Die drei unverzeihlichen Fehler eines Normalbürgers




II. Episode: Sage niemals etwas, wenn du nicht belehrt worden bist.


Die Ermittlungsmethoden der Strafverfolgungsbehörden werden längst durch zeitgemäße Techniken unterstützt. Routinevorgänge, wie die Feststellung von persönlichen Daten können binnen weniger Sekunden erledigt werden. Alibis lassen sich mittels Computertechniken sofort überprüfen. DNA - Test sind nur noch Sache von wenigen Stunden. 

Doch es gibt auch Fälle bei denen die alten Methoden gefragt sind. Wenn zum Beispiel eine Strafanzeige aufgrund unvollständiger Angaben vorliegt und eine vermeintliche Straftat erst über mühselige Kleinarbeit als solche fest gestellt werden kann. Die Kripo ist hierbei wiederum gehalten, selbst einem kleinen Hinweis, einem winzigen Detail, einem Puzzlestück nachgehen zu müssen, um ein Ergebnis präsentieren zu können.

Bei Massendelikten, wie etwa Diebstahl, Einbruchdiebstahl oder Betrug können selbst eine Vielzahl von Indizien oft nicht zur Überführung eines Täters ausreichen. Deshalb stellt die Staatsanwaltschaft solche Strafverfahren möglichst schnell ein. Der Ermittlungsaufwand tendiert hier oft gen Null. Es sei denn, es handelt sich um besondere Verfahrensweisen bei der Begehung der Straftaten oder einen hohen Schaden. 

Während die Deliktsarten somit eher stiefmütterlich behandelt werden, lässt sich die Strafjustiz bei anderen, tausendfach vorkommenden Taten, eben nicht lumpen. Da wird das gesamte Repertoire der Strafprozessordnung aus dem Ärmel gezaubert und bei jedem Fall angewandt. Zu dieser Deliktsgruppe zählt das Unerlaubte Entfernen vom Unfallort, gemeinhin auch als Fahrerflucht bezeichnet.

Da klingelte es vor einigen Jahren in den Vormittagsstunden an der Haustür. Routinemäßig sah ich von einem Arbeitsplatz im 2. Stock durch das Fenster auf den Hauseingangsbereich. Häufig kamen um diese Zeit die Abgesandten der Zeugen Jehovas an die Pforte, um ihre Frohe Botschaft und die Apokalypse vom nahen Weltuntergang brühwarm verkünden zu wollen. Gepaart waren die lästigen Begegnungen der anderen Art sehr häufig mit der vorwurfsvoll gestellten Frage, ob ich an jenem sonnigen oder trocknen Tag schon einen Blick in die Bibel getätigt hätte.

Ab und an erschienen auch Mitarbeiter irgendwelcher Haussaierungsfirmen, die versuchten, für viel Geld Fassadenanstriche, Putzarbeiten oder Regenrinnenerneuerungen anzubieten. Immerhin waren es keine Hausierer, die überteuerte Haushaltswaren feil boten, Drücker von diversen Zeitschriftenwerbeangenturen oder Propagandisten einer Telefongesellschaft.

Nachdem ich einen prüfenden Blick durch die Fensterscheibe geworfen hatte, das vor dem Grundstückstor stehenden Paar mir eher unverdächtig vorkam, begab ich mich auf den mühsamen Weg nach unten. Dazu musste ich beinahe 30 Treppenstufen und 30 Meter zurücklegen.
An der Haustür angekommen, sah ich sicherheitshalber noch ein Mal durch die kleine, in der Tür eingelassenen Scheibe, um mich zu vergewissern, dass die beiden Personen noch am Pfeiler des Zauns stehen. Tatsächlich, sie waren noch da. Und klingelten just in dem Moment, als ich die Tür öffnete, ein zweites Mal.

Ich trat in den Treppenbereich zur Haustür und baute mich in abwehrender Haltung auf. " Guten Morgen! ", begrüsste mich der Mann. Er sah wie ein schon älterer Vertreter aus. Er trug ein graues Blouson. Jens DDR - Grau, dem ich bereits vor vielen Jahren ständig begegnete. Er war vielleicht zwischen 1,70 m bis 1,75 m groß und etwas pummelig. Sein ebenfalls dickliches Gesicht mit leichten Hamsterbacken sah mich dann mit ernster Mine an. Seine Begleiterin war wesentlich kleiner und hatte eine Hausmuttifrisur mit künstlicher Krause. Sie trug eine schwarze Ledermappe, die sie unter ihren linken Arm geklemmt hatte.

" Wohnt hier eine Frau....? ", wollte der vielleicht Mittfünfziger von mir wissen. " Ja. ", antwortete ich ihm mit klarer Stimme. " Ist die vielleicht da? ", stellte mir die dunkelblonde Dame mit Hausfrauenfrisur die nächste Frage. " Nein! ", war meine kurz und knappe Antwort. " Wann kommt sie denn wieder? ", hakte nun der Mann nach. " Vor 19.00 Uhr nicht. Die ist auf ihrer Diensstelle in C... ", gab ich ihm zur Antwort, um dann sofort selbst zu fragen: " Wieso? Worum geht es denn? "
Das Paar blieb eine Antwort schuldig.

