsinnswoche zu beachten. Will ich das wirklich? Ich erinnerte mich an die wunderbare Ballade von Reinhard Mey - " Die heiße Schlacht am Kalten Büffet. Na, denn, guten Appetit:
Gemurmel dröhnt drohend wie Trommelklang
Gleich stürzt eine ganze Armee
Die Treppe herauf, und die Flure entlang
Dort steht das kalte Buffet
Zunächst regiert noch die Hinterlist
Doch bald schon brutale Gewalt
Da spießt man, was aufzuspießen ist
Die Faust um die Gabel geballt
Mit feurigem Blick und mit Schaum vor dem Mund
Kämpft jeder für sich allein
Und schiebt sich in seinen gefräßigen Schlund
Was immer hineinpasst, hinein
Bei der heißen Schlacht am kalten Buffet
Da zählt der Mann noch als Mann
Und Auge um Auge, Aspik um Gelee
Hier zeigt sich, wer kämpfen kann
Hurra, hier zeigt sich wer kämpfen kann
Da blitzen die Messer, da prallt das Geschirr
Mit elementarer Wucht
Auf Köpfe und Leiber und aus dem Gewirr
Versucht ein Kellner die Flucht
Ein paar Veteranen im Hintergrund
Tragen Narben auf Stirn und Gesicht
Quer über die Nase und rings um den Mund
Wohin halt die Gabel sticht
Ein tosendes Schmatzen erfüllet den Raum
Das rülpst und das grunzt und das quiekt
Fast hört man des Kellners Hilferuf kaum
Der machtlos am Boden liegt
Bei der heißen Schlacht am kalen Buffet
Da zählt der Mann noch als Mann
Und Auge um Auge, Aspik um Gelee
Hier zeigt sich wer kämpfen kann
Hurrah, hier zeigt sich wer kämpfen kann
Da braust es noch einmal wie ein Orkan
Ein Recke mit Übergewicht
Wirft sich auf's Buffet im Größenwahn
Worauf es donnernd zerbricht
Nur leises Verdauen dringt noch an das Ohr
Das Schlachtfeld wird nach und nach still
Aus den Trümmern sieht angstvoll ein Kellner hervor
Eine Dame träumt lächelnd vom Heldentod
Gebettet in Kaviar und Sekt
Derweil sie, was übrigzubleiben droht
Blitzschnell in die Handtasche steckt
Das war die Schlacht am kalten Buffet
Von fern tönt das Rückzugssignal
Viel Feind, viel Ehr' und viel Frikassee
Na denn: "Prost" bis zum nächsten Mal
Hurra, na denn: "Prost" bis zum nächsten Mal!
Das war die Schlacht am kalten Buffet
Und von dem vereinnahmten Geld
Geh'n zehn Prozent, welch noble Idee
Als Spende an "Brot für die Welt"
Hurra, als Spende an "Brot für die Welt"
Kommentare
Schöne Feiertage!