Darßer Irrfahrt

 


Wenn ich meine bisherigen Urlaube Revue passieren lasse, fällt eine Bilanz eher positiv aus. Neben den vielen individuellen Reisen und Fahrten, bei denen der Faktor Abenteuer die überwiegende Rolle spielt, gab es auch eine Rund - um - sorglos - Aufenthalte, innerhalb derer das eherne Trio Schlafen - Saufen - Fressen einen wesentlichen Bestandteil der Zeitspanne einnahm. Dabei kam die bezahlte Bespassung auch nicht zu kurz. 

Seit einigen Jahren allerdings hat sich der Urlaub mehr oder weniger Bewegungs - und Fitnessaufenthalt entwickelt. Bewegung deshalb, weil der Mitteleuropäer ebenfalls zu der Spezies zählt, die sich wegen der zunehmenden Bequemlichkeiten in allen Lebensbereichen auch eine schleichenden Übergewichtigkeit hinnehmen müsste, würden sie, ja, würden sie sich nicht regelmäßig bewegen. Bewegung dient damit der eigenen Fitness. 

Dieses vorausgesetzt, entschieden wir uns auch im " Corona " - Jahr 2020 zu einem Ostseeurlaub. Dieses vorgeplant, fuhren wir voller Tatendrang am Samstag, den 5. September los.  

Eigentlich sollte ein Urlauber vor dem Fahrtantritt einen kurzen, prüfenden Blick auf die Reiseunterlagen werfen, ehe er sich auf den Weg macht. Das hatte ich zwar auch getan, jedoch nur den vereinbarten Reisepreis im Auge gehabt. Dann klappte ich die Mappe mit dem Mietvertrag wieder zu. Ein Fehler, wie sich an jenem Samstag, den 5. September 2020, heraus stellen sollte.

Da standen wir dann an jenem Samstag den 5. September 2020 vor dem Quartier, eine Fahrtstrecke von mehr als 800 Kilometern und über 9 Stunden Anfahrtzeit ( mehrere kleinere Pausen und einen längeren Stau vor Berlin eingerechnet ) auf dem Buckel, vor leicht verdutzt guckenden Vermietern. Diese wiesen uns dann dezent, aber bestimmt auf den vereinbarten Vertragsbeginn hin, der nicht den 5., sondern eben erst den 6. September, vorsah. Ätsch, bätsch, dumm gelaufen!

So fuhren wir dann wieder los und mussten ein Quartier für eine Nacht finden.

Diese Aufgabe gestaltete sich - das war uns völlig klar - eher schwierig Auch wenn die Hauptsaison dem Ende zugeht, die Urlauberzahlen sichtbar geringer werden, waren die Quartiere ausgebucht. Das Ende der Hauptreisezeit bedeutet hier nicht, dass schlagartig wieder gähnende Leere herrscht. Im Gegenteil. Aus der Tiefe des deutschen Raumes zieht es jetzt die Grauen in Richtung See. Sie belegen jetzt jene Unterkünfte, die zuvor von Familien und Jüngeren bewohnt waren.

Da fuhren wir nun zurück in Richtung Rostock, hielten auf der Strecke zwischen Prerow und der Hansestadt an der Ostsee einige Male an, um nach einem eventuell noch freien Quartier zu fragen. Bei der ersten Station wurden wir etwas ungläubig angesehen, als hätten wir jetzt ein unsittliches Angebot gemacht; zwei weitere Anfragen wurden nur telefonisch und mit einer eher schroffen Ablehnung beantwortet, eine weitere entpuppte sich eher als Fake, denn trotz mehrfachen Klingelns wurde nicht aufgemacht. Es dämmerte langsam. Zugegeben, wir wurden mit jeder verstreichenden Minute nervöser.

Nach zirka 50 Kilometern kam dann endlich der Erfolg. In dem Örtchen Bentwisch gibt es eine größere Hotelanlage.   

Im " Hotel an der Hasenheide " wurden wir dann endlich als Gestrandete meiner Eitelkeit, beim Lesen der Vertrags eben nicht die erforderliche Brille aufsetzen zu müssen, aufgenommen. Okay, die einzelne Übernachtung im Doppelzimmer mit Frühstück hat dann genauso viel gekostet, wie zwei Tage Prerow, aber wir waren nicht mehr obdachlos.

