ORWO Chrom aus Wolfen, die günstige Alternative zum Agfa - Fuji - Kodak - Rollfilm
Wir schreiben das Jahr 1983. Ich hatte mir von den Bezügen aus der Staatskasse, die ich als Rechtspraktikant erhielt, im Sommer eine Spiegelreflexkamera gekauft. Die " Pentax A1 ".
https://de.wikipedia.org/wiki/Pentax-A-Serie
Die Kamera wurde von der Firma " Asahi Optical K.K. " einige Zeit davor entwickelt und ab 1983 auf den Markt gebracht. Die werbe - und Umsatz fördernde Auszeichnung " Kamera des Jahres " interessierte mich einst genauso wenig, wie das lobhudelnde Gesabbel des Verkäufers bei " Saturn Hansa " in Köln, bei der ich das gute Stück für knapp 1.000 Deutsche Mark erwarb. Eigentlich fuhr in die Domstadt mit dem festen Entschluss, mir einen Fotoapparat der japanischen Konkurrenz aus dem Hause " Canon " zuzulegen, nämlich die " Canon F 1 " ( https://de.wikipedia.org/wiki/Canon_F-1 ), für die ein Bekannter damals so sehr schwärmte. Daraus wurde glücklicherweise nichts, was diesen dazu veranlasste, meine neue Kamera schlecht zu reden. Vollkommen zu Unrecht, denn sein veraltetes " F 1 " - Modell nahm " Canon " 1987 vom Markt und ließ statt ihrer die " EOS " - Serie anlaufen ( https://de.wikipedia.org/wiki/Canon_EOS ).
Mich interessierte die Litanei technischer Details zu den beiden Modellen ebenso wenig, wie das Gelaber des Bekannten über mein kleineres, weil billigeres Kamerastativ, die günstigere Transporttasche oder das nicht so kostspieligere, weitere Zubehör, das ich nach und nach bei " Saturn Hansa " in Köln erwarb. Es ging mir vormals nie um einen konkurrierenden Vergleich von irgendwelcher Kameratechnik, sondern eher um die kreative Seite des als Hobby betriebenen Fotografierens.
Um allerdings die eigens entwickelte Kunst des Fotografierens weiterhin zu verfeinern, musste die Kamera mit einem Rollfilm aufmunitioniert werden.
Dazu kaufte ich mir bei dem lokalen Anbieter mit dem unverwechselbaren Namen " Dose " in Bremen eine Reihe von Rollfilm - Patronen. " Photo Dose " mutierte in jenen Jahren zum unangefochtenen Platzhirsch in Sachen Fototechnik. Nicht nur deshalb, weil die Verkaufskette, die später im gesamten norddeutschen raum 120 Filialen vorweisen konnte, günstige Rollfilme unter dem eigenen Namen als Hausmarke anbot, sondern auch weil das Angebot breit gefächert war.
Diese Rollfilmpatronen wurden als Hausmarke bereits ab 2,99 einschließlich Entwicklung angeboten. Mit dem Film, der eine Lichtempfindlichkeit von 100 ASA besaß, ließen sich 36 Farbaufnahmen entwickeln. Der Papierabzug kostete - abgestuft nach den angebotenen Formaten - ab 0,19 DM bis zu 10 DM bei großformatigen Bildern je Stück. Später wurden Komplettpakete angeboten, in denen der Papierabzug knapp 9 Pfenning kostete, wobei misslungene Bilder kostenlos retourniert werden durften.
Neben dem Marktführer " Kodak Kodachrome " aus den USA, der die 35 mm - Kleinbildfilme, die sich nach der Entwicklung und der Fotoherstellung als leicht gelbstichig erwiesen, anbot, legte die belgisch - westdeutsche Firma " Agfa Gevaert " ein breites Sortiment von Rollfilmen vor. Die " Agfa " - Rollfilme tendierten durchweg zu einem leichten Blaustich.
Die von dem japanischen Konzern " Fuji " als " Fujicolor " auf dem Markt gekommenen Rollfilme tendierte wiederum zu einem schwachen Rotstich.
