Randale in den Fußballstadien - ein gesamtgesellschaftliches Problem?

Es muss wohl einigen Betrachtern der Fernsehbilder und Fotos der Gewaltorgien aus dem Leipziger " Bruno-Plache-Stadion ", anlässlich des Punktespiels zwischen dem 1. FC Lokomotive Leipzig und der 2. Mannschaft des FC Ergebirge Aue vom zweiten Februarwochenende dieses Jahres, wie ein Abklatsch des Skandal-Endspiels zum Europapokal der Landesmeister im Jahre 1985 zwischen dem FC Liverpool und Juventus Turin im Brüsseler Heyssel-Stadion, vorgekommen sein, als es Dutzende von Toten und Hunderte von Verletzten gab.
Hier waren die Veranstalter, die UEFA, die Stadt Brüssel und das Land Belgien unvorbereitet in eine Gewaltorgie hinein geraten, deren Ausmaße jahrelang die Öffentlichkeit beschäftigte. Zuvor gab es bereits in England eine Vielzahl von Ausschreitungen und Krawallen anlässlich diverser Fußballspiele. Die UEFA schritt ein und sperrte die englischen Mannschaften für mehrere Jahre von den internationalen Wettbewerben aus. Der Englische Fußballverband blieb ebenfalls nicht untätig und verhängte drakonische Strafen für die beteiligten Clubs. Es half - jedenfalls zunächst einmal. Die Mehrzahl der angesetzten und absolvierten Spiele in den unterschiedlichen Wettbewerben, sie verliefen meist friedlich.

Dieses lag zu einen an den Sicherheitsvorkehrungen in und um den Stadionbereich, einer aktiven Fan-Politik und einer intensiven Medieneinbindung. Hooligans, Straftäter und Randalebrüder, sie wurden öffentlich gebrandmarkt. das ist gut so. Aber, es zeigt auch, dass hier innerhalb weniger Jahrzehnte, aus einer passiven, zuschauenden und biederen Fangemeinde, ein explosives Gemisch aus Gewaltbereiten, aus Mitläufern und Duldern von Aggressionverhalten gegenüber Menschen und deren Eigentum geworden ist. Zwar geht die Masse der Fußballbegeisterten nach wie vor zu den Spielen, um ihre Mannschaft zu sehen, zu unterstützen und zu kritisieren. Jedoch hat sich eine Subkultur gebildet, ja abgespalten, denen es nicht um den Sport, die Sache selbst, den Verein, den Fußball geht, sondern darum, die eigenen Lebensinhalte zu verändern, zu verwirklichen, sich daran zu ergötzen, wie Autos brennen, Menschen in ihrem eigenen Blut liegen, Feuerwerkskörper explodieren, Rauchbomben zünden und Bengalische Feuer brennen. Es geht diesen Beteiligten, nur um die Randale, die Zerstörung des aktuellen Umfeldes, die Verletzung von regeln des miteinander Umgehens.
Diese Minorität ist nicht an dem Ereignis selbst, sondern an den Aktionen herum interessiert.

Wenn der Internationale Fußballverband, die FIFA, der Europäische Fußballverband, die UEFA, oder der Deutsche Fußballverband, der DFB, nun geglaubt haben, dass nach einer friedlichen WM, der Übergang zu dem Tagesgeschehen, naht - und reibungslos verliefe, so haben sie sich allesamt gewaltig geirrt. Der WM-Fan ist nicht der Hooligan, der jetzt die Tribünen zum Schlachtfeld ernennt, der seinen Lebensfrust, seine geistige Leere, auf der Straße, um das Fußballstdion ausleben will. Nein, diese Spezies ist völlig andersartig. Sie rekrutiert sich aus einem Umfeld, dass eigens dafür gewählt wurde. Gruppen und Banden, die sich ausnahmslos durch eine bestimmte Kleidung oder ein definiertes Auftreten leicht zu erkennen wären, es gibt sie nicht mehr. Die Zusammensetzung der Gewalttätigen, sie ist vielschichtig. Da kommt der Bankangestellte ebenso wie der Arbeitslose, der Hauptschüler mit dem Gymnasiasten, der Neo-Nazi mit dem CDU-Wähler zusammen. Alle jene Männer eint, dass ihr eigenes Leben in straffen oder in unstetigen Bahnen verläuft. Sie wollen hier ausbrechen, sich befreien von dem Druck des Funktionierens. Der Durchschnittsmichel wird zum Tier. Er flippt total aus. Er kennt keine regeln, keine Normen, keine Hemmungen. Es ist, als ob ein Rauschzustand eintritt. Hierzu haben unzählige Psychologen, Soziologen und andere Wissenschaftler sich bereits intensiv artikuliert. Das Phänomen Gewalt, es geistert in der Gesellschaft herum, es ist ein Schreckgespenst für alle, die sie ablehnen und jene, die sie zum Anlass nehmen, um nach dem Staat, den Gesetzgeber und dem repressiven Organen zu schreien.

