Endstation Abstellgleis



Gestern bin ich zum zweiten Mal in meinem schon etwas länger andauernden Leben mit einem S - Bahn - Zug in Bayern gefahren. Am vorherigen Mittwoch war es meine Premiere. Nun, ja, die technischen Abläufe vor, während und nach einer solchen Fahrt haben sich nicht großartig geändert. Nur der von mir aus einem Automaten erhaltene Fahrschein muss vor dem Fahrtantritt nicht mehr in einen so genannten Entwerter gepresst werden, dammit dieser einen untrüglichen Stempelabdruck auf das Billett drückt und ein Kontrolleur daraus erkennt, wann, wo und wie lange ich die Leistungen des Öffentlichen Nahverkehrs in Anspruch genommen habe.

Die einfache Fahrt von Neufahrn nach Eching kostet 1,50 Euro. Sie dauert - ohne die Zeit des Ein - und Aussteigens einrechnet - nur 3 Minuten. Die Strecke beträgt von Bahnhof zu Bahnhof knapp 2.4 Kilometer. Eine Autofahrt dauert allerdings mindestens 8 Minuten; bei mehr als 4,5 Kilometern. Eine Fahrt wird über den Routenplaner von " Michelin " mit 0,58 Euro; also weniger als die Hälfte des S -Bahn - Preise kalkuliert. Okay, das sind allerdings lediglich die reinen Benzinkosten.

Nun, wie dem auch sei, ich hatte bei diesem regnerischen Herbsttag zunächst geplant, dass Fahrrad in unseren " MAZDA " - Kombi hinein zu legen von von Neufahrn ach Eching zurück zu radeln. Das herrschende Schmuddelweter mit Dauerregen hielt mich jedoch davon ab.

Wegen  des PKW fuhr ich nämlich mit der S - Bahn nach Eching zurück. Der gute, alte Lastenesel aus Japan ist vor einigen Tagen durch den TÜV gerauscht. Es gab nicht - wie von mir erhofft - die begehrte Plakette, sondern einen Mängelbericht. Die Servolenkung stimmte nicht. Sie war zum einen " schwer gängig "; zum anderen monierte der Prüfer zu viel Spiel bei dem Lenktätigkeiten.

So stand ich auf dem Hof des Autohauses in Neufahrn und verließ diesen nach zirka einer Viertelstunde wieder in Richtung S - Bahnhof. Es regnete immer noch als ich in Eching den Heimweg antrat.

Am nächsten Tag fuhr ich gegen 10.00 Uhr die S - Bahn - Strecke wieder zurück, um das Auto abzuholen. Die Werkstatt hatte es nicht fertig gebracht, den Fehler über eine Kalibrierung des Lenkgestänges zu beheben. Sie drohte uns mit einer mehr oder minder kostspieligen Reparatur.meine Laune war dementsprechend mies. Doch das Wetter am Donnerstagmorgen meinte es gut mit mir. Ich plante erneut, das Fahrrad zu nehmen, um die Strecke zu radeln.

Doch es herrschte draußen ein frischer Herbstwind. Also entschloss ich mich erneut die bequemere S - Bahn zu nutzen.

Als ich nach einem zirka 10-minütigen Fußmarsch den Echinger Bahnhof erreichte, erblickte ich an dem Gleis eine Menschentraube. Es waren Schüler, die einen Ausflug vor sich hatten. Ich schlängelte mich durch die Menge und löste am Automaten wiederum einen Fahrschein. Das Prozedere kannte ich bereits. Noch fuhr der Zug nicht ein, so dass ich mir die Schülergruppe etwas genauer ansehen konnte. Es waren mutmaßlich zwei gemischte Klassen, die sich am Bahnhof eingefunden hatten. Vielleicht 50 Schülerinnen und Schüler. Ich erkannte sofort, dass mindestens die Hälfte von ihnen einen Migrationshintergrund hatte. Einige von ihnen waren bereits jetzt übergewichtig. Andere könnten deutscher Nationalität gewesen sein.

Die Kleidung und das gesamte Aussehen der geschätzt 13 - bis 14-jährigen empfand ich - gelinde gesagt - doch etwas seltsam. Einige trugen noch reine Sommerbekleidung. Ein Junge stand gar mit kurzärmeligen  T - Shirt und kurzen Hosen auf dem windigen Bahnsteig. Ein andere Mitschüler hatte ein " FC Bayern " - Trikot, älter, kurze Arme, und eine leicht schmuddelige Jeans an. Einige Mädchen trugen gefärbte Haare und hatten sich - wie üblich - bereits die Fingernägel lackiert. Insgesamt machten die Mädchen und Jungen aus den Nuller - Jahrgängen auf mich den Eindruck, dass sie nicht der vermeintlichen " Elite " Bayerns und dieses, unseres, sozial zerklüfteten Landes, zugehörig sein können.

Nein, es waren wohl eher die jugendlichen Repräsentanten einer Hauptschule, die hier in Bayern, - irreführend - als Mittelschule bezeichnet wird und sich von den Hauptschulen der übrigen Bundesländer durch einen eher berufsorientierten  Lehrstoff unterscheidet. Im Ergebnis ist dieser Abschluss nicht viel mehr wert als einer an jenen Hauptschulen der anderen Bundesländer. Für mich ist es deshalb reine Augenwischerei.

