Zeit zu sterben.



Am Dienstag, den 10. November 2015 konnten die Metereologen und sonstige Wetter - Experten beinahe spätsommerliche Temperaturen in fast allen Teilen der Bundesrepublik Deutschland aufzeichnen. Es wurde von einem rekordverdächtig, milden November 2015 gesprochen. In Hamburg blieben die Thermometer bei 14 bis 16 Grad stehen; in Dresden bei 15 bis 17 Grad.

In Hamburg verstarb in den Vormittagsstunden dieses Tages der Ex - Bundeskanzler Helmut Schmidt; in Dresden der Autoschlosser und Veranstaltungshelfer Jörg L.

Der Hamburger hinter ließ in seinem erfüllten Leben eine Tochter und eine Lebensgefährtin im Alter von 81 Jahren. Seine Ehefrau Loki überlebte er um mehr als 5 Jahre.

Der Dresdner hinter lässt eine Mutter, einen Bruder und eine Cousine. Er hatte kein erfülltes Leben, weil er in einer Parallelwelt lebte.

Der Ex - Kanzler Schmidt war Millionär, weil seine vielen Publikationen und Vorträge in der Welt, ihm auch viel Geld einbrachten. Er hat dieses in einer Stiftung der Nachwelt hinter legt. So werden die Generationen nach ihm, den Namen Helmut Schmidt nennen können.

Der Ex - Autoschlosser und Veranstaltungshelfer Jörg L. hat keine Bücher geschrieben, keine Reden vor einem internationalen Forum gehalten. Er war verarmt und kann deshalb keine Stiftung gründen. Sein Name wird nur den Verwandten in Erinnerung bleiben; vielleicht noch einigen Weggefährten und so genannten Freunden aus der Szene.

Für Helmut Schmidt wird ein pompöser Trauerakt vor Hunderten Gästen stattfinden. Zuvor konnten sich Tausende in die ausgelegten Kondolenzbücher verewigen und Zehntausende von ihm verabschieden.

Zur Verabschiedung des Dresdner erschienen 3 Menschen in dem Trauersaal des Städtischen Bestattungsdienstes. Es lagen keine Kondolenzbücher aus. Es wird kein Staatsakt angeordnet. Jörg L. wird offiziell am 26. November nach der erfolgten Einäscherung in einem gemeinschaftlichen Urnengrab beigesetzt.

Helmut Schmidt verschied mit 96 Jahren. Sein Tod löste die übliche medial aufgemotzte Bestürzung und Anteilnahme aus. Sein Leben und sein Wirken füllt bereits heute ungezählte Bild - und Buchbände. Seine Publikationen nehmen viele Regalmeter ein. Für die Nachwelt hat er sich verewigt.

Jörg L. wurde nicht einmal halb so alt. Von ihm bleibt nicht viel; einige Fotos aus der Jugendzeit, die er ja in der DDR erlebte. Aus den Jahren danach ein paar gemeinsame Familienfotos als Erinnerungsstücke.



Es heißt: Vor Gott und dem Gesetz seien alle Menschen gleich. Letzteres kann ich nicht bestätigen; Ersteres nur vermuten.

Immerhin hat das Schicksal, das Leben, das irdische Sein, es so gewollt, dass der Dresdner Jörg L. zusammen mit einem berühmten, einem der ganz großen Politiker verschied.

Das letzte Hemd hat keine Taschen, so sagt es der Volksmund. Wie wahr. Aber der letzte Gang macht dennoch den Unterschied aus.

Zeit zu sterben. In einem, eigentlich trüben Monat, eines trüben Jahres 2015. Doch der Nebel verhangene, der graue Monat November, war bislang kein solcher. Im Gegenteil. Gegen Mittag wehte ein milder Herbstwind durch den Garten. Er trieb das bunte Laub, die Reste, die ich noch nicht zusammen kehren konnte, weil sie irgendwo in irgendwelchen Ecken lagen, über die Rasenflächen.

In Hamburg verstarb eine großer Mann der Zeitgeschichte. Er wollte es so. Nach über 96 Jahren war es für ihn genug. In Dresden verstarb ein kleiner, ehemaliger Autoschlosser. Er wollte es mit 48 Jahren bestimmt nicht. Er wurde nicht danach gefragt. Sein Herz streikte einfach. Es hatte genug. Es wollte nicht mehr. Irgendwann sind wir alle dran. Meistens können wir es uns nicht aussuchen. Wir werden nicht danach gefragt.

Ich lege die weiße Rose sacht auf den einfachen Sarg und verneige mich. Zeit zu sterben!

Gut´s Nächtle, mit Chuck Mangione und " Chase the clouds away ":



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