Rita B.´s Freundin, Redbone´s " Witch Queen ", Hameln´s Gymnasium

 



Heute Morgen spielte der Internet - Sender " ON - 70s On Radio - diesen Titel: 

09:04Redbone - The Witch Queen Of New Orleans

Okay, seit seinem Erscheinen habe ich das Stück mindestens 100te Male gehört. Von diversen Radiostationen; selbst aufgelegt von diversen Plattenhobeln, alsdann mittels CD - Player von irgendeinem meiner " Oldie " - Compiler.
Nichts besonderes halt, denn das Lied der Rock - Gruppe " Redbone " hat inzwischen satte 54 Jahre auf dem Buckel. Eine lange Zeit. Die Single " The Witch Queen Of New Orleans " wurde im Mai 1971 auf den Plattenmarkt geworfen. Die Gruppe aus den USA trat später im Bremer " Beat Club " bei Uschi Nerke auf:

  

Seit jenen Maitagen 1971 ist viel Wasser die Weser herunter gelaufen.

So wohl auch einige Wochen nach dem Erscheinen des Liedes trampten meine Schwester und ich nach Hameln zu einem Auftritt der Deutschrock - Gruppe " Ihre Kinder ".

Es muss wohl ein Samstagabend gewesen sein, denn wir trafen uns am späten Nachmittag mit ihrer Mitschülerin Rita B. Sie war einst der Schwarm einiger Jungs der Heeßer Volksschule. Rita zählte damals zarte 16 Lenze und besuchte nach dem Hochschulabschluss die Höhere Handelsschule in Rinteln an der Weser. Sie wohnte noch bei ihren Eltern. in einem Haus in Steinbergen. 

Als meine Schwester und ich in Steinbergen ankamen, wartete Rita und ihre Freundin, deren Namen ich nicht mehr auf der Pfanne habe, in ihrem Zimmer auf uns. Nach einem kurzen Aufenthalt in der " Bude " von Rita B., die zeitgemäß mit Postern von Jimi Hendrix, Marsha Hunt sowie surrealistischen Motiven aus der Flower - Power - Ära ausgestattet war, gingen wir zu der nahe gelegenen Bushaltestelle und fuhren von dort nach Hameln.  
 
Hameln an der Weser. Die Rattenfänger - Stadt. Hier sollte in der Aula des Gymnasiums ab 19.00 Uhr die Polit - Rock Band " Ihre Kinder " auftreten. Für diese Art Musik interessierte ich mich eher peripher. " Floh de Cologne ",  " Ton Steine Scherben " mit dem später auf Solo - Trip agitierenden Rio Reiser oder " Lokomotive Kreuzberg ", aber auch die so genannten Liedermacher - Szene nahm ich einst allenfalls zur Kenntnis. 


 So auch " Ihre Kinder ". Die Gruppe stammt aus der fränkischen Metropole Nürnberg. In der nur kurzen Zeit ihres Daseins veröffentlichten die Mannen um den 2023 verstorbenen Sonny Henning immerhin diese Alben ( LPs ):

- Ihr Kinder

- Leere Hände

- Werdohl

- Anfang ohne Ende

Nach der Auflösung wurden zwei Compiler vorgelegt, auf denen sich im wesentlichen ein Teil der Lieder wiederfinden.
Nach etwa vier Jahren löste sich die Truppe um Sonny Henning auf. Einige Musiker versuchten sich mit Solo - Projekten. Allerdings ebenfalls mit nur mäßigen Erfolg. Deutschrock steckte - wenn er überhaupt gespielt und gehört wurde - noch in den Kinderschuhen. 
Das änderte sich zum Ende der 1970er Jahre. Federführend trat dabei insbesondere Udo Lindenberg hervor. 


An jenem Abend eines Samstags im Mai 1971 wollte wir aber in der niedersächsischen Stadt Hameln die Gruppe " Ihre Kinder " hören und sehen.

Davor allerdings stärkten wir uns in einer alten Gaststätte in der Innenstadt mit Pommes und Cola. Im Hintergrund wummerte eine " Wurlitzer " - Musikbox einige der aktuellen Hits aus jenem Jahr. Darunter auch ein Stück von eben der US - amerikanischen Band " Redbone " mit dem Titel " The Witch Queen Of New Orleans ".

