Die vergoldete Tischpendeluhr von Schneider aus den Goldenen 90ern oder: Warum Werbegeschenke auch Büromaterial sein können.
Als die letzte Dekade des vergangenen Jahrhunderts eingeläutet wurde, betrieb ich ein kleines, aber renoviertes Büro in der Hastedter Heerstraße 164 in Bremen. Die Wendewehen waren im vollen Gange. Die Kanzlei lief - so, wie bei fast 90 % der zugelassenen Kolleginnen und Kollegen auch - mehr schlecht als recht. Doch alsbald sollten sich in den Neuen Bundesländern auch neue Felder für die vielen, hungrigen Juristen mit oder ohne Anstellung auftun. " Go east, young man! ", hätte es in Abwandelung zu dem US - amerikanischen Traum des besseren Lebens jenseits der eigenen Hemisphere heißen können.
Nun, ich blieb im Westen und wartete auf Mandanten. Die kamen dann zwar - wenn zunächst auch nur tröpfenweise - aus den Gebieten der Ex - DDR nach Bremen und versuchten hier ihr Glück, während Massen an Beamten, vornehmlich aber, Richtern, Staatsanwälten, Rechtspflegern und andere juristisch ausgebildete oder belastete Damen und Herren gen Osten zogen bzw. nach dorthin delegiert wurden. Es wanderten dabei zwar nie die Top - Leute ab, aber immerhin auch solche, die sich zumindest auf dem Papier im Ansatz mit der Jurisprudenz auskannten.
Es ging wieder aufwärts. Nachdem der selbst ernannte Kanzler der Deutschen Einheit den Brüdern und Schwestern in " Dunkeldeutschland ", dort, wo nach einem gern erzählten Treppenwitz, sich zuvor keine Banane hin traute, weil sie lieber den bekannten Umweg um die DDR mache, wollte zu Beginn niemand der Westdeutschen gerne hin. Immerhin haben nicht wenige der Abgewanderten im Verlauf der Jahre es hier durchaus zu etwas gebracht. Nicht nur Karrieristen, auch Trittbrettfahrer mit dem schwarzen Parteibuch und windige Unternehmer mit einer großen Klappe konnten vom Aufschwung Ost partizipieren.
So wanderte West nach Ost und Ost gen West. Es wuchs aber nicht zusammen, was eigentlich zusammen gehörte. Das lag unter anderem auch daran, dass jene, in die angebliche Freiheit entlassene Bürgerinnen und Bürger aus dem Bruderstaat mit dem Freisein auch den Konsumrausch und die Reisewut verbanden. Die Strafe folgte sodann auf dem Fuße. Manche Dame und mancher Herr, deren Sozialisation in der Mangelwirtschaft des real existierenden Sozialismus haftete, verschuldete sich alsbald bis über beide Ohren. Vor allem bei Versandhäusern, wie Quelle, Neckermann oder Otto türmten sich die unbezahlten Rechnungen. Später landeten Schreiben der Inkasso - Haie, Mahn - und Vollstreckungsbescheide in der Post und zum Schluss der unsäglichen Leidens - Oper in G - Moll, tanzte der Gerichtsvollzieher in der Wohnung Rock´N´Roll.
Dieser Ablauf war bei jenen Versandhändlern, mit denen ich es zu tun hatte, so weder möglich, noch vorgesehen. Die speziellen Kataloge der Werbeartikelvertreiber, wie der Schneider GmbH in Wedel bei Pinneberg, in schönen, dafür flachen Schleswig - Holstein oder der Hach GmbH und Co KG in nicht minder attraktiven Pfungstadt bei Darmstadt an der schönen, hessischen Bergstraße, dort wo einst die Großbäckerei Weber seine gefüllten Mini - Törtchen produzierte, die ich mir regelmäßig in den PLUS - Märkten kaufte, also an der der A 5 eben, wo der durchrasende Autofahrer an der dortigen Raststätte einst für viel Geld wenig Essen, plürrigen Kaffee aus dem Automaten und versiffte Toiletten in Kauf nehmen musste, da kamen auch pfiffige Werbegeschenke her.
Nun, Hach und Schneider verkauften indes nur an Gewerbetreibende, die sich dort als Neukunde zunächst als solche zu legitimieren hatten. Bei Handwerkern reichte dazu eine Kopie des Gewerbescheins Doch ein zugelassener Rechtsanwalt übt kein Gewerbe aus, sondern ist Freiberufler. Dienstleister, eben. So fügte ich der Kundenregistrierung, in der ich neben den persönlichen Angaben, auch noch einen Kanzleistempel hinzuzufügen hatte, eine Fotokopie meines Anwaltsausweises bei. Das reichte aus.
Den Tipp, dass es auch so funktioniert, erhielt ich von einem Kollegen.
Wenige Tage später wanderten die aktuellen Kataloge von Schneider und Hach mit der Post auf meinen Schreibtisch. Beim abendlichen Durchblättern entdeckte ich so einige Artikel, die zwar nicht als Werbegeschenke nutzen konnten, denn die Bewerbung der Rechtsanwaltskanzlei über solche Präsente, war - wie in anderer Form auch - durch die rigorosen Vorschriften in der Bundesrechtsanwaltsordnung, der BRAO, untersagt.
