Mörderschlüssel



Seit mehr als 2 Wochen bin ich ohne eine funktionierende Armbanduhr. Irgendwann zum Ende des Februar streikte mein Weihnachtsgeschenk. Die schwarze Armbanduhr zeigte mir nicht mehr die aktuelle Zeit an. Sie zeigte immer nur die gleiche Zeit an. Sie blieb demnach zeitlos. Ein schöner Zustand. Das müsste es für Menschen, die diesen Wunsch äußern, auch geben. Doch, ehrlich gesagt, ich würde diesen nie für mich reklamieren. Es wäre ja grausam, wenn alle anderen Menschen, außer mir, älter werden würden - nur ich nicht.

Also die Armbanduhr stand. Sie bewegte sich nicht, so, wie es einst Galileo Galilei durch seine Bewegungsgesetze bewies und sich damit den Zorn der Kirche einholte.
Doch an meiner Armbanduhr bewegte sich nichts mehr. Die Zeit stand still.

Der erste Gedanke, zu den Ursachen des Stillstands - der ja Rückschritt bedeuten würde - war der, dass die in der Uhr eingelegte Batterie denn nun keinen erforderlichen Strom zum Antrieb der Unruh abgibt. Also: Die Batterie auswechseln!

Tja, nun gibt es verschiedene Möglichkeiten, diese Aufgabe zu erledigen. Die Uhr könnte zu einem Uhrmacher mit geschleppt werden, der dort für mindestens 6 EUR, binnen weniger als 1 Minute, das Gehäuse aufschraubt, die winzige Batterie mit einer Pinzette heraus zieht, eine Knopfbatterie aus einer Schublade entnimmt, diese wieder einsetzt und den Schraubdeckel des Uhrengehäuses mittels eines Schraubgehäuseschlüssels wieder zudreht. Sechzig Minuten mal 6 EUR / Minute = 360 EUR pro Stunde. Ein nahezu märchenhafter Stundenlohn, ein Stundensatz, den sich nur sehr gut verkaufende Strafverteidiger erlauben können, zu berechnen. Der Mandant wird ja arm!

 Also überlegte ich und kam zu dem Ergebnis, bei ebay einen Schlüssel zu kaufen, der das Problem eines fest verschlossenen Deckels für das Uhrengehäuse löst. Dieses Werkzeug gab es schon ab 2,99 EUR und sogar versandkostenfrei. Also: Schlüssel gekauft, den Betrag vom Konto abbuchen lassen und abwarten, Es vergingen eine Woche und vier Tage, ehe dass heiß ersehnte Werkzeug dann von China aus, den Weg bei mir auf den Küchentisch fand.

Nebenher hatte ich gelesen, dass diese chinesische Ware nichts tauge und das Gehäuse damit zerkratzt werde. Ob diese Miesepeter wohl von der Vereinigung Deutscher Uhrmacher für einen Negativ - Kommentar zuvor gekauft worden waren?

Bei mir funktionierte der verstellbare Schlüssel allerdings. Wenn auch mit zeitlicher Verzögerung, denn ich benötigte einige Anläufe, ehe der " Mörderschlüssel " den Uhrengehäusedeckel in Bewegung brachte,


Nun, Deckel auf, Batterie raus. Doch: Ich hatte keine passende Knopfzelle parat. Was für ein Mist. Das fühlte sich an, wie die 0:5 - Demütigung des Arroganz - Vereins gegen meinen SV Werder. Dagegen kann jedoch etwas unternommen werden; im Falle meiner Grün - Weißen leider nicht.

Ich fuhr somit zur Restposten - Kaufrausch - Halle " Wreesmann " und suchte in den Auslagen nach der passenden Batterie. Es gab sie leider nicht. Wieder eine bittere Niederlage. Und dieses, so kurz vor dem Frühlingsanfang. Enttäuscht begab ich mich auf den Heimweg. Meine Zeit ist immer noch nicht gekommen. Die Armbanduhr steht. Aber es gibt ja genügend andere, verlässliche Möglichkeiten, die Uhrzeit zu erfahren.
Das Radio, das Fernsehen, das Internet, Windows 7 bis 10, das Handy......, die Uhren im Haus.

Nein, diese Konkurrenten sind für mich keine. Ich bin da eher konservativ. Eine Armbanduhr ist zu einem Stück meines Lebens geworden. Ohne sie fühle ich mich unwohl. Irgendwie nur halb angezogen; vielleicht sogar nackt?

Seit ich im Alter von zarten 12 Jahren meine erste " Diehl " - Armbanduhr zum Geburtstag geschenkt bekam, bin ich zu einem Armbanduhr - Fetischisten mutiert. Ohne Wristwatch kein Kerl.

So warte ich nun auf die passende Knopfzelle für die Uhr. Weil jeder Hersteller seinen eigenen Kram produziert, passen die Mini - Batterien eben nicht in jede Uhr. Soviel Konkurrenz muss wohl sein. Und, wo kämen wir dahin, wenn die " Rolex " die identische Batterie enthält, wie eine Billigheimer - Uhr aus Taiwan?

Ohne Uhr aber ist das Leben nur die Hälfte wert. So sah ich jetzt etwas wehleidig auf den frisch erworbenen Armbanduhrendeckelöffner und fragte mich, wie die Uhrmacher einst mit anderen Gerätschaften, wie den berühmt berüchtigten  " Mörderschlüssel " zurecht kamen.
Immerhin war da der Batteriewechsel billiger und kostete nur 6 DM. Die Zeit schreitet voran, auch wenn meine Uhr immer noch steht und alles wird eben teurer.

Gut´s mit " Keef Hartley Band " und " The Time Is Near " aus dem Jahr 1970: Mensch, ist dat lange her!

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