Ich kannte die Single aus dem radio und von der Auslage des Plattengeschäfts " Pelzig " in Bückeburg. Dort stand ich in der einstündigen Mittagspause von 13.00 - bis 14.00 Uhr - beinahe täglich und drückte mir an der großen Schaufensterscheibe die Nase platt, damit ich die Single - und LP - Cover erkennen konnte, die der Inhaber des Geschäfts jeweils wöchentlich umdekorierte. 
" The Witch Queen Of New Orleans " habe ich damals nicht gekauft. So berauschend fand ich das Lied dann doch nicht. Außerdem musste ich mit meinem schmalen Monatsbudget von 70 Mark, die mir nach Abzug des Kostgeldes,  am Monatsanfang an unsere Mutter zu entrichten, irgendwie auskommen. Also setzte ich beim Kauf von Vinylscheiben eben meine Prioritäten.

Während wir in der altertümlichen anmutenden Kneipe die Pommes rot - weiß aßen, die Coca Cola tranken, plärrte der " Redbone " - Hit aus der Musik - Box. Die Brüder Lolly und Pat Vegas sangen diesen Text: 
 
Marie (Marie) La-Voodoo-VeauShe'll put a spell on youMarie (Marie) La-Voodoo-VeauShe'll put a spell on youMarie (Marie) La-Voodoo-VeauShe's the witch queen, ahOf New Orleans, of New Orleans
I'm gonna tell you a storyStrange as it might seemOf zombie voodoo gris-grisAnd the witch queen of New Orleans
She lived in a world of magicPossessed by the devil's skewFrom her shack near the swamplandThat's made of mud-pie brickMarie stirred her witch's brew
Marie (Marie) La-Voodoo-VeauShe'll put a spell on youMarie (Marie) La-Voodoo-VeauShe'll put a spell on youMarie (Marie) La-Voodoo-VeauShe's the witch queen, ahOf New Orleans, of New Orleans
I'm gonna tell you a storyStrange as it might seemOf zombie voodoo gris-grisAnd the witch queen of New Orleans
She lived in a world of magicPossessed by the devil's skewFrom her shack near the swamplandThat's made of mud-pie brickMarie stirred her witch's brew
Marie (Marie) La-Voodoo-VeauShe'll put a spell on youMarie (Marie) La-Voodoo-VeauShe'll put a spell on youMarie (Marie) La-Voodoo-VeauShe's the witch queen, ahOf New Orleans, of New Orleans
Dime or a nickel, anyone could buyVoodoo of any kindShe had potions and lotionsHerbs and tanna leavesGuaranteed to blow your mind
Early one morning, into murky swamp dewVanished Marie with hate in her eyesThough she'll never returnAll the Cajuns knewA witch queen never dies
Marie (Marie) La-Voodoo-VeauShe'll put a spell on youMarie (Marie) La-Voodoo-VeauShe'll put a spell on youMarie (Marie) La-Voodoo-VeauShe'll put a spell on youMarie (Marie) La-Voodoo-VeauShe'll put a spell on you
Marie (Marie) La-Voodoo-VeauShe'll put a spell on youMarie (Marie) La-Voodoo-VeauShe'll put a spell on youMarie (Marie) La-Voodoo-VeauShe'll put a spell on you


Gut, ja, gut, ich verstand zwar nur überwiegend Bahnhof, doch meine Vermutung, dass hier von einer Hexen - Königin erzählt wird, konnte ich anhand meiner rudimentären Englischkenntnisse noch so gerade heraus hören. An diesem Tag war es auch nicht so wichtig, denn mein Interesse galt eher Rita B.´s Freundin aus Rinteln. Eine große, sehr schlanke, schwarzhaarige Schönheit mit Reh braunen Augen, bekleidet mit einer Batikbluse, Jeans und Stiefeln. 

Leider hatte ich bei ihr keine Chance. Wie ich später erfuhr stand die " Witch Queen " aus Rinteln an der Weser auf leicht ältere Jungs, angehende Männer halt, die eine fahrbaren Untersatz und damit mehr Geld hatten. Angeblich sollte sie die Freundin eines Motorradfahrers aus der gleichen Stadt gewesen sein.
Nun saß sie mir aber an jenem späten Nachmittag gegenüber, würdigte mich indes kaum eines Blickes. Ich, der Spargel - Tarzan mit knapp über 17 Jahren, ohne Einkommen, bei den Eltern wohnend, nicht motorisiert, konnte dem nichts entgegen setzen. Ein Milchreis - Bubi, wie jeder andere in meinem Alter oder meiner Genration zugehörend damals auch.    