Sichtlich entspannt verfrachteten wir ein Teil des Gepäcks aus dem Auto in das neue Domizil und gönnten uns zunächst einmal eine erfrischende Dusche. Die Einrichtung war zwar nicht mehr vollkommen up to date, doch wir wollen nicht herum kritteln, denn es hätte ja noch viel schlimmer kommen können. Und deshalb konnten wir ausgeschlafen und nach einem großzügigen Frühstücksbuffet die Rückreise nach Prerow starten.

Während dieser erinnerte ich mich an einige, nahezu abenteuerliche Reiseerlebnisse. 

Da war einst die Fahrt nach Amsterdam. Wenige Kilometer vor der deutsch - niederländischen Grenze riss der Bautenzug des Vergasers. Bei ungemütlichem Wetter musste ich den R4 wieder flott bekommen. Nach mehr als einer Stunde hielt das Provisorium endlich. Ich konnte die Fahrt fortsetzen.

Da war die naive Selbstüberschätzung, die Fahrtstrecke von Bad Eilsen an die Costa Brava in einem Rutsch absolvieren zu können. Wir hielten nach mehr als 1.000 Kilometern Autobahnfahrt irgendwo in der französischen Pampa an, zogen unsere Schlafsäcke aus dem R4 und gönnten uns eine " Mütze Schlaf ", weil wir fertig waren. Es war eine Mischung aus großer Unerfahrenheit und dem ständigen Drang aus der Piefigkeit der Provinz auszubrechen, die mich dazu bewog, einige abenteuerliche Fahrten mit meinen immer andersfarbigen Renault R4 zu absolvieren, um dabei zu erkennen, dass jenes fahrfähige Vehikel der längst vergangenen Zeiten, an den Halter und Fahrer immer neue Herausforderungen stellte.

Da war die Besuchsfahrt nach Zürich, irgendwann im Sommer 1974. Der Anlasser des R$ machte dabei Zicken. Da war der Kurzaufenthalt im Herbst 1975 auf der ostfriesischen Insel Baltrum, als nach meiner Rückkehr mit der Fähre in Meßmersiel, das ständig herunter prasselnde Regenwasser in den Innenraum des Autos knöchelhoch stand. Oder da war auch der verstopfte Vergaser bei der Retoure - Reise vom Nordkap, der dann dazu führte, dass der " R4 - Rödel " irgendwo in der norwegischen Pampa, kurz vor einer Kleinstadt, auf einer leicht abschüssigen Straße uns bis zur nächsten Werkstatt rollen ließ, wo ein Mechaniker die Benzinleitung mit Druckluft wieder frei pustete. 

Die Litanei derartiger Pleiten -, Pech - und Pannen - Erlebnisse ließe sich hier beliebig weiterführen.

Wir kamen nach zirka einer Stunde Schleichfahrt über die stark frequentierte Landstraße in Zingst an. Hinter uns lag eine ruhige Nacht in dem durchaus weiter zu empfehlenden " Hotel an der Hasenheide ", das einen leichten Charme der ersten Nachwendedekade, also der 1990er Jahre versprüht. Ein Kurzschlaf im Kombi blieb uns erspart, denn der wäre mit Sicherheit wesentlich unbequemer verlaufen, als jene, die ich vor fast 45 Jahren in dem roten und grünen R4 erlebte. So konnte sich meine bessere Hälfte bei launigem Urlaubswetter in Zingst noch einige Geschäfte ansehen, dabei zwei wetterfeste Jacken erwerben und ausgeruht die Rückfahrt nach Prerow genießen.

Dieses Mal war es kein streikendes Auto, das uns zum Improvisieren zwang. Es war meine Eitelkeit, die die Nachfrage erlaubt, ob es nicht ratsamer ist, Vereinbarungen vorher genauer durchzulesen, ehe eine weite Fahrt angetreten wird? Ich nehme diesen fauxpas auf meine Kappe und die erlebte Irrfahrt auf dem Darß an jenem Samstag, den 5. September 2020 auch. Ces´t la vie - so ist das Leben beim Älterwerden!


BUDDHA SENTENZA  -  Saturn  -  2013:







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