Was also hat der Fußballsport eigentlich mit dem realen Zustand der Gesellschaft zu tun? Er ist ein Teil von ihr. Er ist der Freizeit - und Industriefaktor geworden, an dem sich die Menschen messen, sich orientieren können. Er ist Medienware geworden, da es keinen Tag mehr gibt, an dem über Fußball nicht berichtet wird. Von Sonntag bis Sonntag kann ein Fernsehzuschauer mit Spielübertragungen berieselt werden. Schon allein anhand dieser Woche, lässt sich erkennen, das dieser Sport medial präsent und total vermarktet ist. Sonntag, den 4. März gab es ab 14.00 Uhr die Spiele der 2. Bundesliga ( live auf ARENA und PREMIERE ), es folgte ab 17.00 Uhr die Übertragung der restlichen beiden Spiele des 24. Spieltages der 1. Bundesliga. Danach spulte das DSF ab 20.00 Uhr die Aufzeichnungen und Zusammenschnitte des Spieltages ab. Wer wollte, konnte,musste, der durfte sich das Angebot bis 23.30 Uhr reinquälen - inklusive nerv-tötender Dauerwerbung. Der Montag brachte das letzte Punktspiel der 2. Bundesliga ab 20.15 Uhr live auf ARENA, PREMIERE und DSF. Wer die Dauerschwafeler, selbst ernannten Experten und Bayern München-Lobegesang-Reporter noch weiter ertragen wollte, der hatte hierzu bis 22.30 Uhr Zeit und Gelegenheit. Der Dienstag bescherte uns die Übertragung der Achtelfinal-Rückspiele der UEFA Champions Leauge. Live auf PREMIERE und als Abklatsch in Konferenzform beim DSF ab 20.00 Uhr als Dauerberieselung. Am Mittwoch darf die zweite Hälfte der Vereine an dieser Veranstaltung sich präsentieren. Live bei PREMIERE. Das DSF musste passen, da die Barzis aus München wohl zu teuer waren. Dafür gibt es die Radioübertragung über die ARD - Sender, beschwafelt und besabbelt von den Reportern des BR - live aus der Arroganz-Arena. Wer Satelliten-Fernsehen besitzt und eine entsprechende Bezahlkarte, der darf sich den Zirkus auch bei ORF 1 oder anderen in Europa ansehen. Donnerstag müssen die Hinspiele des UEFA-Cups absolviert werden. Mit deutscher Beteiligung. Live ab 20.00 Uhr beim DSF und bei EUROSPORT. Freitag gibt´s ab 17.30 Uhr die drei Spiele aus dem 25. Spieltag der 2. Bundesliga, dann ab 20.30 das Freitagsspiel aus der 1. Bundesliga - live auf ARENA und PREMIERE. Samstag, dem traditionellen Fußballtag, kommt ab 15.30 Uhr die Fußballbundesliga erneut zum Einsatz. Es werden sechs Spiele und die obligatorische Konferenz angeboten. Natürlich beim Bezahlfernsehen. Dann ab 18.30 Uhr die ARD SPORTSCHAU bis 19.50 Uhr, es folgen die Ziehung der Lottozahlen und die TAGESSCHAU mit, ja mit, Zusammenschnitten von drei Bundesligaspielen in Kurzform. Dann ab 22.00 bis 22.40 Uhr, das ZDF mit dem AKTUELLEN SPORTSTUDIO, dem Dauerlutscher seit über 40 Jahren. Konserven vom bisherigen Bundesligaspieltag. Ab Sonntag dann: Wie bereits am 4. März benannt. Fußballerherz, was willst du mehr?

