Frostige Männer



So langsam haben sich die Bäume, Sträucher und Pflanzen in den Winter - Modus verabschiedet. Alles kahl, oder was? Und weil in 49 Tagen bereits Heilig Abend ist, wird zu mancher Geschenkefetischist sich längst hinreichend Gedanken über die zu verteilenden Präsente an seine Liebsten, weniger Liebgewonnene und die Pflichtverwandtschaft gemacht haben. Die Auswahl ist riesig. Wenn all der Nonsens, Kitsch und Konsumdreck, der uns Jahr für Jahr in die Verkaufsschuppen, Konsumtempel und über die Millionen von Online - Händler zusammen gekehrt werden könnte, ich garantiere, es käme eine Strecke von der bis zum Mund zusammen.

Diese und ähnliche Gedanken kamen mir, während ich in dem so genannten " Auktionshaus Wreesmann " an der Hofmühlenstraße einen Satz Farbrollen in die Hand nahm, um jene Aufträge abzuarbeiten, deretwegen ich bereits seit einigen Wochen die Küche zu einer Absteige erster Klasse degradiert hatte. Nein, wat mutt, dat mutt, und Wreesmann ist ja - im weiteren Sinne - ein Stück norddeutsches Heimatgefühl aus den vergangenen 4,5 Dekaden.
Der schlaue Ostfriese Rolf Wreesmann hat sich kurz nach der Wende in den Wilden Osten begeben und hier eine Verkaufsstelle nach der anderen eröffnet. Mit Erfolg.

Warum also mehr Geld für die identische Ware in einem der sich über plärrende Reklame anbiedernden Baumarktketten ausgeben? Ich fand somit, was ich begehrte und begab mich schnurstracks zur Kasse, Wreesmann hatte die Regale neu geordnet und die Kassen umplatziert, Zudem sah der Schuppen leicht weihnachtlich aus. Über einige Meter Verkaufsfläche reihten sich Christbaumschmuck in sämtlichen Facetten, Weihnachtsaccessoires in vielen Kitsch - Varianten und Geschenkideen aller Art, dicht an dicht, aneinander. Bei Rolf Wreesmann weihnachtete es sehr.

Doch die richtige, erforderliche Winterstimmung lässt immer noch auf sich warten. Es will nicht so richtig kalt werden. Die Wettervorhersage gibt auch keine vorweihnachtliche Freude her, weil die Temperaturen da eher im Bereich der milden Herbsttage stehen. Nein, 49 Tage vor dem geheiligten Geschenkfest, wollte sich bei mir keine rechte Vorfreude einstellen. Da stand ich nun an dem spartanischen Kassenaufbau, während aus einer schnarrenden Lautsprecheranlage, ein - mir bereits bekannter - Mann mit lispelnder Stimme, einen Singsang zu den aktuellen Sonderposten herunter leierte. " Heute im Angebot: X Y Z , im Originalpreis für A,B,C Euro; bei Wteesmann nur: D,E,F Euro. ". Das " Wreesmann " kam mit einer " spitzen Stein stolpern " - Betonung aus den quäkenden Lautsprechern. Jeztzte wälzte sich die Mitarbeiterin zur Kassenfront. Sie war mir vom Gesicht her bekannt und hatte ihre besten Tage schon weit hinter sich. Ihr Kampfgewicht schätzte ich auf mindestens 110 Kilogramm, bei einer Körpergröße von vielleicht 1,60 m bis 1,65 m. Hmmmh, eindeutig zu fett. Zudem auch noch irgendwie unmotiviert, kurz angebunden und so abweisend. Summa summarum: Leicht nordisch unterkühlt, obwohl ich sie eindeutig als aus dem Raum Bautzen,Zittau, Weißwasser einordnete.

Sie kassierte mich also ab und ich verließ die " Wreesmann " - Aktionshalle eiligst, weil ja noch die Planerfüllung auf meiner Tagesagenda stand.

Kaum hatte ich die heimische Himmelspforte erreicht, lugte aus dem Briefkasten ein Packen Werbehefte, Einwurf- Faltblättchen und sonstiger Wegwerfmist mir entgegen. Junge, wieder soviel für die Papiertonne. Doch, halt stop, was war das. Eine Terminsnachricht des Bofrost - Händlers aus Kesselsdorf. Ihr Bo - Frost - Mann kommt am 5. November ab 14.00 Uhr zu Ihnen. Ärgerlich, dabei hatte ich über irgend eine Servicenummer verlauten lassen, dass wir keine Terminvorgaben mehr erhalten möchten. Dieses Ansinnen schien wohl bei der Dame im Call - Center aus Straehlen in der schönen Niederrhein - Region,keine Resonanz gefunden zu haben.  Nun, egal. Also hatte der " Termin - Service " uns diesen Liefertermin auf gebrummt. Nö, wir kaufen nichts.
Der Amerikanische Kühlschrank ist noch voll. Es lagern einige Kilogramm gefrostete, einheimische Pilze in Gefrierteil. Herz, was willst du mehr?

Da pfeife ich doch glatt auf die zu teure Frost - Ware.