Wir gingen nachdem warmen Snack in Richtung Gymnasium. Vor dem Eingang der Aula standen bereits einige Jugendliche. Wohl Oberschüler, die sich hier auskannten, denn die steuerten nach dem sie den Eintritt bezahlt hatten, schnurstracks auf die Doppeltür des Saales zu. Hier saßen ebenfalls einige Jugendliche und unterhielten sich. Es waren wohl Mitschüler. Ich kam mir jetzt wie ein Fremdkörper vor. Ein Lehrling, ein " Stift ", ein Auszubildener möchte sich zusammen mit den späteren Studenten Polit - Rock anhören.
Irgendwie fühlte ich mich - zwar nicht minderwertig -, wohl eher fehl am Platze.

Gegen 19.00 Uhr trat eine Musikgruppe auf. Es handelte sich mutmaßlich um eine jener unzähligen Schülerbands, die versuchten den großen Idolen aus der Musikszene nachzueifern. Das Trio, bestehend aus einem Gitarristen, einem Bassisten sowie einem Schlagzeuger spielte einige bekannte Stücke, darunter das der sich längst aufgelösten Gruppe " The Cream ". " Sunshine Of Your Love " dröhnte aus der Musikanlage. Der Gitarrist war gar nicht so schlecht, denn er brachte die Wah - Wah - Pedal geprägte Soloeinlage des heiß geliebten Eric " Clap " Clapton  beinahe perfekt herüber. Nur mit dem Gesang haperte es noch ein wenig.

Egal, das war meine Musik. Ich begann mit dem rechten Fuss zu wippen, summte leise mit und zollte der Truppe artig Applaus. Plötzlich eilte eine Schülerin vor den Bühnenbereich und hielt ein selbst konturiertes Pappschild hoch. Da stand ein Satz mit " Aufhören ". Mehr konnte ich aus der Ferne nicht entziffern.
Wieso " Aufhören "? fragte ich laut nach.
Die Mädchen neben mir lachten los. " Die konkurrieren in unser Schule mit einer anderen  
Band. ", antwortete eine mir.
Ich verstand immer noch nichts. Egal, die Musik, die gespielt wurde, gefiel mir.

Dann war Pause.

Gegen 20.00 Uhr traten dann " Ihre Kinder " auf. Sonny Henning am Klavier gab sein Bestes. Er sang, röchelte, schrie ins Mikro. Nö, nix für mich. Ich ließ mir dennoch ebenfalls nix anmerken.

Gegen 21.30 Uhr war dat Ding gegessen. Das war das erste, einzige und letzte Mal, dass ich die Gruppe live erleben durfte. Obwohl sie danach noch auf diversen Festivals auftraten.
Polit - Rock war nüscht für mich. Jedenfalls nicht zu jener Zeit. Ich komme aus einem Proletarierhaushalt. Da spielte Geld, materielles Gedöns, wie Autos, oder Autos eine Rolle. Das Gesabbel von Ausbeutung, Veränderung der Gesellschaftsordnung oder gar Revolution fand hier keinen Anklang. Eher schon der Zwang, nach außen hin zu zeigen, dass man etwas Wohlstand generieren konnte. Wie der auch immer zustande kommt, war völlig egal. Durch illegale Schwarzarbeit, Steuerbeschiß oder Kinderarbeit.

Wir wurden von Rita´s Vater mit einem VW abgeholt. Er fuhr uns sogar bis vor die Haustür. Ihre Freundin setzen wir vor in Rinteln ab. Ich sah sie nie wieder, die schwarzhaarige " Witch Queen " aus der Stadt an der Weser. Rita trafen meine Schwester und ich einige Male in der Disko in Steinbergen. Ich beendete meine Lehre knapp ein dreiviertel Jahr danach. Am 1. April ging ich zum Barras nach Munster / Lager. Ein neuer Abschnitt meines Lebens begann. Ich hasste die blöde Ausbildungsstelle in Bückeburg und war froh, diese Episode nach drei langen Jahren beendet zu haben.

Rita sah ich auch nie wieder. Von meiner Schwester erfuhr ich später, dass sie nach dem Abschluss der Höheren Handelsschule ebenfalls eine Ausbildung in Rinteln begonnen hätte.

Der " Redbone " - Titel endete an jenem Dienstag, den 24. Juni um 09.07 Uhr. Es folgte: 

     09:07The Doors - Riders On The Storm


Auch ein oft gehörter Titel aus den 70ern. Doch meine Gedanken schwebten einige Jahre zurück. Als " Cream " diesen Hit platzieren konnte:















 
 

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