Stattdessen führte der Mann das Frage - und Antwortspiel mit: " Fahren Sie einen silber .grauen Mazda 6 Kombi ", fort. " Ja! ", gab ich ihm die Antwort darauf zurück. Nun wollte die Dame, sie war vielleicht auch so um Ende Vierzig bis Anfang Fünfzig, von mir wissen, ob sie das Fahrzeug mal sehen könnten. " Nein, der Wagen ist nicht da. Damit fährt meine Frau zur Arbeit. ", gab ich ihr als Antwort und stellte erneut die Frage nach dem Anlass ihres Besuchs.
Es erfolgte erneut keine Antwort darauf.

" Hatt der Wagen einen bunten Aufkleber auf dem Tankdeckel? ", stellte nun der Mann eine weitere Frage an mich. " Nein! Hat er nicht. Aber, warum geht es denn nun hier? ", gab ich in einem leicht ungehaltenen Ton ihm zurück. Der Mann und seine Begleiterin nestelten an den Außentaschen ihrer Jacken herum und hielten die, mir sattsam bekannte Metallmarke der Kriminalpolizei, in ihrer, leicht hohl geformten Hand. Ich muss wohl einen sehr überraschten Blick auf das blank polierte, runde, mit einer silberfarbenen Kette versehe Stück geworfen haben, denn der Mann beantwortete mir dann doch die Frage nach seinem Ansinnen.

" Wir ermitteln in einer Verkehrsunfallfluchtssache gegen den Fahrer eines silber - grauen Mazda 6 Kombi mit Dresdner Kennzeichen, in dem die Buchstaben EO vorkommen sollen. ",
" Ja, son einen Wagen fahren wir. ", antwortete ich ihm etwas eilfertig, weil ich sofort erfasst hatte, dass beide Beamten meine Aussage ohnehin nicht verwerten konnten. Zum einen deshalb nicht, weil ich als  Ehemann zu dem Kreis der Personen zähle, denen nach der Strafprozessordnung ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, zum anderen, weil sie mich zu Beginn ihrer Fragestunde nicht darüber belehrt hatten, in welcher Eigenschaft die Beiden mich nun befragten. Ob nun informatorisch, als Zeuge oder sogar als Beschuldigter.

Dann erläuterte mir der Kripo - Beamte, worum es tatsächlich ging. Am einem Wochentag vor dem Erscheinen der Kripoleute, sollte ein Fahrzeug auf einem Parkplatz stehend, nach Aussagen von Zeugen, von einem Fahrzeug, wie wir es nutzten, angefahren worden sein. Wobei der Fahrer oder die Fahrerin sich nach dem Zusammenstoß einfach entfernt haben soll. Nach den Angaben klebte auf dem Tankdeckel des Mazda 6 ein farbiges Abziehbild. " Nein, bei unserem Wagen ist kein Aufkleber auf dem Tankdeckel, Das weiß ich genau, denn ich habe den PKW am Sonntag noch in Magdeburg betankt. Das wäre mir aufgefallen. ", gab ich den beiden Beamten als weitere Information noch mit auf den Weg.
" dann hat sich das hiermit erledigt. Vielen Dank und schönen Tag noch. ", antwortete der Mann, ehe er und seine Begleiterin sich umdrehten und auf dem Fußweg zurück zur unterhalb gelegenen Straße enteilten.

Ich begab mich auch zu meinem Arbeitszimmer und grinste mir auf dem Weg dorthin Einen. " Ihr Töffel, da müsst ihr schon früher aufstehen, wenn ihr mich auf´s Kreuz legen wollt.", dachte ich bei mir. 

Von der Sache haben wir nie wieder etwas gehört. Ob der angeblich Unfallflüchtige jemals ermittelt werden konnte, war eh zweifelhaft. Selbst wenn die Angaben zu dem PKW relativ präzise waren, könnte es - auch bei Zuordnung durch die Buchstabenkombiantion - allein mehrere Hundert solcher PKW gegeben haben. Ein Lotteriespiel ist dann angesagt. 
Oft kommen jedoch Fahrzeugführer bei einer Verkehrsunfallflucht nicht so glimpflich davon. Ist ein PKW erst einmal mit vollständigem Kennzeichen bekannt und erfasst worden, gibt es nur die Möglichkeit, die Aussage zu der angeblichen Tat zu verweigern. 
Meist werden sofort aufwendige Messungen und Vergleiche durchgeführt oder es wird ein Sachverständigengutachten erstellt, innerhalb dessen sogar Lackproben untersucht werden.

Viel Aufwand also. Selbst bei geringfügigen Schäden oder Unfällen ohne Personenschaden wird umfangreich ermittelt. Wer überführt wird, dem drohen eine Geldstrafe und Führerscheinentzug  oder eine bis 3 - monatige Fahrsperre sowie neuerdings 3 Punkte in Flensburg. Zudem wird die eigene Haftpflichtversicherung zwar einen möglichen Schaden an dem Fahrzeug des anderen Unfallbeteiligten regulieren, sich jedoch gegenüber dem Verursacher im Falle einer Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Entfernens vom Unfallort als leistungsfrei erklären. Mit der Konsequenz, dass der Versicherer diesen Betrag von seinem Kunden zurück verlangt.
Das könnte eine teure Suppe werden.

Doch wer in solchen Verfahren lieber schweigt als redet, liegt immer auf der sicheren Seite. Vor allem, wenn er zuvor nicht über seine Rechte aus der Strafprozessordnung belehrt worden ist.



  

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