Die Krux an der ganzen Sache ist jedoch, dass die Dauerberieselung nicht dazu führt, dass sich Fußballfans in den Sessel lehnen. Sie strömen vielmehr zu Zehntausenden in die hoch-technisierten Veranstaltungstempel der Vereine. Hier erleben sie eine normierte Welt, einen immer gleichen Ablauf, ja sogar ein Ritual für die jeweilige Heimmannschaft. Was bleibt da an Individualität? Wenig! Der Randalebruder sucht sich deshalb den richtigen kick außerhalb der Hochsicherheitsbauten. Keine lästigen Personen - und Taschenkontrollen, keine Polizeipräsenz, keine Video-Überwachungsysteme und PC-gesteuerten Identifizierungmaßnahmen. Vermummt, verkleidet, Gewalt bereit, prügelt er nun außerhalb der Arenen auf alles, was sich ihm in den Weg stellt ein. Viel Feind, viel Ehr, so heißt hier die Devise. Aber auch das Vergnügen hat Grenzen. Die Ordnungshüter begleiten jenen Typ des modernen Neandertaler bis in die letzten Winkel, sie spionieren die Treffpunkte, die Kneipen und Lokale, die Kommunikationebenen via Internet, Handy oder per Zeichen, en detail aus. Was bleibt dann noch übrig? Wenig!

So driftet denn der Gewalt orientierte, der hirnlose jüngere Mann, in jene Ligen ab, die weder die finanziellen, noch die tatsächlichen Möglichkeiten haben, für die grundlegende Sicherheit der Spieler, der Zuschauer oder sonstiger Beteiligte und Unbeteiligte zu sorgen. Die Amateurligen, die Regionalligen oder Landesligen. Hier prallen Sportinteressierte mit den Vandaleorientierten zusammen. Es raucht! Hilflos nehmen diese Vereine es hin, dass jene Prügel - und Gewaltorgien auch außerhalb der Stadion fort gesetzt werden. Die Polizei, sie ist zwar vor Ort, häufig aber - sowohl personell, als auch taktisch - den gut organisierten Banden völlig unterlegen. Oft werden jene Entwicklungen innerhalb der Arenen, nicht richtig eingeschätzt. Mit der Konsequenz, dass sich der Frust, die Wut und das deviant Verhalten ungezügelt auf den Straße um den Stadionbereich fort setzt.

Freie Gewalt, für freie Bürger? Sind jene jungen Menschen eigentlich noch frei? Frei von Angst, ihre Kontrolle und damit ihre Zukunft zu verlieren? Ich meine: Nein, sie sind es nicht!
Das Leben stellt bereits nach der Geburt einen feinen Selektionmechanismus bereit. um hier die Spreu vom Weizen zu trennen. Wer in die falschen sozialen Umfelder, die falschen Familien hinein geboren wird, hat bereits im Kindergarten, in der Schule und in der Ausbildung keine Chance. Er durchläuft jenen Prozess erst gar nicht. Er wird abgehängt. Abgehängt von den sonstigen Entwicklungen in seinem Alter. Keine Eltern zu haben, die für die notwendige Unterstützung parat stehen, die jedes Kind benötigt, ist eine grausame Erfahrung. Sie kann später nicht mehr kompensiert werden. Wenn der Elternteil auch noch alleinerziehend ist, wird zusätzlich an einer bestimmten materiellen Sicherheit fehlen.
Die Konkurrenz unter den Gleichaltrigen ist groß; diese verhalten sich oft gnadenlos, ja sogar grausam. Ein Ausleseprozess beginnt. An dessen Ende, jene als Verlierer darstehen, die nicht der Norm entsprechen.

Der so Frustrierte verdingt sich in Zeit totschlagen, oder noch schlimmer: In Ausländer und andere, nicht in das eigene Weltbild passende Menschen zu schädigen. Körperverletzungen durch Beibringung schwerer Gewalt, das sind die Auswüchse jener Jugendbanden, die nicht nur, aber immer häufiger in den Stadien Deutschlands ihr Unwesen treiben. Sie erhalten nur dann Beachtung, wenn es schon längst zu spät ist. Zu spät für eine Umkehr und zu spät, um das zu verhindern, was mit ihrem rechtswidrigen Tun, vorallem geschädigt wird: das Ansehen des Fußballs!

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