Farblich perfekt abgestimmt waren die " Rollei - Filme ", die allerdings preislich über de Obengenannten lagen sowie auch die Billig - Variante von " Orwo Orwochrome ", die aus dem VEB Kombinat Bitterfeld - Wolfen, genauer der Filmfabrik Wolfen, stammten.
https://de.wikipedia.org/wiki/35-mm-Film
https://de.wikipedia.org/wiki/Rollfilm
https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:35_mm_film?uselang=de
https://de.wikipedia.org/wiki/Kodak_Kodachrome
https://de.wikipedia.org/wiki/Agfa
https://de.wikipedia.org/wiki/Fuji_Fujicolor
https://de.wikipedia.org/wiki/Filmfabrik_Wolfen
Dieser Kleibildfilm gab es bald auch in den Filialen von " Photo Dose ". Er zeichnete sich nicht nur als preisgünstige Alternative zu den anderen Rollfilmen aus, sondern war qualitativ mit dem " Rollei Film " auf eine Stufe zu stellen. Nun " Orwo " - Kleinbildfilme gab es deshalb in Westdeutschland zu kaufen, weil das Staatsgebilde DDR bereits in den frühen 1980ern ökonomisch aus dem letzten Loch pfiff und so ziemlich alle Konsumgüter in den potenteren Westen exportierte, die sich irgendwie zu Devisen machen ließen
Während die Kleinbildfilme aus der eigenen Herstellung kaum zu erhalten waren und zudem sehr teuer verkauft wurden, durfte sich der Klassenfeind im Westen eines großzügigen Angebots dieser Marke erfreuen. Ein Schnäppchen im Vergleich zu den Angeboten der westlichen Konkurrenz. Auch der " Orwo " - Schwarz - Weiß - Rollfilm war im Vergleich zu dem hier markführenden Hersteller " Ilford " um 2 bis 3 DM günstiger, aber von gleicher Qualität.
Mehr als ein Vierteljahrhundert nach dem ich meinen letzten Rollfilm aus der immer noch existenten " Pentax A1 " entwickeln ließ, wurde mir klar, warum die Rollfilme der Hausmarke von " Photo Dose " damals wesentlich günstiger verkauft werden konnte als jene aus der Palette der Konkurrenz. Sie wurden - mutmaßlich - im zirka 340 Kilometer entfernten Wolfen hergestellt.
Nun, ja, sei´s drum. Nicht ungern habe ich einst durch die Hunderte Rollfilme dieser Hausmarke indirekt die vom real Existierenden geknechteten Schwestern und Brüder unterstützt und damit einen winzig kleinen Anteil zum Erhalt des Arbeiter - und Bauernstaates geleistet; wohl auch damit sie nicht nur dann und wann einen Farbfilm aus Wolfen erwerben konnten. Denn in gewisser Weise ähnelten wir uns in Sachen Spießigkeit, Gründlichkeit und Geschichtsvergessenheit dann doch.
Und deshalb bekommt meine oben geäußerte Vermutung, dass die einstige Photo - Handelskette " Dose " wirtschaftlich irgendwie mit dem ehemaligen Filmehersteller in Wolfen verbandet sein musste und beim großen Zampano Alexander Schalck - Golodkowski ( https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Schalck-Golodkowski ), dem Leiter der Außenstelle Kommerzielle Koordination ( KomKO ) im Ministerium für Außenwirtschaft wohl gelitten war. Die Geschäftsführung des einstigen regional bedeutsamen Händels für Fotoartikel musste in jenen Jahren des Wachstums einen sehr guten Draht nach Ost - Berlin gehabt haben. " Orwo " - Filme galten in der DDR als Mangel -, im Westen - völlig zu Unrecht - aber als Bückware. Vielleicht lag es an dem Umstand, dass der Westableger der SED, die DKP just in der Freien und Hansestadt Bremen bis weit in den 1980ern einen durchaus spürbaren politischen Einfluss hatte?
Wie dem auch immer war, mit dem Aufkommen der Digitalisierung im Bereich der Fotografie schrumpfte das regionale Imperium stetig. Aus dem Riesen in Sachen Fototechnik wurde ein Zwerg.
Nun las ich - eher zufällig -, dass die Restbestände des einstigen Handelsketten - Betreibers durch die Firma " Orwo GmbH " im sachsen - anhaltischen Wolfen aufgekauft.
https://www.haz.de/der-norden/ostdeutsche-kaufen-photo-dose-6EXLQDPFUTIUTOSQP4KS6XLBCY.html
Nun kommt wieder zusammen, was einst zusammen gehörte?
Rollfilme gibt es zwar überall in Deutschland - zumeist über den Online - Handel - zukaufen, allerdings ist ihre Bedeutung in Sachen Fotografie nur noch marginal.
Wenn das Nina Hagen schon damals gewusst hätte:
Um nicht ganz in die bleierne Nostalgie zu verfallen?
ROLAND KOVAC - Autumn Leaves - Four Brothers - 2015:
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