Leerer Lehrsatz: " Sei bestes Stück hat keine Länge. "



Die alte Tante Justitia muss sich beinahe mit allen Dingen, die irgendwann in unserem leben für Ärger sorgen können, befassen. Ob nun Nachbarschaftsstreitigkeiten, die häufig skurrile Züge annehmen. Ob nun Auseinandersetzungen im weiten Bereich des Medienrechts, die dann selbst zu einer Meldung werden und dabei wiederum irrwitzige Auswirkungen haben. Ob nun Schadenersatzprozesse, die wegen Pfuschereien am Bau, am Körper oder am Auto, häufig über Jahre dauern, weil Gutachter keine konkreten Antworten auf zu viele Fragen geben können.

Dieses Gebiet, auf dem sich Zehntausende an Schwarzkittel herum tummeln, nennen wir Zivilrecht.
Daneben gibt es weitere Rechtsgebiete. Zu den eher unappetitlichen Gebieten in unserem Rechtssystem zählt eher das Strafrecht. Hier geht es um andere Dinge, als klingende Münze. Zumindest zählt diese hier nicht immer etwas.

Da wurde vor dem Amtsgericht in Leer, einer Stadt in Ostfriesland, gegen einen Postzusteller verhandelt, dem unter anderen vorgeworfen wurde, im August 2013 bei einem Mädchen ein Paket ausgeliefert zu haben, wobei dieses mit geöffneter Hose und einem dort heraus hängenden Penis erfolgt sein soll.

Leer in Ostfriesland hat im Laufe der vielen Jahre für so manche Schrulle gesorgt. Dabei seine offensichtliche Provinzialität nie in Abrede gestellt. Legendär sind die vielen Ostfriesenwitze, die in der übrigen Republik für so manchen Lacher sorgten, wenn durch sie suggeriert werden sollte, dass die dortigen Bewohner geistig etwas beschränkt seien. Doch das ist keineswegs der Fall. Die Ostfriesen in leer sind eher gewitzt. So erklärten sie einst für ihren Hauptbahnhof - sofern er als solcher zu bezeichnen wäre - zu einem ausbaufähigen, bahntechnischen Großobjekt, indem sie kurzerhand bei der Durchnummerierung ein Gleis übersprangen:

 EG - 1 - 2 - BS - 4 - G

EG - Eingangsgebäude
BS - Bahnsteig
G - Gleis, dass man so als Fußgänger nicht erreicht

Dann wäre der Bahnsteig wohl das verschwundene Gleis 3. 

Immerhin ist es ihnen gelungen, sich in die Reihe der sonstigen Großbahnhöfe einzureihen.

Auch sonst sind die Ostfriesen für so manchen Kalauer gut. In einem Erotik - Klamaukfilm aus dem Jahr 1973 wird glatt weg behauptet: " Oh mei, haben die Ostriesen Riesen. " Hier findet sich in einer Nebenrolle - der Musikkenner glaubt es kaum - der Liedermacher Konstantin Wecker wieder.
Wie urkomisch es sein kann, wenn sich Ostfriesen in die Erotik - Genre tummel, beschrieb " DER SPIEGEL " in einer Ausgabe aus den 1970er Jahren. Einige Männer aus Ostfriesland sahen sich in einem Porno - Kino den Klassiker " Deep Throat " mit der verstorbenen Linda Lovelace an und kommentierten die Szenen auf platt.

Wie oft sich Gerichte in Leer, Emden oder Aurich mit den Themen Sexualität, Pornografie oder artverwandten Themen befassen müssen, dürfte wohl nicht exakt erfasst sein. Unangenehm sind solche Verfahren für die Beteiligten, insbesondere die Angeklagten, alle Male.
Das musste vor einigen Jahren ein bekannter deutscher Schauspieler erfahren, der in einer Bar in Hannover einer dort anwesenden Frau an den Busen gegrapscht haben soll. In dem Verfahren, an dem neben der Vorsitzenden, zwei Schöffinnen und eine Staatsanwältin teilnahmen, ließ der Angeklagte über seinen Vertreidiger einräumen, dass er längst impotent sei,und sich mit der ihm vorgeworfenen Handlung nicht sexuell erregen wollte.
Pein, peinlich, für einen durchaus bekannten Schauspieler.

Genauso peinlich hätte es für jenen angeklagten Postmitarbeiter kommen können, wenn dem Beweisantrag, den sein Verteidiger in dem Strafverfahren gegen den Mitarbeiter gestellt hatte, tatsächlich entsprochen worden wäre. Er sollte nämlich sein " bestes Stück " vo Amts wegen vermessen lassen, nachdem die Geschädigte und Zeugin ausgesagt hatte, dieses hätte aus der geöffneten Hose heraus gehangen. Die ebenfalls als Zeugin geladene und vor Gericht aussagende Ehefrau widersprach dieser Darstellung, indem diese behauptete, dass der Penis ihres Mannes zu kurz sei, um aus der Hose heraus zu baumeln.

Nun hätte sich die Richterin ein Bild über die Möglichkeit einer solchen Aussage und der ihr widersprechenden Schilderung zur Penisgröße machen müssen, um beide Zeugenaussagen bewerten zu können. Deshalb beantragte der Verteidiger zunächst, das gute Stück des Mandanten direkt im Gerichtssaal in Augenschein zu nehmen. Die Richterin lehnte diesen Beweisantrag ab. Auch zu einer beantragten Vermessung des Glieds kam es nicht, denn das Gericht stellte das Verfahren gegen den Postmitarbeiter nach § 154 Strafprozessordnung ein, weil es wegen eines anderen, dem Mann vorgeworfenen Delikts zu einer Verurteilung kam.

So blieb dem Angeklagten in Leer eine Penis - Vermessung und eine weitere Strafe erspart, die Richterin drückte sich um eine juristisch wasserdichte Entscheidung in der angeklagten Strafsache und die Zeuginnen mussten sich nicht der Gefahr aussetzen, dabei überführt worden zu sein, dass eine von ihnen die Unwahrheit gesagt hat.
Justitia zeigte sich wieder einmal blind, weil sie vor Scham die Augen fest verschloss.


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