Egal, denn die auf dem Bahnhof in Eching wartenden jungen Menschen, sie unterschieden sich von dem, was ich bislang über unsere älteste Enkeltochter in Sachen Schule ( Gymnasium ) mitbekommen habe, werden - wenn überhaupt - eher eine Ausbildung beginnen, eine Lehre absolvieren, die sie möglicherweise dazu befähigt, später einen Beruf auszuüben, mit und über den sie ihren Lebensunterhalt eigenständig bestreiten können. Die Mehrzahl jener jungen Menschen wird somit eher keinen hoch oder höher qualifizierten Job ausüben, damit bleibt ihr Einkommen überschaubar. Die Gefahr, deshalb mit einer unstetigen Erwerbsbiographie vorlieb nehmen zu müssen, dürfte dadurch ungleich höher sein als bei Gleichaltrigen mit einem abgeschlossenen Studium.

Die heutige Hauptschule, die ehemalige Volksschule, sie ist bereits vor sehr langer Zeit zu einer " Restschule " verkommen. Ein Begriff, der nicht aus der ideologischen Kampfrhetorik der einstigen " linken Schulreformer " stammt. Es ist nämlich Fakt, dass die Mehrzahl der Schüler eines Jahrgangs zu einem höheren Bildungsabschluss streben. Weshalb das Gymnasium zu der eigentlichen Regelschule hoch stilisiert worden ist. Wer kein Abitur vorweisen konnte, der hatte noch in der ersten Dekade des 3. Jahrtausend, des 21. Jahrhunderts, kaum eine Chance auf eine Berufsausbildung.

Da heutzutage mehr denn je junge Menschen ein Studium aufnehmen, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mittlerweile als gut bis sehr gut bewertet werden, hat sich das Verhältnis von angebotenen Ausbildungsplätzen zu potenziellen Bewerbern dramatisch verändert. Der Ausbildungswillige darf sich längst wieder seinen Ausbildungsplatz aussuchen. Es interessieren sich zu wenig junge Menschen dafür. Viele Plätze können von daher nicht besetzt werden.

Damit nicht noch mehr Schüler durch und nach dem Besuch eines Gymnasiums in die längst überlaufenen Studiengänge an den Universitäten hinein drängen, kann mittels einer vorherigen Selektion innerhalb und nach den ersten vier Grundschulklassen, jener unerwünschter Zustand verhindert oder beseitigt werden. Die Abläufe hierfür sind beinahe in allen Bundesländern identisch. Es werden die geforderten Leistungen durch " Klassenarbeiten " und über die Benotungssystematik einfach verändert. Dadurch " rauschen " dann vermehrt Schüler an dem - häufig - geforderten Notendurchschnitt, der zum Übertritt in eine " weiterführende " Schule berechtigt, nach der 4. Klasse vorbei.

In Bayern haben zudem die Erziehungsberechtigten / die Eltern bei der Schulwahl bis zur 4. Klasse kein Mitentscheidungsrecht. Der Grundschulbesuch wird durch den Wohnsitz der Eltern / Erziehungsberechtigten festgelegt. Ein Wechsel in eine andere, öffentliche Schule ist von daher nicht möglich.

Was dieses in letzter Konsequenz für ein Kind / die schulpflichtigen Kinder bedeuten kann, werde ich hier demnächst mal ausführlich am Beispiel dieser " Bildungseinrichtung " schildern:

   

https://www.grundschule-johann-schmid.de


Schule sollte eigentlich eine Mischung aus vielen Faktoren, die bei der Entwicklung eines jungen Menschen eine gewichtige oder gewisse Rolle spielen können, sein. Sie sollte primär auch " Spaß machen ", was bedeutet, dass der Schüler angstfrei und damit gerne zur Schule geht, diese mit einer eigenen, positiven Grundeinstellung besucht und dadurch auch sich selbst auf das künftige Leben vorbereitet. Das ist nicht immer der Fall.

Der Zug aus Richtung München fuhr in den Echinger Bahnhof ein. Die beiden " Hauptschulklassen " wuselten an mir vorbei in Richtung der hinteren Wagons. Ich stieg in der Mitte des Zuges ein. Die Abteile waren an jenem Donnerstagvormittag gut besetzt. Ich blieb deshalb in der Nähe des Ausstiegs stehen. Für eine Station, für nur 3 Minuten Fahrtzeit, lohnte es sich nicht, einen Sitzplatz einzunehmen.
So, wie es im alltäglichen Ablauf auch manchmal der Fall ist, wenn es dann sinnvoller erscheint, auf ein eingeräumtes recht einfach zu verzichten.

Die S - Bahn hielt am Bahnhof in Neufahrn. Ich stieg mit einem etwas flauen Gefühl aus dem Zug. Dieser Tag könnte eine unliebsame Überraschung bringen. Und, tatsächlich: Die " Fachmänner " der aufgesuchten Werkstatt empfahlen mir, in dem MAZDA ein neues Lenkgetriebe einbauen zu lassen. Costa quanta: 1.600 Euro! Bah!

Mit einer gewissen Wut im Bauch verließ ich den Kundeparkplatz und fuhr zurück nach Eching. Unterwegs fasste ich den festen Entschluss, dieser Horrormeldung genauer auf den Grund zu gehen. Mit Erfolg! Ich habe mir für den 8. November bei der ehemaligen Fachwerkstatt in Chemnitz einen Termin für die Überprüfung und Nachuntersuchung geben lassen.

Es gilt auch hier: " Wer kämpft, kann verlieren - Wer nicht kämpft, hat schon verloren "!

So ist es auf dem Schulsektor, im gesamten Leben, auch.

Bei der Rückfahrt dachte ich noch kurz an die an dem Bahnsteig wartenden Schüler aus Eching. Für mich wäre vor 50 Jahren, nach dem Ende der Volksschule in Heeßen also, diese und der dann folgende Besuch der Berufsschule während meiner Ausbildung, auch " Endstation " gewesen.



" Kanoi " - " On And On And On " - 2016:









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