Schrei in der Nacht



Es war 2.45 Uhr als ich durch einen lauten Schrei aus meinem Traum heraus gerissen wurde. Das anschließende Gewimmer verstummte bereits nach wenigen Sekunden. So aufgeschreckt und beinahe hellwach lauschte ich in Richtung des offenen Küchenfensters. Es blieb ruhig. Nur der leichte Wind ließ die sich langsam einfärbenden Blätter ein wenig rauschen. Was war das?

Ich hatte mich inzwischen umgedreht und überlegte. 

Irgendwo her kannte ich dieses Geräusch. Den kurzen, laute Schrei und das darauf folgende Gewinseln. Kurze Zeit später kam ich drauf. Es war ein Todesschrei eines Nagers. Vielleicht eines jungen Kaninchens, dass von einem so genannten Fressfeind, einen Jäger, einem Fuchs, Wiesel oder  Dachs zur Strecke gebracht worden war? 

Beim Überlegen erinnerte ich mich an jenes prägende Erlebnis an einem Nachmittag auf dem Fußballplatz in Steinbergen. Dort stand für viele Jahre ein alter Geräteschuppen aus Holz. Er hatte seine besten Tage bereits hinter sich. Einige Holzlatten des Baus waren bereits durchgefault Der einst graue Anstrich blätterte überall ab. Das Dach, das mit Teerpappe ausgelegt war, wies Schadstellen auf.

In diesem maroden Holzschuppen befanden sich die Geräte zur Rasenpflege und andere Gegenstände, wie Netzte, Torpfosten. Als wir kurz hinter dem Eingang auf den Trainer warteten, hörten wir plötzlich ein jämmerliches Geschrei. Es kam aus der Richtung des Schuppens. Ein Mitschüler begriff sofort, was dort vor sich ging. Er sprintete zu dem Schuppen, zog ein kleines Kaninchen hervor und erschlug es mit einem Ziegelstein. Fassungslos schaute ich ihn danach an. Er erklärte sich uns gegenüber. Ein Wiesel hatte das Kaninchen unter dem Bau aufgestöbert, es in die Kehle gebissen und war dabei gestört worden. Das Beutetier wäre jämmerlich verblutet. Ich konnte die Totschlagaktion des Schulkollegen immer noch nicht ganz fassen, war aber nach dessen Schilderung ein wenig beruhigter.

Und just ein solches, erbärmliches Gewimmer hörte ich heute Nacht. Es war ein solcher Todesschrei, der von dem nahe gelegenen Wald hinter dem Deich kam. Ein Schrei eben, wie ihn Tiere ausstoßen ehe ihr Dasein beendet wird.

So auch, wie es jene Hausschweine taten, die ab den späten 1950er Jahren bis Mitte der 60er, ab November im Haus geschlachtet wurden. Sie erledigte der Schlachter mit einem Bolzenschussgerät. Wenn er manchmal besoffen ankam, traf er die entscheidende Stelle am Kopf des Tieres nicht. Es schrie fürchterlich. Unser Vater, der ja mal Soldat war, lud das Gerät sofort nach und erledigte danach den Rest. 

Auch der Hund, der mir irgendwann in den frühen 1970er Jahren während einer Fahrt nach Münchehagen in den voll besetzten roten R4 lief, weil er zuvor durch eine halb offen gelassene Gartentür laufend, die Straße zu überqueren versuchte, schrie so erbärmlich auf. Er zerbeulte mir den rechte Seite des Kotflügels und verbog die Stoßstange. Durch den Aufprall wurde er in den gegenüber liegenden Straßengraben geschleudert. Dort winselte er kläglich. Er überlebte durch eine Not - OP in der Tierklinik Hannover. 

Die Natur ist aber wesentlich grausamer, denn der Jäger lässt dem erbeuteten Tier keine Chance. Dessen Todesschrei klingt sehr oft fürchterlich. So eben, wie jener, den ich nächtens hörte.

 

VESPERO  - Liventure N0 8 , Part 2  :




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