Und während ich die Terminmitteilung zusammen knüllte, den gesamten Papier - Sermon in einen blauen Plastesack warf, erinnerte ich mich an die nervigen Anrufe des Konkurrenzunternehmens " Eismann ". Manno, diese Klingelei ging mir damals gehörig auf den Kranz. Immer kurz nach 18.00 Uhr bimmelte das Telefon und eine blecherne Stimme ertönte: " Hier ist Ihr Eismann - Termin - Service. Ihr Eismann besucht Sie wieder... " Es folgte eine kurze Pause, ehe das Datum und die Uhrzeit benannt wurden. Dann quäkte die Blech - Damenstimme irgendetwas von tollen Herbst - Winter - Frühlings - Sommer - Angeboten, die nur ja nicht versäumt werden sollten. Auweia, die haben es aber nötig.

Neben Bofrost, Eismann und Heimfrost, gibt es wohl noch den einen oder anderen, lokalen Anbieter, doch die beiden Erstgenannten teilen sich den Markt ( Bofrost = 26 % Anteile ), Eismann ( 70% - Anteile ) auf. Da die beiden Giganten mit dem Franchise - System operieren, gibt es fast nur Schein - Selbständige unter den Auslieferungsfahrern. Der knüppelharte Job bringt in der Regel erst dann ein akzeptables Einkommen, wenn mindestens 600 Kunden im Bestand des jeweiligen Franchiseunternehmers stehen. Das schaffen indes nicht alle der fast 1.600 Fahrer. Die Mehrzahl kämpft um das Überleben. Diese armen Scheinselbständigen sorgen jedoch dafür, dass wenigstens bei den beiden großen Franchisegebern die Kassen klingeln, denn die vertriebenen TiKo - Produkte sind teuer. So teuer, dass sich ein Kunde es drei Mal überlegen sollte, jeden Monaten bei dem fliegenden Händler zu kaufen.

Nein, wir möchten zunächst nichts mehr. Kein Eis ( dafür ist es eh zu kalt draußen ), keine Bihun - Suppe ( die hat bei Bofrost nicht geschmeckt ) und keine Knusper - Ente ( die Entenbeine sind jetzt bei Aldi billiger zu bekommen ). Deshalb war ich der irrigen Auffassung, der Bofrost - Mann würde nicht kommen.

Doch, weit gefehlt. Zunächst klingelte es an jenem 5. November 2015 gegen 13.30 Uhr an der Tür. Es stand ein Mann in einem orangen Arbeitsanzug an der Pforte. Der " Eismann " war da. Hähe, den hatte ich nun gar nicht bestellt. Freundlich, aber bestimmt, erklärte er mir, dass er den neuen Katalog für den Herbst / Winter 2015 dabei hätte und, ob wir Interesse an diesem Hochglanz - Machwerk hätten. Ich gab seine Freundlichkeit weiter und sagte der Gratis - Übergabe dankend zu. Ja, er würde dann morgen wieder um die gleiche Zeit vorbei kommen und nachfragen wollen, ob wir etwas Spannendes im Katalog gefunden hätten. Aber, hallo, spannenden Katalog?  Wo gibt es den denn? Vielleicht unmittelbar zur Nachwendezeit bei Beate Uhse.

So bügelte ich sein Ansinnen auf ein Wiederkommen rigoros ab.

Kaum hatte ich mein Mittagsmahl eingenommen, klingelte es gegen 14.00 Uhr erneut an der Tür. Dieses Mal war es doch tatsächlich der Bofrost - Mann.  Ich erklärte ihm, dass wir zurzeit keinen Bedarf an TiKo - Waren hätten und, dass ich dem Call - Center telefonisch aufgegeben hätte, keine weiteren Termine mehr vorzuschlagen. Offensichtlich ging dieses Ansinnen im täglichen Alltagstrott unter. Nein, ich wollte dieses Mal dem armen Willi von Bofrost kein vorweihnachtliches Geschenk bereiten und wieder für zu viel Geld zu wenig Ware ordern. Er sah ein wenig traurig aus. Er tat mir doch leid, als ich ihm die Eichentür vor der Nase zu machte.

Das Leben in diesem, unserem Land, ist hart, hammerhart und in der Gesellschaft herrscht eine frostige Atmosphäre, wenn es um Moneten, Umsatz, Gewinn usw. geht. Frostige Männer für frostige Tage vor Weihnachten?

http://www.volksfreund.de/nachrichten/region/wirtschaft/Wirtschaft-Das-harte-Geschaeft-mit-der-Tiefkuehlkost;art882,2850595


In  diesem - noch nicht - frostigen Umfeld, ein Stück frostige Musik:
The Ragpicker´s Dream " von dem exzellenten Gitarren - Heroe Mark Knopfler:



Gut´s Nächtle - aber, bitte schön, frostfrei!

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

" Eine Seefahrt, die ist lustig. " - nur nicht in den 60er Jahren zum AOK - Erholungsheim auf Norderney.

" Oh Adele, oh Alele, ah teri tiki tomba, ah massa massa massa, oh balue balua balue. " und die Kotzfahrt nach Wangerooge.

Was ist eigentlich aus dem Gilb geworden?