Immerhin waren aber jene Büroartikel so günstig, dass sie selbst die örtlichen Großhändler, wie das Hellweg Centrum an der Stresemannstraße oder die Metro an der Neuenlander Straße in Bremen preislich um Längen abhängten.
Deshalb ließ ich sodann den Bürobedarf über jene Versandhändler abdecken; mit der Konsequenz, dass mir seit dem in schöner Regelmäßigkeit jene bunt bedruckten - immer umfangreicher werdenden - Kataloge in mein Büro flatterten. Später folgten dann weitere Kataloge vom Heine - Versand und Bon Brix. Hinzu kamen die vielen Werbe Broschüren des Hellweg Centrum und der Metro, bei denen ebenfalls nur Gewerbetreibende mit Ausweis einkaufen durften.
Zu Sparen gab es eigentlich nur die 14%ige Mehrwertsteuer und einen kleinen Mengenrabatt bei Großpackungen. Bürobedarf war dort indes wesentlich teurer.
Während der arme Postzusteller, der damals noch verbeamtet war, im Laufe der Jahre Körbe weise jene Kataloge im Büro abgab und dabei einen kleinen Plausch mit uns hielt, um seine rechten, wenn auch nicht immer gerechten Ansichten zum Besten zu geben, erinnere ich mich, dass er dann und wann nachfragte, ob ich aus jenen vielen Katalogen auch bestellen würde. Davon konnte er nichts wissen, denn die großen Pakte aus Wedel, Pfungstadt oder Hamburg musste ja sein Kollege abgeben. Der kam indes mit einem großen, gelben Kastenwagen; der arme Zusteller indes mit einem schweren, alten Dienstfahrrad, an dem sich zwei riesige Körbe sowie zwei Leder - Packtaschen befanden.
Als die 1990er endeten, lagen in meinem Büro immer noch ungezählte Kugelschreiber, Aktenordner und bunte Litzen, mit denen ich die DIN A 4 - Blätter abheftete. Die Einkaufsorgie bei Schneider und Hach war längst vorbei. Weil die computerisierte Bürowelt rasend schnell voran schritt, benötigten viele Kanzleien und Büros kaum noch Artikel aus diesen Bereichen. Dafür kauften die Selbständigen vielleicht jene Produkte, die auch mehr als ein Vierteljahrhundert wohl offensichtlich in sind und so gibt es jene Anbieter immer noch - mit der Zeit gehend, im Netz über professionell angelegte Seiten.
http://www.schneider.de/schneider/de/service/historie
https://www.hach.de/katalog/
http://www.bonprix.de/kategorie/fashion-news/
http://www.heine.de/?ExtCall=true&ActionID=br/de_g_s_c_x_x_Heine-DE-Brand_heine-de-g-search-brand_heine-katalog_z&AffiliateID=BID&WKZ=51&IWL=28&PixID=021&keyword=heine%20katalog&zanpid=2049386422645365760&erid=1435296600709580002&gclid=CPaVmMDQrMYCFWzMtAodZvwFHw
http://www.hellwegcentrum.com/ueber-uns-...
http://www.metro24.de/pages/DE/Werbung/Angebote?&cid=de:s:store:google:Search_Brand%20Region_Bremen:text_ad:metro%20bremen%20angebote&gclid=CLbOtqbRrMYCFbPKtAod3uUFrg
Aber auch hier bleibt der Kitsch, das geschmacklose Geschenk, längst irgendwo im fernen China hergestellt, nicht außen vor. Mit Grausen erinnere ich mich an die Ausgeburt des Biedersinns in bundesdeutschen Wohnzimmern, wo auf Anrichten, in den piefigen Einbau - Schrankwänden oder auf Kamin - oder Attrappen einer derartigen Feuerstelle, jene vergoldeten Zeitmesser in Form von Pedeluhren, die mit einem durchsichtigen Plastik - Korpus ummantelt, den Staub nicht einlassend, der dafür auf der Plaste - Kuppel lag, gnadenlos hin - und her tickend, die Zeit in den verblödeten 1990ern an zeigend, ihr ewiges Dasein fristeten.
Ich finde diese Form der Zeitanzeige schlichtweg zum Kotzen, denn ich stehe auf eben doch nur auf den Nachbau von Bahnhofsuhren, aber nur jenen, die einst vor dem Gebäude oder in den riesigen Wartehallen, wie Monolithe emporragend, immer während die aktuelle Zeit anzeigten. Sie hatten Stil. Doch nicht jene Plastik - Gebilde, die - dem in englischen Herrenhäusern oder ähnlichen - nachempfundenen, nicht wertvollen, weil auch nicht aus Echt - oder Blattgold, dort auf Kaminen platzierten Pendeluhren aus dem obigen Versandhauskatalogen. Hässlicher Tinnef aus einer untergegangenen Ära des gemeinsamen Aufbruchs in die Zukunft, aus den 1990er Jahren.
Wie war das noch gleich mit der Clock und dem Tic - Toc? Ach, ja - schöööööööööööön. Und wie jung wir waren, schlank, mit vollem Gebiss!
Mensch Peter ( Phil ), wie hast´e dir verändert?
" Genesis " aus dem Jahr 1970 und " The Musical Box ":
sowie ein Vertreter der westdeutschen, elektronischen Szene von damals:
" La Düsseldorf " mit " Time ":
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