Die " Conatainer - Elli " in der Wegwerf - Gesellschaft.
Es ist mehr als ein Vierteljahrhundert her, als ich - eher zufällig - drei Floristen kennen lernte. Eine, sie war damals wohl Mitte Dreißig, führte ein Geschäft im niedersächsischen Delmenhorst. Der Laden lag allerdings außerhalb des Stadtzentrums; eher versteckt, in einem Privathaus mit Garagenanbau. Die Parkmöglichkeiten waren deshalb eher schlecht. Zudem befand sich der Gewerbetrakt an einer, bereits damals, viel befahrenen Straße. Also, eher in ungünstigen Umfeld.
Der damalige Lebensgefährte dieser Floristin, die Anne S. heißt, half ihr in dem kleinen Geschäft, von dem aus sie auch noch einen Stand auf dem Delmenhorster Wochenmarkt sowie auf ähnlichen Einrichtung im Umland der Stadt betrieb.
Zudem bot die Selbständige auch Trauer - und Grabflorisitk an.
Das Geschäft brachte dennoch wenig ein und das Paar konnte ohne die üblichen " schwarzen " Einnahmen sich nicht über Wasser halten. Der Lebensgefährte erhielt - nachdem er aus gesundheitlichen Gründen - seinen Beruf als Lagerist aufgeben musste, zunächst Arbeitslosengeld, dann Arbeitslosenhilfe. Er schulte später zum Floristen um und machte sich - nach der Trennung von Anne S. - ebenfalls selbständig.
Er scheiterte grandios und legte 2003 eine Insolvenz hin.
Dann war da noch eine Ostfriesin, die es in den 1980ern nach Bremen verschlug. Gretchen H. führte unter dem Namen " Gretchen´s Blumenladen " ein Floristikgeschäft, dass - wie sollte es anders sein - genau so wenig lief. Eine kleine Klitsche an der Gastfeldstraße / Ecke Sedanstraße in Bremen. Dort verkaufte sie ihre Waren. Oft waren es Schnittblumen, einige Topfblumen und dazu gehörige Keramik oder andere Accessoires. Ein Bereich, mit dem sich kaum die Beiträge zur Freiwilligen Krankenversicherung abdecken ließen. Minimale Tageseinnahmen von vielleicht 100 bis 150 DM waren die Regel. Gretchen hatte allerdings einen griechischen Lebensgefährten, der ihr finanziell auf die Sprünge half.
Und dann war die gelernte Floristin geschickt genug, um schon beim Wareneinkauf auf dem Bremer Großmarkt, eben jene Blumen noch zu ergattern, die die vielen Großhändler bereits in die Abfallgefäße geworfen hatten. Sie erschien deshalb erst kurz vor Verkaufsschluss und zog sich die weggeworfenen Rosen, Lilien, Gerbera, Dahlien, Sonnenblumen oder Herbstastern aus den Abfallkübeln und nahm sie gratis mit. Dazu hatte sie einen großen Plastikkorb bei sich. Den bugsierte sie in ihren uralten VW Golf und fuhr mit ihrer Beute in das Geschäft, wo Gretchen die Blumen mittels Sprays, Chemikalien und einem Wasserbad wieder auffrischte. Ais alt mach neu.
Gretchen erhielt deshalb den Spitznamen " Container - Elli ", weil sie eben ständig im Abfall des Blumengroßmarkts herum suchte.
So, wie es in jeder Großstadt einst die Nichtsesshaften, die Obdachlosen, die sozial Gestrandeten taten, um an Zigaretten, Alkohol oder einfach nur Essbaren zu kommen.
Diese Begebungen, Erlebnisse und vielen Episoden sind nun lange her. Die Welt hat sich zwischenzeitlich Tausende von Mal gedreht; die Gesellschaft, dieses Land, ist völlig anders geworden. Heute helfen landauf, landab, Zehntausende an so genannten Tafeln, den Armen. Sie verteilen als Ehrenamtlich nicht nur Lebensmittel, sondern geben dabei auch eine gewisse menschliche Wärme ab. In einer kalten Zeit und einer Konsum - und Moneten orientierten Welt.
Da hörte ich gestern, am Buß - und Bettag, den 18. November, in den Frühsendungen von MDR Info einen Bericht über eine andere Form von materieller Unterstützung durch Menschen. Sie werden mit dem begriff " containern " bedacht, was so viel bedeutet, wie Abfall in Lebensmittelgeschäften durch suchen und weiter verwerten oder selbst essen.
Das " Conatainer " ist rechtlich als Diebstahl einzuordnen, Weil Müll oder Abfall demjenigen gehört, der es zur Entsorgung abgegeben hat
In Leipzig wird das " Conatainern " von einigen Supermarkt - Ketten stillschweigend geduldet. So kann sich auch die WG - Bewohnerin Clarissa S. ( ein fiktiver Name ) in dem MDR - Bericht zu ihrer Tätigkeit, dem Durchstöbern von Abfallbehältern auf dem Hinterhof einer Konsum - Filiale, ohne große Umschweife äußern. Sie geht nach Geschäftsschluss in den Hinterhof der Supermarkt - Filiale und bedient sich bei den entsorgten Lebensmitteln. Diese werden anschließend gereinigt und landen auf dem Tisch in der WG. Die junge Frau hat hierfür eine nachvollziehbare Begründung parat: Sie möchte einen Beitrag gegen das sinnlose Wegwerfen von Lebensmitteln leisten.
Nach einer Studie aus dem Jahr 2012 landen allein in der Bundesrepublik Deutschland jedes Jahr im Durchschnitt 82 Kilogramm Lebensmittel in den Mülleimer, Diese entspricht einer Gesamtmenge von 6,7 Millionen Tonnen pro Jahr. Ein riesiger Berg also.
Wenn die übrigen Waren und Gegenstände, die sich im Leben eines Durchschnittsbürgers angesammelt haben und entsorgt wurden, dazu gerechnet werden, kommen die Statistiker auf einen Wert von 617 Kilogramm ( Stand 2013 ) je Einwohner.
Ein gigantischer Wert,
Dieses lässt darauf schließen, dass die Wegwerf - Gesellschaft nicht nur eine spinnerte Vermutung und ein Kampfbegriff gegen den Konsumdreck ist, sondern längst Realität.
So lässt sich nur hoffen, dass die vielen " Container - Ellis " von einst, noch mehr geworden sind. Denn ein reiches Land produziert auch Armut.
Na, denn auf zum fröhlichen Containern mit Brain Auger Trinity und " Elli´s Island ":
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